„Hinter der Bar liegen immer Sachen zum Werfen rum“ – im Gespräch mit Barchefin Cordula Langer

von Redaktion
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Cordula Langer, Barchefin der „BRYK Bar“

Cordula Langer zählt zu den bekanntesten Bartenderinnen des Landes. Die gelernte Hotelfachfrau hat in zahlreichen Berliner Bars wie „Becketts Kopf“, „Bellini Cocktail Lounge“, „Lebensstern“ und „Monkey Bar“ hinter dem Tresen gestanden. Seit einigen Wochen ist sie Chefin der „BRYK Bar“ im Prenzlauer Berg. Wir haben mit ihr über das Arbeiten in einem sogenannten Männerberuf gesprochen.

Cordula, du hast 2014 den Mixwettbewerb „Barmaid Olympics“ ins Leben gerufen, der sich ausschließlich an Frauen richtet. Wie kam es dazu?

In den USA gibt es schon länger einen Wettbewerb für Frauen, „Speed Rack“, der vor drei Jahren auch in London stattgefunden hat. Julia (Comu, d. Red.), und ich wollten ihn erst nach Deutschland holen. Die Kommunikation mit den Veranstaltern war aber schwierig, also haben wir unser eigenes Ding aufgezogen. Die „Barmaid Olympics“ sind ein klassischer Wettbewerb, weniger High-Life, Glitzer und Schminke wie bei „Speed Rack“.

Wie war die Resonanz?

Unglaublich. Die Gäste aus den Bars unserer Teilnehmerinnen finden es toll. Die Industrie unterstützt uns sehr, ich habe es mir viel schwieriger vorgestellt, die an Bord zu bekommen. Die haben durch die Bank gesagt: kein Thema. Die hat es auch nicht gestört, dass Konkurrenzprodukte mit dabei sind. Alle haben gesagt: Eine Competition für Frauen, genau das brauchen wir.

Es gibt ja auch keinen anderen Wettbewerb für Frauen.

Früher gab es mal einen von Dooley´s, da habe ich einmal mitgemacht.

Die Frauenquote bei Wettbewerben ist in der Regel niedrig, oft hat man reine Männerrunden. Liegt es daran, dass es insgesamt immer noch so wenige Frauen hinter Bar-Tresen stehen? Wie viele Frauen sind es anteilig überhaupt?

Ich habe keine Zahlen, schätze aber fünf bis zehn Prozent. Oft ist es so, dass in kleinen Städten, in Hotelbetrieben in Kurorten zum Beispiel, Frauen wenig Förderung bekommen. Das habe ich aus Gesprächen mit den Wettbewerbs-Teilnehmerinnen mitgenommen. Will eine Frau dort hinter der Bar arbeiten, wird es von den Chefs und Kollegen oft nicht so unterstützt wie in der Großstadt. Oft sind die männlichen Bartender dort auch älter. Je ländlicher es wird, desto mehr ist verbreitet: Ein Bartender ist männlich.

Wie sieht es im Ausland aus?

In den USA gibt es einige mittlerweile weltweit bekannte Bartenderinnen. In Schweden oder Griechenland hingegen habe ich nur wenige Frauen hinter der Bar gesehen, in Paris gar keine.

Was braucht es aus deiner Sicht, damit das anders wird? Ist der Beruf der Bartenderin überhaupt attraktiv für Frauen?

Also das finde ich schon (lacht). Es kommt darauf an, wo man seine Ausbildung gemacht hat. Es braucht einen Chef, der das unterstützt. Ich habe Hotelfachfrau auf Spiekeroog gelernt, typischer Familientourismus, bei uns gab es keine Cocktails. Ich wollte aber unbedingt hinter die Bar. Als meine Chefs mitbekommen haben, dass ich mich dafür interessiere, haben sie gesagt: Dann schreib uns doch mal eine Cocktailkarte. Das hat mich bestärkt. Arbeitet man nur im Restaurant und kommt nicht hinter die Bar, ist der Weg dorthin natürlich schwierig.

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Cordula Langer bei der Arbeit in der „Bryk Bar“. Foto: Gili Shani / Balvenie 5 Crafts Tour

Unterstützen die Verbände Frauen genug?

Ich würde sagen ja. Man wird in den größeren Organisationen heute voll akzeptiert. Das war früher anders (die Deutsche Barkeeper-Union, DBU, lässt Frauen in seinem Verband erst seit 1984 zu, d. Red.).

Aber auch heute muss Frau sich durchsetzen können in dieser nach wie vor männerdominierten Branche?

Ich habe schon Situationen erlebt, wo ich Ellenbogen zeigen musste.

Gegenüber Kollegen?

