Geschmackvolle Akzente in Drinks setzen: So funktioniert das Barrel Aging

von Redaktion
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Batching-Magie: Das Reifen im Fass lässt ein und denselben Drink völlig unterschiedlich schmecken

Viele Spirituosen lagern aus geschmacksgebenden Gründen in Holzfässern – manche ein paar Wochen, manche mehrere Jahre. So auch beim Kräuterlikör Jägermeister: Sein Kräutergrundstoff ruht rund ein Jahr in Eichenholzfässern. Zusammen mit der Marke möchten wir das Phänomen der Fasslagerung einmal näher betrachten und es dabei vom Großen aufs Kleine runterbrechen: Beim so genannten „Barrel Aging“ werden bereits gemixte Drinks im Fass gelagert. Dieses bringt verblüffende geschmackliche Nuancen hervor, die sowohl für Profis hinter der Bar als auch private Genießer spannend sind. Wie genau funktioniert die Lagerung und was passiert im Fass? nomyblog traf Eric Bergmann, Mitglied des Bartender-Netzwerks „Hubertus Rat“ von Jägermeister und Barrel-Aging-Experte.

Mit dem Glücklichmachen von Gästen kennt Eric Bergmann aus Stuttgart sich aus: Er ist deutschland- und europaweit mit seinem Cocktail-Catering-Unternehmen „Drinks & Entertainment“ unterwegs und serviert mit seinem Team auf Firmen- und Markenevents, Empfängen, Partys und anderen Festivitäten Cocktails. Zuvor betrieb er das Speakeasy-Konzept „Bar Bergmann“ in der Schwabenmetropole, und dort kam ihm eines Nachts die Idee mit der Fasslagerung von Cocktails. „Ich habe mich gefragt: Wie könnte ein Drink schmecken, wenn er zwei, vier oder acht Tage im Fass gelagert hat?“, berichtet Bergmann uns beim Treffen in Berlin.

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Bartender Eric Bergmann: „Das Batching macht Drinks runder, schöner und charaktervoller.“

Er besorgte sich ein kleines Holzfass, mixte einen Drink, gab ihn hinein und probierte in regelmäßigen Abständen, wie sich der Geschmack veränderte. „Es hat mich überrascht, wie viel runder, schöner und charaktervoller er wurde!“ Fortan bot er fassgelagerte Cocktails in seiner Bar an und offeriert sie heute auch bei seinen Caterings. Weil bei diesen Anlässen oft viele Gäste gleichzeitig bedient werden wollen und die Zeit zum knappen Gut wird, kann er durch die Vorbereitung – gemixt wird ja schon, bevor der Drink ins Fass kommt – auch wertvolle Zeit einsparen. „So habe ich vor Ort mehr davon für die Gäste“, erklärt er. Auch ein Plus: Auch ohne Personal, das auf das Mixen von Cocktails geschult ist oder in Situationen, wo das Mixen schlichtweg unmöglich ist, können die Gäste dank dieses Verfahrens einen Drink auf hohem Niveau genießen.

Ein Drink, zwei Ausführungen: Wir probieren den „Cuba Wood’n’Jägior“ frisch und aus dem Fass

Jetzt möchten wir von Eric Bergmann wissen, wie das genau funktioniert mit dem „Barrel Aging“, dem Fasslagern von Cocktails. Ein kleines Fass mit einem darin schlummernden Cocktail hat er freundlicherweise aus Stuttgart mitgebracht, und den gleichen Drink mixt er jetzt frisch noch einmal für uns: Es handelt sich um eine einfache Abwandlung eines Manhattan: Drei Teile Havana Club Blanco (Rum), ein Teil Jägermeister (Kräuterlikör) und ein Teil Carpano Antica Formula (Wermut). Wir nennen ihn „Cuba Wood’n’Jägior“.

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Die frisch zubereitete Version des Drinks ist „edgy“. Wie wird wohl die Variante aus dem Fass schmecken?

À la minute zubereitet, wie man es aus der typischen Bar-Situation kennt, ist es ein knackig-kantiger Drink mit feinen Kräuternoten, die ihm der Jägermeister und der Wermut verleihen. Seine Süße ist recht verhalten. Bewusst: „Dazu rate ich, wenn man beginnt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, erklärt Eric Bergmann. Denn so lässt sich besonders gut beobachten bzw. erschmecken, was im Fass mit der Flüssigkeit passiert. Denn diese dringt in das Holz ein und nimmt so etwas von dem Holz-Aroma auf, welches nicht nur „holzig“, sondern auch süßlich ist. Das liegt daran, dass die Fässer, die für das „Barrel Aging“ verwendet werden, von innen geröstet, also mit Feuer und Hitze behandelt werden. „Bei diesem so genannten „Toasten“ wird die feste Holzstruktur aufgebrochen. Die Zellulose wird zu Holzzucker aufgespalten und karamellisiert“, erklärt der Fachmann. Holz enthält neben Zellulose auch Lignin, und dieser Stoff wird beim „Toasten“ zu Vanillin.

Zudem befindet sich immer (egal wie prall gefüllt es auch sein mag) Sauerstoff mit im Fass. Während der Fasslagerung reagieren Sauerstoff und Flüssigkeit miteinander. Diese Oxidation bewirkt, dass sich die Aromen vermengen und gleichmäßig verteilen. Diesen Effekt nutzt man im Kleinen wie im Großen: Auch bei der Lagerung von Jägermeister in großen Fässern aus Pfälzer Eiche sorgt die Oxidation für eine Harmonisierung der zusammengeführten Mazerate. Einziger Unterschied zu unserem Kleinfass-Experiment: Die Fässer, die in den Kellern in Wolfenbüttel stehen, wurden geschmacksneutralisiert und geben kein Aroma aus dem Holz ab.

