Fassstarke Unikate genießen mit der Scotch Malt Whisky Society

von Jan-Peter Wulf
smws 690x460 - spirituosen, getraenke Fassstarke Unikate genießen mit der Scotch Malt Whisky Society

Die imposante Bar der Scotch Malt Whisky Society in Edinburgh

 „Scotch Malt Whisky Society“: Ein Name, der nach Tartan-Röcken, nach brennendem Kamin und nach älteren Herren klingt, die sich vor ihrem Glas versammeln und schweineteuren Single Malt degustieren. Doch tatsächlich verbirgt sich dahinter eine globale und ziemlich moderne Community aus über 25.000 Mitgliedern in derzeit 18 Ländern von den USA bis Japan.
 
Die „SMWS“ ist ein weltweiter Verbund von Whiskyfans, der nicht nur ältere Herren anspricht, sondern quer durch die Gesellschaften verteilt ist, in London zum Beispiel sind die Hälfte der Mitglieder Frauen. Den Unterschied zu den zahlreichen Whiskyclubs, die es auch in Deutschland gibt, macht, dass die Society ihre eigenen Whiskys hat und ausschließlich an ihre Mitglieder verkauft, die es also sonst nirgendwo zu kaufen gibt. So nämlich ist das Ganze in den frühen 1980er-Jahren in Edinburgh entstanden: Die Whiskynerds brachen auf eigene Faust in die berühmte Destillerie-Gegend im Norden des Landes, die Speyside, auf, kauften bei Glenfarclas – dort hatte man Connections – ein Fass und brachten es mit dem eigenen Fahrzeug in die Hauptstadt, um dann quasi „straight from the barrel“ zu trinken.
 
flaschen x - spirituosen, getraenke Fassstarke Unikate genießen mit der Scotch Malt Whisky Society

Zahlen und verspielte, assoziative Namen zieren die Flaschen der Scotch Malt Whisky Society.

Man muss wissen: Es war eine Zeit, in der Whisky gerade kein big business war und die Branche ziemlich am Boden lag. Die Rezession auf der Insel hatte auch die in den 1960er- und 1970er-Jahren noch boomende Whiskybranche erreicht, es wurde fusioniert und vermischt. Single Malts aus einem einzelnen Whisky, auf die Kenner schwören, waren so gut wie nicht zu kriegen. Und Single Casks, Whiskys aus einem einzigen Fass, schon mal gar nicht. Aber in Edinburgh, bei diesen Whiskynerds, die ab Werk kauften, da gab es die. Als die Zeitungen begannen, über den kleinen Kreis in der schottischen Hauptstadt zu berichten, wollten immer mehr Menschen dabei sein. Geboren war die Society, die heute ein richtig großes Unternehmen ist.
 

Hochprozentige Unikate

Die SMWS ist, wenn man so will, ein Fassmanagement- und Fassverkaufsunternehmen: Die Society kauft nämlich weiterhin einzelne Fässer von Destillerien ab, lagert sie in ihren eigenen Warehouses oder füllt den Inhalt in ein anderes Fass um, um besondere geschmackliche Nuancen zu erzeugen. Vermischt werden Fässer – abgesehen von einem einzigen Blend, den es im riesigen Programm der Society gibt – aber nicht. Auch auf die Herabsetzung auf Trinkstärke durch Wasserzugabe, auf Kältefilterung und die Zugabe von Karamell für farbliche Stabilität – typische Verfahren der Industrie – verzichtet man. Ergebnis sind hochprozentige Unikate meist jenseits der 50% Vol., die auch wirklich Unikate sind und bleiben: Ist ein Fass leer, sind alle Flaschen weg, die man aus diesem Fass füllen konnte (in der Regel 200 bis 500 Stück), dann ist dieser Whisky Geschichte. Nicht wieder zu kriegen. Das steht konträr zur Massenproduktion und ist auch der Grund, warum dieses ungewöhnliche Modell überhaupt funktioniert. Denn weil man nicht selbst herstellt, ist man auf die Kooperation mit Destillerien angewiesen, die teilweise im harten globalen Wettbewerb miteinander stehen. Das ist nur möglich, weil ein einzelnes Fass für große Destillerien ungefähr so viel ist wie eine Palette Pilsbier für Bitburger – ziemlich wenig – und so manche Destillerie gar keine eigenen Marken mehr führt, sondern nur noch im Dienste einer anderen brennt.

