„Heute ist ein Mehr an Differenzierung gefragt“ – Ingo Kniepert, tropextrakt Frankfurt, über Getränketrends

von Redaktion
kniepert tropextrakt - interviews-portraits, getraenke „Heute ist ein Mehr an Differenzierung gefragt“ - Ingo Kniepert, tropextrakt Frankfurt, über Getränketrends

Experte für Exotik: Ingo Kniepert, tropextrakt GmbH, Frankfurt

Wie in vielen anderen Branchen gibt es auch in der Getränkewelt eine Zuliefererbranche. Manche Marken haben mit ihrem Getränk an sich fast gar nichts zu tun, man kennt es von Energydrink-Herstellern, die sich fast ausschließlich um Marketing und Vertrieb kümmern und das Abfüllen komplett outgesourct haben. Oder man hat vielleicht davon gehört, dass die Limonaden für Biermischgetränke nicht in der Brauerei selbst entstehen. Manchmal haben sogar direkte Mitbewerber den gleichen Lieferanten – und das ist wohl der Grund, warum man über Hersteller wie Symrise, Wild oder Döhler, Dickschiffe der Getränke-Zulieferer-Branche, relativ wenig liest. Absolute Diskretion ist oberstes Gebot. Dabei ist es eine sehr spannende Branche, denn hier weiß man, das ist die Kernkompetenz, sehr früh, was Getränketrend von morgen ist, und entwickelt dafür Lösungen.

Ein Dauertrend sind exotische Geschmäcker in Getränken: Curuba, Passionsfrucht, Yuzu, Zitronengras und Co. sind aus den Getränkeregalen nicht mehr wegzudenken. Auf den Import und Vertrieb exotischer Frucht- und Nischenprodukte für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie hat sich das Frankfurter Unternehmen tropextrakt spezialisiert: Aus Ländern wie Brasilien, Chile, Mexiko, Peru, den Philippinen, Thailand oder Vietnam stammen die Rohstoffe, die Kunden für ihre Produkte verwenden. Das Unternehmen stellt auch Rezepturen für unterschiedliche Produkt-Applikationen her, auf Wunsch bis zum marktreifen Produkt. Abnehmer sind z.B. Eckes-Granini, true fruits, aber auch kleine Startup-Getränkehersteller. 2015 hat man mit QYUZU Tonic Water das erste eigene Getränk auf den Markt gebracht.

Mit Geschäftsführer Ingo Kniepert haben wir über Getränketrends, das Entstehen eines Produkts und Startup-Fehler gesprochen.

Herr Kniepert, tropextrakt wurde 2002 gegründet. Wie ist das Unternehmen entstanden?

Die Idee, den Geschmack tropischer Früchte nach Deutschland zu bringen, war durch meine Kindheit in Brasilien inspiriert. Dort gibt es an jeder Straßenecke die herrlichsten frischen Mixgetränke aus einer Vielfalt exotischer Früchte. 2002, als das Unternehmen gegründet wurde, war der deutsche Getränkemarkt noch nicht so weit wie jetzt: Heute ist ein Mehr an Differenzierung gefragt. Den Konsumenten ist außerdem bewusster, wie ungesund manche Getränke sind, das Kaufverhalten ist reflektierter als noch vor zehn Jahren.

Natürlichkeit ist ein großes Konsumthema.

Ja, und es betrifft alle Komponenten des Getränks: Das Aroma soll heute natürlich, nicht naturidentisch sein, es soll keine Farbstoffe enthalten, auch die Zuckerart spielt eine Rolle. Es geht zudem um völlige Transparenz: Wo kommt mein Getränk her? Auf unserer Webseite gibt es die Kunstfigur Antonio, einen Anbauer exotischer Früchte: Er steht symbolisch dafür, dass wir offenlegen, wo unsere Rohstoffe herkommen. Wir laden unsere Kunden auch ein, unsere Lieferanten mit uns zu besuchen. Wir können sehr genau rückverfolgen, von welchem Feld, ja sogar von welchem Teil des Feldes der eingesetzte Rohstoff stammt.

Wie entsteht ein neues Getränk bei Ihnen?

Wir unterscheiden in unserem Bereich zwischen Industrie- und Startup-Herstellern – Industrie-Unternehmen haben oft eine eigene Forschung und Entwicklungsabteilung, analysieren die weltweiten Trends an und haben nicht zuletzt die finanzielle Power, um ein Getränk in den Markt zu bringen. Entsprechend fragen sie bei uns größere Mengen bestimmter Rohstoffe, z. B. eines Fruchtextraktes nach. Startups beraten wir häufig umfassender: Da kommen, oft Branchenfremde, mit einer Idee – manchmal einer wirklich abgefahrenen – auf uns zu: Wir möchten gerne ein Getränk machen – was ist zu tun? Wenn wir eine solche Anfrage erhalten und die Möglichkeit einer erfolgreichen Umsetzung sehen, dann führen wir ein umfangreiches Briefing-Gespräch – angefangen von dem Produkt und seinen Inhaltsstoffen über die Verpackung und das wichtige Thema Etikettierung – auf Wunsch – bis hin zur Markenentwicklung.

Die Beratung ist bei Kleinen umfassender, vermute ich. Aber gleichzeitig haben sie weniger Budget, vermute ich auch. 