Die Lagerung rundet den Drink ab, macht ihn weicher und sanfter

Bei unserem kleinen Fass hingegen zieht sich die Flüssigkeit, wie wir gelernt haben, Zucker, Karamell und Vanille-Aroma aus dem Holz. Demzufolge müsste die Variante aus dem Fass also ein wenig lieblicher schmecken als die kantige Frisch-Version. Das wollen wir jetzt natürlich wissen. Nach dem frisch gemixten „Cuba Wood’n’Jägior“ verkosten wir nun die gelagerte Variante. Drei Tage hat sie im im Holzfass verbracht. Wir probieren und sind begeistert: Weicher und sanfter ist das Mundgefühl, als umgäbe ein dünner Samtvorhang das Getränk. Der Geschmack ist in der Tat weitaus lieblicher, und im Nachklang vernimmt die Zunge holzige, leicht rauchige Noten. Es ist der gleiche Drink und doch ein ganz anderer. Wie heißt es so schön im Englischen: Same same but different!

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Schon in der Nase bemerkt man es: Im Fass hat sich der Drink verändert

Batching ist spannend für Bar-Profis und für Privat-Genießer

Wir sind nach diesem Vorher-Nachher-Geschmackstest auf Anhieb überzeugt: Das „Barrel Aging“ ist sowohl für die Verwendung an der Bar als auch für den privaten Cocktail-Genuss eine spannende, geschmackvolle Option. Was rät Bergmann, wenn man ihm nacheifern will? „Beim ersten Mal würde ich ein frisches Fass nehmen“, ist seine Antwort. Denn Fässer, in denen bereits Cognac, Bourbon oder Wein ruhten, erklärt er, geben ihren individuellen, im Holz gebundenen Geschmack an die Flüssigkeit ab. Gebrauchte Fässer empfehlen sich daher eher für Fortgeschrittene: „Langjährige Barkeeper können sich vorstellen, wie der Drink mit diesen Fass-Eigenschaften schmecken wird.“ Gießt man den fertig gemixten Drink ins Fass, sollte man zusätzlich eine kleine Rückstellprobe in ein Fläschchen geben, um beim – idealerweise täglichen – Fass-Check die Veränderung besser wahrnehmen und kontrollieren zu können. Gerade bei neuen Fässern kann der Geschmack sonst schnell umschlagen und zu holzig werden.

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Mehr als nur Lagerungsbehältnis: Ein Fass ist ein Hingucker auf der Bar oder bei privaten Anlässen

Auch der „Memory-Effekt“ ist zu bedenken: In jedem Drink, der eingelagert wird, wird sich auch etwas von dem Geschmack der Vorgänger wiederfinden. „Dadurch schmeckt es jedes Mal ein bisschen anders“, so Bergmann. Wenn der Drink den perfekten Geschmackszustand erreicht hat, muss er raus aus dem Fass – sonst verliefe die Interaktion mit dem Holz ja weiter. Wird er nicht sofort serviert, empfiehlt sich ein Umfüllen in ein zweites, von innen mit Metall oder Fassfilm ausgekleidetes Fass, in dem kein weiterer Austausch mit dem Holz stattfindet. Und wird dieses Fass schließlich auf dem Bar-Tresen platziert oder im privaten Umfeld auf dem Tisch präsentiert, erzeugt das garantiert einen Hingucker. Zumal viele Fass-Hersteller Lasergravuren anbieten, mit denen sich Bar- oder Drinkname, der Name des Gastgebers oder des Jubilars im Holz verewigen lassen. Dann wird das Ganze noch ein Stück individueller und besonderer!

Cuba Wood’n’Jägior (Manhattan-Variation)

3 Teile Havana Club Blanco
1 Teil Jägermeister
1 Teil Carpano Antica Formula

Batch: Drink in einem Messbecher mixen und mit einem Trichter in das Holzfass gießen. Eine kleine Rückstellprobe des Drinks in ein Fläschchen geben, Batch und Rückstellprobe täglich vergleichen. Nach ca. 3 Tagen in ein neutrales Fass (mit Metall-Innenverkleidung oder Fassfilm) umfüllen oder direkt servieren. Garnitur: frische Zitronenzeste.

Wo bekomme ich ein Fass und was muss ich beim Fasskauf beachten?

Für das private Barrel Aging genügt in der Regel ein kleines Ein- oder Zwei-Liter-Fass. Für die Bar gibt es auch Fässer mit einer Füllmenge von fünf oder zehn Litern. Zu beachten ist: Je kleiner das Fass, desto mehr Oberflächenkontakt hat die Flüssigkeit mit dem Holz und desto mehr Aroma gelangt in die Flüssigkeit. Empfehlenswert sind neue Fässer aus innenseitig leicht getoasteter Limousineiche. Ein solches Fass kann man sich bequem online bestellen, zum Beispiel bei Wilhelm Eder. Es kostet je nach Volumen ca. 70 Euro (1 Liter) bis 150 Euro (10 Liter), ein Branding kostet ca. 20 Euro. Vor der Inbetriebnahme muss das Fass mindestens 24 Stunden gewässert werden. Auf diese Weise wird es „weingrün“ gemacht, wie Fachleute es bezeichnen: Das Holz saugt Flüssigkeit auf, dehnt sich aus und wird dicht.

Wir wünschen gutes Gelingen beim Barrel Aging!

Fotos: Bastian Bochinski

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