
Foto: Honza Krena
Nach dem Manifesto am Potsdamer Platz 2023 hat der US-Amerikaner Martin Barry mit seinem Unternehmen nun auch im neuen Kalle Neukölln eine Foodhall eröffnet, die Kalle Halle. Was will man hier anders machen und wie blickt der Unternehmer insgesamt auf das Thema Foodhalls und den Stadtteil? Zur offiziellen Eröffnung trafen wir ihn zum Gespräch.
Herr Barry, wie würden Sie die beiden Foodhalls vergleichen? Was ähnelt sich, was haben Sie hier anders gemacht?
Wir haben eine Menge harter Lektionen am Potsdamer Platz gelernt. Viel darüber, was wir beim nächsten Standort nicht tun sollten. Der Ort hier erinnert in vielem an den ersten, den wir in Prag eröffnet haben (das aus Containern auf einer Brachfläche errichtete Manifesto Market Florenc 2018-2021, Anm. d. Red.) und auch dem, den wir heute in Prag haben (Manifesto Market Anděl im Stadtteil Smíchov). Manifesto Potsdamer Platz haben wir für das dortige Geschäftsviertel entworfen und haben bei einigen Dingen daneben gelegen.
Was meinen Sie damit genau?
Es geht mir um das Gefühl des Ortes. Wir wollen, dass die Menschen sich wohlfühlen, wenn sie hereinkommen, und sich nicht von der Ästhetik überwältigt fühlen. Hier halten wir es einfacher. Wir kommunizieren mit dem Erscheinungsbild der Restaurants, dem Essen … und nicht mit vielen Bildern und Videos. Die wollen wir hier überhaupt nicht haben.
Also, und das ist auch mein Eindruck, hält man die Corporate Identity hier eher im Hintergrund. Am Potsdamer Platz gibt es viele Videoclips und überhaupt viel Design.
Kalle Halle stammt aus einer Strategie, die wir vor ein paar Jahren entwickelt haben, um ein Multi-Brand-Hospitality-Unternehmen zu werden. Manifesto wurde als Marke für Flagship-Locations wie den Potsdamer Platz entwickelt und schauen uns ähnliche Standorte auf der ganzen Welt an. Gleichzeitig möchten Nachbarschaftsorte wie diesen betreiben, die bodenständiger sind.
Und kleiner.
Wir haben mit 22 Restaurants und vier Bars am Potsdamer Platz begonnen. Hier sind es nun 13 Restaurants und zwei Bars. Es ist viel überschaubarer, nicht zu viel Konkurrenz.
Gibt es also zu viel Konkurrenz im Manifesto?
Die Umsätze am Potsdamer Platz sind ziemlich gut, bei durchschnittlich 2.000 Besuchern pro Tag. Wir haben Spitzenwerte von etwa 7.000 Gästen pro Tag in unseren geschäftigsten Monaten Februar und März. An Wochenenden haben wir bis zu 4.000 Menschen an einem Tag.
Reicht das aus?
Nein. Ich wünschte, es wäre doppelt so viel, weil es eine so große Venue ist (mit rund 4.400 Quadratmetern fast doppelt so groß wie Kalle Halle, Anm. d. Red.). Aufgrunddessen fühlt sie sich nicht wirklich voll an, außer in zwei oder drei Monaten im Jahr. Ich finde, das Essen war zu Beginn großartig, das hat sich jedoch ein wenig verändert. Wir werden im Oktober eine große Veränderung ankündigen.
Können Sie uns vorab ein bisschen was dazu sagen?
Wir behalten unsere 15 besten Restaurants und werden im Obergeschoss ein anderes Konzept vorstellen.
Und wie sieht es mit der versteckten japanischen Bar Himitsu aus? Sie ist zurzeit geschlossen.
Sie wird noch in diesem Monat mit einem neuen Konzept wiedereröffnet, das mehr wie eine japanische Pub-Bar sein wird. Weniger ernsthaft, spaßiger.

Fotos: Steffen Sinzinger
Wie haben Sie die Restaurants für Kalle Halle ausgewählt?
Wir haben einige trendige Konzepte wie Birds In The Kitchen, neue Unternehmer wie Great Barrier Beef und Startups wie Koji, dessen Betreiber im The Catch und im November gearbeitet hat. Oder Earth Tokio, einen klassischen Ramen-Macher. Die Auswahl hat viel länger gedauert. Wir haben immer noch zwei leere Räume, obwohl wir eine Warteliste von fast 200 Restaurants haben. Aber wir werden wohl keines davon unterschreiben lassen und versuchen, zwei noch bessere zu finden.
Kalle Halle befindet sich in Nachbarschaft mit vielen bestehenden Fast-Food-Konzepten. Was gibt Ihnen das Vertrauen in den Erfolg dieses Standorts hier in Neukölln?
Ich habe zehn Jahre in Brooklyn verbracht, während es sich transformierte. Eines meiner ersten Projekte als Architekt hatte ich in Williamsburg, als es hauptsächlich von chassidischen Juden, polnischen Einwanderern und Künstlern bewohnt war. Shoreditch und Hackney in London haben sich in den frühen 2000er-Jahren von Arbeitervierteln in lebendigere Gemeinschaften verwandelt. Ich glaube, Neukölln ist auf einem ähnlichen Weg. Ich hoffe nicht, dass es so werden wird wie das heutige Williamsburg oder Shoreditch, aber Transformation ist für mich grundsätzlich interessant. Ich „studiere“ Städte, ich habe an urbanen Projekten mitgearbeitet, bevor ich Manifesto gegründet habe. Die einzige Konstante in Städten ist der Wandel. Das macht sie aufregend und diese Nachbarschaft befindet sich in einem frühen Stadium der Transformation …
… hin zu was?
Einer diverseren Community. Es gibt hier natürlich eine große migrantische Einwohnerschaft, es gibt aber auch viele junge Menschen, Studierende. In der Gegend gibt es viel Essen, aber ich finde zu viel vom gleichen, darum wollen wir eine vielfältigere Auswahl anbieten, die für die Menschen leicht zugänglich ist. Es ist hier sauber, sicher, du kannst hier den ganzen Tag mit deinem Laptop abhängen, wenn du willst, wir werden dich nicht rauswerfen. So etwas findest du nirgendwo in Neukölln. Im Hinblick auf die Geschäftsplanung hoffen wir, dass wir 1.500 Gäste pro Tag haben werden. Es sind ja bereits sehr viele Leute hier im Gebäude tätig, also streben wir nicht nach den Sternen, finde ich.
Sind die Mietkonditionen ähnlich wie am Potsdamer Platz?
Wir ändern das Geschäftsmodell an beiden Standorten. Die Restaurants zahlen eine niedrigere Umsatzmiete und alle, auch wir mit unseren Bars, beteiligen sich an den Kosten für die Dienstleistungen, die angeboten werden – Reinigung, Geschirrservice etc. Das ist ein viel gesünderes Modell für uns alle.
Können die Restaurants denn weiterhin ihre eigenen Getränke verkaufen?
Ja, aber unsere Bars werden der Hauptort sein, an dem Cocktails, Softdrinks und so weiter verkauft werden. Jedes Restaurant kann eine begrenzte Auswahl an Getränken anbieten, die wir genehmigen. Wir werden die Getränke stärker kontrollieren, denn wir wollen wirklich, dass die Bars abends erfolgreich sind. Wir wollen mit Kalle Halle stärker in die Abendstunden gehen und hier ein großartiges Nightlife etablieren. Night markets are the best!
Vielen Dank, Herr Barry.