Wir bieten Startups besondere Starter-Beratungspakete an, die ihnen die wichtigsten Bausteine an die Hand geben, um ein selbstentwickeltes Getränk erfolgreich im Markt platzieren zu können. Diese Beratungspakete sind so geschnürt, dass sie zu Unternehmern passen, die zunächst mit kleineren Produktionsmengen starten.

Was ist denn die kleinstmögliche Menge?

Das hängt stark vom Gebinde ab. Man kann schon mit 2.500 Einheiten anfangen. In der Regel sind es aber 10.000. Zum Vergleich: Industrieprodukte starten mit 150.000 bis 300.000.

Mit welchen Startups haben Sie schon zusammengearbeitet?

Zwei Beispiele wären die Konterbrause und The Drinking Ape.

Aufmerksamen nomyblog-Lesern dürften die aus dem Warenkorb Herbst 2015 und April 2016 bekannt sein. Mit dem Tonic Water QYUZU haben sie jetzt ein eigenes Produkt in den Markt gebracht. Warum das?

Wir wollten in erster Linie wissen: Wie ist es, Kunde bei uns zu sein? Und wir wollten besser verstehen können, welche Herausforderungen und Probleme am Wegesrand auf unsere Kunden warten können.

qyuzu tonic water - interviews-portraits, getraenke „Heute ist ein Mehr an Differenzierung gefragt“ - Ingo Kniepert, tropextrakt Frankfurt, über Getränketrends

Eigenes Produkt: Qyuzu Tonic Water

Und auf welche sind Sie gestoßen?

Wir haben uns aus Design-Gründen für eine Dose als Verpackung entschieden, an dieses Gebinde bestehen in unterschiedlichen Ländern unterschiedliche Anforderungen. In Frankreich zum Beispiel dürfen im Lack auf der Innenseite der Dose bestimmte Stoffe, die anderswo zulässig sind, nicht enthalten sein. Da mussten wir uns erstmal auf die Suche nach einer Alternative – nur für Frankreich – machen. Bei der Neuentwicklung von Getränken wird man immer wieder mit völlig neuen, unvorhergesehenen Fragestellungen konfrontiert. Das bedeutet Arbeit, schafft aber auch viel zusätzliches Wissen.

Weil Sie ja viele Getränkegründer nicht nur beliefern, sondern auch beraten, sehen Sie doch bestimmt Mängel. Woran hapert es?

Oft am Vertrieb. Die Leute kommen mit guten Ideen, tollen Designs, lassen das Getränk abfüllen – und dann? Man muss ja bedenken: Einmal abgefüllt, tickt die Uhr.

Mindesthaltbarkeit.

Nicht nur das: Der Handel will zum Teil lange Restlaufzeiten vor dem MHD. Darauf weisen wir unsere Kunden hin. Es ist viel Bewegung drin im Getränkemarkt, aber nur Wenige schaffen es, auf Dauer erfolgreich zu sein.

Wie lassen sich Risiken minimieren?

Man muss die finanziellen Mittel bereitstellen, um trommeln zu können, also um zum Beispiel Aktionen und Promotions durchzuführen oder Displays aufzustellen.

Viele Getränke-Neulinge gehen ja zuerst in die Gastronomie.

Sich von szenigen Bars den Weg in den Handel zu bahnen, ist für viele Produkte sicher ein guter Ansatz. Dafür braucht man die Manpower, um rauszugehen und aus dem Kofferraum anzuliefern.

Arbeiten Sie auch mit Gastronomen, Bartendern im Speziellen, zusammen, um neue Getränkeideen zu entwickeln?

Bislang noch nicht. Aber wir denken darüber nach. Wir verfügen über ein offenes Applikationslabor, in das wir zukünftig auch Bartender einladen wollen.

berliner mätchen - interviews-portraits, getraenke „Heute ist ein Mehr an Differenzierung gefragt“ - Ingo Kniepert, tropextrakt Frankfurt, über Getränketrends

Regionales und Exotisches in Kombination: Berliner Mätchen, Apfelsaft mit Mate

Was ist der nächste große Getränketrend? Aktuell boomt ja das Thema Regionalität.

Was für exotische Geschmäcker, auf die wir uns spezialisiert haben, keinen Stopp bedeutet: Oft werden für Getränke, die wir für die Industrie entwickeln, heimische Früchte mit exotischen kombiniert. Ein Bespiel hierfür wäre das „Berliner Mätchen“, für das wir den Mate-Tee aus Brasilien importieren.

Also das Prinzip „Apfelsaft und Açai“.

Genau, Bekanntes mit Unbekanntem: So weckt man die Neugier des Konsumenten und schreckt ihn nicht ab.

Jetzt haben Sie noch keinen Getränketrend für die Zukunft genannt.

Wir sehen gerade einen Trend zu herben, bitteren Geschmacksnoten, auch in Kombination mit fruchtigen Komponenten. Wir nennen das „Bitter ist das neue Süß“. Gerade, wenn man ein edles nichtalkoholisches Getränk zu einem schönen Essen genießen möchte – ein weiterer Trend –, passt diese Geschmacksrichtigung sehr gut und kannibalisiert sich nicht mit der des Essens. Den Bitter-Trend kann man auch in anderen Bereichen beobachten, etwa bei dunkler Schokolade oder der Anreicherung von süßen Geschmacksrichtungen mit eher bitteren Komponenten, man denke an Mate oder Kaffee.

Vielen Dank, Herr Kniepert.

www.tropextrakt.com

 

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.