I wie Innovation: Neu für wen? Das Gründer-ABC

von Ralf Klümper
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Illustration: Susann Massute

Gäste lechzten nach neuen Geschmackserlebnissen. Das Ambiente kann nicht ausgefallen genug sein. Wir leben in einer Welt, in der wir für relativ wenig Geld in jeden noch so abgelegenen Winkel unserer Erde reisen und dort Eindrücke gewinnen sowie Geschmäcker erleben können. Mit was kann man solch verwöhnte Gäste noch aus ihren bequemen vier Wänden locken. Muss es tatsächlich immer gleich der „heißeste Scheiß“ sein?

Muss einem Gründer in Sachen Innovationen der große Wurf gelingen, um heutzutage erfolgreich zu sein? Meine klare Meinung: Nein. Denn was bedeutet Innovation überhaupt? Und wie umfangreich muss bzw. darf sie sein?

Innovationszyklen werden immer kürzer. Wäre vor rund zehn Jahren der Einstieg in den Better-Burger-Markt noch lohnend gewesen, lockt eine derartige Gründung heute meist nur noch kurzzeitig Gäste an. Und waren Burger überhaupt vor zehn Jahren eine Innovation? Sicher nicht: das Neuartige war die bessere Qualität.

Einer der derzeit am meisten beachteten Gründungen sind die Underdocks in Hamburg. Entstanden aus der Idee heraus, dass es doch möglich sein muss, Fischbrötchen nicht pappig weich und zäh, sondern fluffig und knusprig anzubieten. Und die Mayo, mit der der Fisch in anderen Fischbuden erschlagen wird, darf gerne auch hausgemacht, raffinierter und geschmacksunterstützend und nicht erschlagend sein.

Die erfolgreichsten Innovationen sind tatsächlich meist nicht solche, die die (Food-)Welt revolutionieren. Sondern jene, die sie in Teilbereichen einfach nur einmalig gut machen. Das können banale Attribute wie regional, schmackhaft, biologisch, lecker, gesund oder frisch sein, die der Gastro-Gründer dann aber in bester qualitativer Ausprägung realisieren sollte.

Wer kann schon von sich behaupten, dass er weiß, welche Länderküche in den nächsten Jahren die hippste sein wird? Und viel wichtiger: Dass er mit ihr nach Eröffnung über Jahre hinweg ein gutes Geschäft machen wird?

Überlassen Sie das hehre Ziel, die Gastro-Welt zu revolutionieren, gerne anderen. Das betrifft insbesondere auch technische Neuerungen. Das Konzept „La Barraca“, entwickelt von Vapiano-Erfinder Mark Korzilius, ging in München 2010 an den Start. Die Gäste konnten seinerzeit erstmalig mit Hilfe eines Displays vom Tisch aus bestellen. Unter anderem auch die technischen Kinderkrankheiten sowie die daraus resultierenden organisatorischen Probleme in der Küche führten nach vielversprechenden weiteren Eröffnungen u.a. in Düsseldorf und Hamburg zur Unzufriedenheit bei den Gästen. Heute gibt es La Baracca nur noch in Lübeck und das auch nur als Hotel-Restaurant im Radisson.

Klar: Diese Art der Bestellaufnahme ist heute keine wirkliche Innovation mehr. Viele haben sie adaptiert und verbessert. Bezeichnend ist aber, dass derjenige, der damit als erster startete, vom Markt wieder fast verschwunden ist. „eatDOORI“, gegründet 2016 in Frankfurt, ist ein gutes Beispiel dafür, dass es auch ganz anders geht: Dort füllen die Gäste kleine Bestellzettel aus und klemmen sie in die Wäscheklammern, die über den Tischen hängen. Wie das funktioniert, sieht man hier. 

Mein erster Tipp ist daher: Technische Neuerungen solltet ihr zwar im Auge behalten, aber erst einführen, wenn sie den Kinderschuhen entwachsen sind.

Mein zweiter Tipp: Im Fokus eurer Überlegungen muss immer eure Zielgruppe / euer potenzieller Gast stehen. Die Frage ist also: Neu für wen? Während junge, streetfood-erprobte Gäste über Burger oft nur noch gähnen können, stellen sie für die ältere Generation meist noch eine zu innovative Herausforderung dar.

Nächstes Mal: J wie Jederzeit – Immer und ewig?

Das Gastro-Gründer-ABC auf nomyblog begleitet Sie vierzehntägig mit den wichtigsten Themen von A bis Z. Der Autor Ralf Klümper war bis 2017 selbst zehn Jahre Gastronom in Essen („Die Insel“). Seine Praxiserfahrung vermittelt er seitdem als Gastro- und Gründerberater und schreibt für Gastro-Blogs und Fachpublikationen. 

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