Lani Kingston: „Cafés müssen ihr Angebot häufiger diversifizieren“

Interview mit der Autorin von „Designing Coffee“

von Redaktion
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Foto: Cody Onthank

Früher waren es vor allem die großen Coffeeshop-Ketten dieser Welt, die mit ausgeklügeltem Branding und Store-Design ihre Markenidentität aufgebaut haben. Heute benötigt diese Qualitäten, neben hoher Produktqualität, auch das kleine Café, um sich im steigenden Wettbewerb zu behaupten.

Das erklärt die australische Autorin, Consulterin und Kaffee-Expertin Lani Kingston: In ihrem neuen Buch Designing Coffee – New Coffee Places and Branding stellt sie rund 60 Konzepte aus der ganzen Welt vor, die in punkto Design und Branding innovative Wege gehen. Dazu gibt es Vertiefungskapitel u.a. zur Markenentwicklung, der Gestaltung des Food- und Beverage-Menüs, Tipps für das Tresen- und Raumdesign und Ratschläge für die „customer experience“ von der perfekten Beleuchtung und Akustik bis hin zum Aufbau einer Community.

Es ist nicht nur ein schönes Coffee-Table-Buch zum Auslegen, sondern auch Inspiration für Betreiber und andere Branchenprofis. Das Buch ist bei gestalten erschienen. Eine ausführliche Rezension mit Fallbeispielen aus dem Buch findet sich in fizzz Ausgabe 9/2023, eine weitere hier. Wir haben mit der Autorin gesprochen.

Frau Kingston, Sie schreiben in Ihrem Buch: „Außergewöhnliches Verpackungsdesign und Markenidentität sind ein Muss für jede Marke, die sich eine Fangemeinde aufbauen will.“ Produktqualität alleine genügt nicht mehr?

Bisher reichte es für ein Café aus, den Espresso zu perfektionieren, Latte Art und einen guten Kundenservice zu bieten. Jetzt gibt es an vielen Orten an jeder Ecke hervorragende Cafés. Selbst in vielen Kleinstädten gibt es ein oder zwei Kaffeeröstereien. Kaffeegenießer achten bei ihren Kaufentscheidungen nicht nur auf die Qualität, sondern darauf auch, ob das Branding, die Verpackung, der Lifestyle oder der Designstil der Marke sie anspricht – und ob das Unternehmen von einem Kaffee-Experten geleitet wird, den sie respektieren. Oft bleiben sie einer Marke über Jahre hinweg treu. Was es für neue Unternehmern unglaublich schwer macht, in diesen gesättigten Markt einzutreten. Deshalb brauchen kleine und mittlere Kaffeeunternehmen eine umfassende, gut durchdachte Markenstrategie – wie jene von großen Unternehmen.

Wie meistert Café den Spagat zwischen Professionalisierung und individuellem Charme?

Im Buch stelle ich eine Reihe von eine Reihe von Cafés und Kaffeeunternehmen vor, die viel Charme versprühen – aber jeder Aspekt ihrer Marke ist durchdacht und professionell. Die Markenstrategie von „BOB Coffee Lab“ in Bukarest zum Beispiel basiert auf einem schrulligen Konzept – der Verwandlung eines Mannes in einen Hund namens Bob. Für jede Kaffeesorte, die Bob probiert, verwandelt er sich in eine andere Rasse. Ein einzigartiges Kundenerlebnis, ohne Ablenkung von der Hauptabsicht, großartigen Kaffee zu servieren.

Sie betonen die Bedeutung von „human-centred design“. Auf welche Fehler stoßen Sie am häufigsten?

Viele versäumen es, darauf zu achten, wie Menschen ihren Raum nutzen wollen. Ein Coffeeshop kann seine Servicebar am Eingang platzieren, mit reichlich Sitzgelegenheiten dahinter. Aber es kann sein, dass der durchschnittliche Kaffeekonsument in dieser Gegend nach Takeaway sucht. Vielleicht liegt das Geschäft in der Nähe eines Bahnhofs oder auf einer stark frequentierten Einkaufsmeile? Dann sollte ein Café die Sitzplätze auf ein Minimum reduzieren und den Platz vor der Theke vergrößern, an dem die Kunden anstehen.

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Credit: Designing Coffee, gestalten 2023

Lässt sich durch Gestaltung auch gegen Personalmangel etwas tun?

Effektives Bardesign kann die Effizienz steigern, den Arbeitsablauf verbessern und helfen, den Aufwand zu reduzieren. Wenn die Espressomaschine neben dem Point of Sale aufgestellt wird und die Abholstation sich auf der anderen Seite des POS befindet, können Baristas auch als Kassierer fungieren, sofern es die Nachfrage zulässt.

Haben Sie Branding-Tipps für Longseller-Cafés?

Ich rate zu einer Markenauffrischung, nachdem andere Aspekte des Erlebnisses geändert bzw. aktualisiert worden sind, um den Kunden zu signalisieren: Nun ist der richtige Zeitpunkt, unserem Café wieder mal eine Chance zu geben! Ein Angebot an alternativen Milchsorten oder ein vielfältiges Menü mit erweiterten Speisen und Getränkeoptionen, die eine Reihe von Ernährungsweisen abdecken – z. B. vegan oder laktosefrei – bietet die Möglichkeit, neues Publikum anzusprechen. Eine aktualisierte Farbpalette und ein frisches Interiour mit vielen Pflanzen sind ein einfaches Mittel, um modernen Einrichtungsgeschmack widerzuspiegeln. Viele potenzielle Kunden achten auch auf Umweltfreundlichkeit. All dies sollte von einem durchdachten Social-Media-Auftritt unterstützt werden.

Stichwort Food: Werden herzhafte Speisen in Cafés wichtiger?

Ja! In Australien ist All-Day-Dining das Rückgrat des gesamten Gastgewerbes. Dieser Trend breitet sich langsam auch in andere Teile der Welt aus. Café-Besucher schätzen es, einen großen Teil des Tages an einem Ort verbringen und dort auch arbeiten zu können, wo man sich um ihren Bedarf an Speisen und Getränken kümmert. Dies ist oft auch rentabler. Um in Zeiten steigender Kosten wirtschaftlich tragfähig zu bleiben, müssen Cafés ihr Angebot häufiger diversifizieren als bislang und zumindest eine kleine Auswahl an Frühstücks- und/oder Mittagsgerichten auf der Speisekarte anbieten, neben Gebäck und Kuchen.

Einige Kaffeesorten sind vom Aussterben bedroht, auch darauf weisen Sie hin. Was muss das Nachhaltigkeitskonzept eines Cafés heute vor diesem Hintergrund leisten?

Nur ein sehr kleiner Anteil jeder Kaffeeernte lässt sich als Specialty Coffee einstufen. Wir müssen sicherstellen, dass auch der Rest der Ernte eines Bauern gekauft und konsumiert wird. Viele Unternehmen verzichten inzwischen auf die Specialty-Coffee-Nennung auf der Verpackung und erforschen andere Sorten wie Robusta. Ein vielfältiges Angebot, das sich nicht nur auf hochwertigen Arabica stützt, wird uns helfen, Kaffee länger verfügbar zu machen.

Vielen Dank!

Lani Kingston veröffentlichte auch die Bücher „Spill The Beans“ über globale Kaffeekultur (gestalten, 2022) und „How To Make Coffee“ (2015, Abrams Books).
www.lanikingston.com

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