Ja, und auch gegenüber Gästen. Im „Lebensstern“ (eine sehr klassische Bar, d. Red.) haben mich viele Gäste angeguckt und ich hab schon am Blick gemerkt, die denken jetzt: Was will die uns denn bitte erzählen? Fängt man dann an, die Spirituosen zu erklären, etwas zu empfehlen, dann macht es Klick: Oh die kann ja doch was. Es hat sich in den letzten Jahren allerdings gewandelt. In Berlins gehobener Barszene ist eine Frau hinter dem Tresen relativ normal geworden. Anders sieht es in Happy-Hour-Bars aus …

… mit denen du dich als ehemalige Barchefin der „Bellini Lounge“ ja auch auskennst.

Das war echt hart. Meine Mitarbeiter sind mir oft auf der Nase rumgetanzt.

Wie zum Beispiel?

Einer hat sich immer tierisch aufgeregt, weil ich darauf gepocht habe, dass Drinks immer gleich auszusehen haben, wenn sie rausgehen. Es ist eine hochfrequentierte Bar, 150 Cocktails auf der Karte. Da müssen zwei Cosmopolitans die gleiche Farbe und die gleiche Rezeptur haben. Das ist sehr wichtig. Der Mitarbeiter konnte mich deswegen echt nicht leiden. Ich war ein paar Monate weg, da hab ich ihn zufällig getroffen. Er: „Ich habe dich gehasst. Jetzt, wo alles kreuz und quer geht, vermisse ich dich.“

Ich zitiere deinen Kollegen Arnd Heissen: „Nicht alle Gäste sind Gentlemen.“ Wie geht eine Bartenderin mit Konfliktsituationen um, konkret wenn Gäste sich daneben benehmen oder es aufdringlich wird?

Ich habe gelernt, Gäste vor die Tür zu setzen. In ganz krassen Situationen rufe ich auch die Polizei. Ich versuche aber immer, das selbst zu klären. Sage: Reißt euch zusammen. Oder lege ihnen die Rechnung hin. Dann haben sie in der Regel verstanden, dass sie gehen sollen. Wichtig ist zu zeigen: I am in charge.

Und wenn sich Gäste dann erst herausgefordert fühlen? Angetrunkene Personen werden ja leicht übermütig.

Ich hatte in der „Bellini Lounge“ mal zwei Gäste an der Bar, der eine ist immer eingeschlafen und ich versuchte ihnen zu erklären, dass das so nicht geht. Auf einmal nahm der, der mit dem Kopf auf den Tresen eingenickt ist, sein Halbliter-Bierglas und kippte es mir gemütlich hinter den Tresen. So richtig provokativ. Da bin ich rum um die Bar, hab ihn am Kragen gepackt und raus befördert.

War das nicht gefährlich?

Ich konnte an seiner Reaktion merken, wie geschockt er war. Das hat er so von mir nicht erwartet. Du bist in dem Moment im Vorteil, viele rechnen nicht damit, dass eine Frau auch mal anders werden kann. Die meisten konnten gar nicht so schnell gucken, wie sie raus waren.

Hast du mal einen Selbstverteidigungskurs belegt?

Bisher noch nicht. Im schlimmsten Fall hast du hinter der Bar immer Sachen rumliegen, die du einfach mal werfen kannst. Eispickel, Muddler, Flaschen (lacht).

Du trinkst nur ungefähr alle zwei Monate Alkohol, hast du im Vorfeld erzählt. Hast du dir Distanz geschaffen? Ich frage deswegen, weil diese verlockende Nähe vielleicht – aus Vorsicht – auch und besonders Frauen abschrecken könnte.

Schon als Jugendliche habe ich nicht wirklich viel getrunken. Ich habe jeden Tag viel damit zu tun und muss auf der Arbeit Sachen probieren. Privat gehe ich schon gerne mal essen und trinken, nur nicht so oft, weil mir meine Freizeit sehr wichtig ist. Ich nehme mir gerne einen Tag Auszeit, male dann mit Acryl und treffe meine Familie und Freunde.

Stichwort: Lassen sich Familie und Beruf in der Bar-Branche eigentlich vereinbaren?

Das ist sicher schwierig, gerade wenn das Kind klein ist. Viele Frauen gehen dann in die Tagarbeit, machen Frühdienst …

… aber wohl nicht in einer Bar. Funktioniert das Arbeiten in der Nacht-Gastronomie dann überhaupt noch?

Man braucht sicher einen Partner, der das mitträgt und dann tagsüber die Kinder hat. Was ich bisher dazu von Kollegen mit Kindern gehört habe, ist es machbar. Aber kompliziert.

Vielen Dank, Cordula.

www.barmaid-olympics.de

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