tasting x - spirituosen, getraenke Fassstarke Unikate genießen mit der Scotch Malt Whisky Society

Wer ein Tasting bei der SMWS mitmacht, erlebt auch Ausflüge in Rum- und Cognacgefilde

Mit 134 verschiedenen Destillerien hat man über die dreieinhalb Jahrzehnte des Bestehens schon zusammengearbeitet. Welche Destillerien es sind, schreibt man nur in kodierter Form auf das Etikett: Die Zahl oben links auf den Flaschen nennt vor dem Punkt die Destillerie-Nummer (in der Reihenfolge der Zusammenarbeit) und hinter dem Punkt, um das wievielte Fass aus dieser Destillerie es sich handelt. Nummer eins vor dem Punkt ist folglich Glenfarclas, wo einst das erste Fass erstanden wurde. Natürlich hat sich jemand schon die Arbeit gemacht, dieses System zu dekodieren und so kann auch der Laie oder gefährlich Halbwissende feststellen: Die haben ja echt schon fast mit jedem zusammengearbeitet. Auch Fässer von Destillerien, die es heute gar nicht mehr gibt, kommen in den Onlineshop der SMWS. Natürlich zu einem entsprechend stattlichen Preis.

Poetik und Pantonefächer

Das alles ist aber eigentlich nebensächlich. Denn im Kern geht es bei den Whiskys der SMWS darum, Geschmackswelten individuell zu entdecken. Whisky kann bekanntlich von frisch und blumig bis hardcoretorfig schmecken, das Spektrum ist breit und tief, wer sich so gar nicht auskennt, steht wie der Ochs vorm Berg. Hier kommen zwei Hilfsmittel ins Spiel, die dem Geniesser helfen sollen, aus der Vielfalt etwas für sich zu finden: die assoziativen Verkostungsnotizen auf den Flaschen und der „Pantonefächer“. Zuerst die Verkostungsnotizen: Die stehen vorne auf den Flaschen und sind nicht so breitbeinig wie herkömmliche Whisky-Etikettentexte, sondern geben sich fast poetisch wie im Falle von Fass Nummer 9.113, „Chili Lime Popcorn“: 

We found ourselves sitting on the grass in a glade of a pine forest enjoying dark chocolate-dipped cherries, caramelized pineapple with chocolate nougat ice cream and raspberry sauce. On the palate at first plenty of five spice and curry powder soon followed by banana French toast consisting of smoked bacon, chilli labneh and tamarind caramel. Water brought out more intense aromas of spice with a hint of herbs. Whilst on the taste now a dry woodiness to begin with; soon replaced by sweetness with the tangy aftertaste of chilli lime popcorn making it a comforting but at the same time slightly challenging experience.

chililime x - spirituosen, getraenke Fassstarke Unikate genießen mit der Scotch Malt Whisky Society

Passt gut zu Austern, die mit einem Spritzer Tequila gepimpt wurden: Chili Lime Popcorn (Mitte)

Achtung, Stinktierunfall

Auch die Namen, die die societyeigenen Tastingpanels, in denen Musiker, Autoren, Naturwissenschaftler oder Köche sitzen, den Flaschen geben, sind ulkig bis ein Schlag ins Gesicht der konservativen Whiskybranche: „Oyster flavoured wine gums“ (dahinter verbirgt sich übrigens ein Fass aus der Laphroaig-Destillerie) oder „whisky flavoured condoms & skunk road-kill“ sind echte Ansagen. „Whisky sollte nicht etwas sein, vor dem man Angst hat, es soll Spaß machen und gemeinschaftlich sein“, sagt Laura Roberts, Brand Managerin, in ausgeprägt schottischem Akzent. Auch wenn das manchmal zu Irritationen führt, vor allem in den nichtenglischsprachigen Societyländern, die manche Notizen für ihre Mitglieder lokalisieren. „Kondom mit Whiskygeschmack und überfahrenes Stinktier“ – wer möchte da nicht zum Glas greifen?

Zweites Hilfsmittel ist der „Pantonefächer“, ein Fächer mit zwölf farblich voneinander abgegrenzten Geschmacksrichtungen. Sie reichen von „young & spiritely“ mit Aromen wie Rhabarber, Dosenmandarinen, „flying saucer“ (das sind diese Brause-Oblaten-Ufos) und Muskelsalbe über „deep, rich & dried fruits“ mit Hackfleisch-Pies, gesalzenem Karamell und verbranntem Toffee bis zu „heavily peated“ mit Feuerwehrmann-Handschuhen, Kaminruß, Zigarrenstummel und geräucherter Makrele. „Wir wollen Diskussionen anregen“, kommentiert Laura. Vielleicht sehen wir so etwas ja häufiger in Zukunft: Ein Bier, auf dem „schmeckt wie McRib-Sauce und Dachstuhlbrand“ steht statt Rauchbier, das wäre doch ganz funky.

smwsfaecher m - spirituosen, getraenke Fassstarke Unikate genießen mit der Scotch Malt Whisky Society

Trinken nach Farben: Der Fächer der SMWS hilft beim Einordnen.

kaleidoskop m - spirituosen, getraenke Fassstarke Unikate genießen mit der Scotch Malt Whisky Society

Das „Kaleidoskop“, die Whiskybar der Society in der City von Edinburgh. Foto: SMWS

In der Berliner „Bar am Steinplatz“, einer von derzeit nur sieben Partnerbars in Deutschland, gibt es eine – naturgemäß ständig wechselnde – Auswahl der SMWS-Whiskys. Sie passen hier gut rein, denn Barchef Christian Gentemann listet bei seinen Cocktails auch keine Zutaten auf, sondern beschreibt ihren Geschmack auf der Karte assoziativ (ganz nebenbei hat er kürzlich sämtliche Gins bis auf einen knorrigen deutschen Doppelwacholder rausgeworfen). Möchte ein Gast einen der Whiskys probieren, händigt er den Fächer aus – der ist die Karte. „Das kommt gut an bei den Gästen, weil es was zum Interagieren ist, nicht die typische Art der Bestellung“, erklärt der Barchef.

Die Society macht auch Events in Deutschland

Eine gute Gelegenheit zur Interaktion bieten auch die regelmäßigen Tasting-Events der The Scotch Malt Whisky Society Germany, die auch für Nichtmitglieder offen sind und von den deutschen Markenbotschaftern in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Nürnberg abgehalten werden. Auch die laufen etwas anders ab als bei Standard-Tastings der Industrie, wo in der Regel vom jüngsten Produkt des Hauses bis zum am längsten gelagerten fortgeschritten wird. Peter Eichhorn, Journalist, Stadtführer, Kenner sämtlicher Getränkekategorien und langjähriges SMWS-Mitglied, richtet diese Tastings in Berlin aus und berichtet, dass er gerne die gängige Reihenfolge durcheinander werfe. Da darf schon mal mit einem Torf-Klopper angefangen werden und am Ende ein frischer Junger stehen. Dadurch verändere sich der Geschmack mitunter völlig, neue Aromen kommen zum Vorschein, erklärt er. Er träumt davon, der Berliner SMWS-Community irgendwann einen Whisky präsentieren zu können, den es dann nur für lokale Mitglieder gibt.

Schlecht stehen die Chancen für eine solche „Extrawurst“ (der Society ist glatt zuzutrauen, dass sie sich das als Namen auf die Flasche packt) nicht. Denn in Edinburgh wirft man neuerdings einen verstärkten Blick auf den deutschen Markt und will die Mitgliederzahl von derzeit 550 deutlich erhöhen. Bis 2015 wurde Deutschland von den Niederlanden gemanagt, wo man seinerzeit ein Franchise hatte, das Territorium lief nebenbei. Jetzt aber, verrät man uns beim Besuch in der schmucken Zentrale in Edinburgh, dem Societyhaus „The Vaults“, in dem tatsächlich ein Kaminfeuer lodert, ist die Auswahl im deutschen Onlineshop der Society genauso groß wie in UK und bietet neben Whiskys aus Schottland auch irische, japanische und US-Bourbon sowie Single Casks aus Rum- und Cognac-Häusern. Eine ganze Menge zu probieren also. Wer mitprobieren mag: Die einfache Mitgliedschaft kostet 65 Pfund im Jahr.

Von Gastronomien, die sich dafür interessieren, die Whiskys der SMWS bei sich anzubieten, wird eine Mitgliedschaft erwartet, eine Einlistung von 6 bis 10 Whiskys und deren prominente Platzierung an der Bar. Zudem sollten die Betriebe bereits für Whiskykultur bekannt sein und bei einer Zusammenarbeit sowohl SMWS-Events durchführen (mit den lokalen Markenbotschaftern) als auch den weltweiten Mitgliedern die Whiskys zum Vorzugspreis anbieten. 

Mehr Informationen hier.

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.