Italy meets Japan: Itameshi-Style, der neue Konzept-Trend

von Jan-Peter Wulf

Italienische Küche ist ein Evergreen, japanische auch. Und beides zusammen? Entwickelt sich aktuell zu einer neuen konzeptuellen Spielart. Immer mehr Restaurants setzen auf die Kombination dieser scheinbar so weit entfernten Küchenrichtungen. Damit stehen sie in der Tradition der Itameshi-Küche, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Japan entstand und heimische Zutaten bzw. Gerichte mit italienischen verbindet. Italien meets Japan: Wir haben uns vier neue Restaurants in Berlin angeschaut, die das Thema auf unterschiedliche Weise umsetzen.

The Coral: Italo-japanisches Fine Dining in Club-Atmosphäre

Eröffnet im Sommer 2024, setzt The Coral auf die ungewöhnliche Verbindung italienischer und japanischer Küche – à la carte und in Form eines fünfgängigen Signature-Menüs, ganz nach Gusto der Gäste. „Wir haben uns zu Beginn erst einmal in einer Mietküche eingemietet und getestet, wie die Geschmäcker und die Techniken der japanischen und der italienischen Küche zusammen passen“, berichtet Küchenchef Dominique Rudloff.

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Fotos: The Coral / Foodie Juli

Schnell wurde klar: Sie passen sehr gut zueinander. Auf der Karte des „The Coral“ finden sich Kombinationen wie der italienische Gemüseauflauf-Klassiker Parmigiana di Melanzane mit asiatisch mariniertem Rohkostsalat oder Sushi-Rolls, die mit Tramezzini statt mit Reis gemacht und mit Krustentierfond oder mit Trüffel und grünem Spargel gefüllt werden. Ramen mit dicken Udon-Nudeln und würziger Minestrone als Suppengrundlage, Brokkolini mit Miso-Hollandaise oder Sardinen mit gereifter Sojasauce – viele, wenngleich nicht alle Positionen kombinieren die Küchenwelten. Wer eine klassische Trüffel-Linguine wünscht, wird sie finden. Wer Sushi essen möchte, der wählt z.B. die „The Coral Plate“ mit rohem Fisch, Kimchi-Slices und Thunfisch. Barchef Enrico Römer serviert seinen Gästen zum Beispiel einen Cosmopolitan mit Sake oder einen mit Matcha infusionierten Martini, als Aperitif zum Start auch einen Sparkling Sake. Ebenso hält man eine kleine Auswahl japanischer Whiskys bereit. „Unser Sake Sour mit Blüten kommt auch sehr gut bei den Gästen an“, berichtet Römer.

Wichtig, um das Gesamtkonzept zu verstehen: Wo sich jetzt das „The Coral“ befindet, war zuvor die Lounge des Clubs „The Pearl“. Den Clubbetrieb gibt es auch weiterhin nebenan, doch hier wird nun gespeist – und später darf gerne auch getanzt werden. Der Abend beginnt oft mit entspannter Klaviermusik vom Flügel in der Mitte des Gastraums. Gegen 22:30 Uhr werden die Regler am DJ-Pult hochgezogen und die Vorhänge – hinter der Fensterfront ist ein imposanter Wasserfall – verschlossen. Dann hat der Raum mit seinen unzähligen, von den Decken hängenden Röhren in dunklem Türkis und dem spiegelnden, leuchtenden Mosaik, das von der Bar empor wächst, tatsächlich etwas von einem Korallenriff.

Como: Sharing mit japanisch angehauchten italienischen Gerichten

„Wenn du den Raum nicht nimmst, wird eine Boutique daraus.“ Mit diesem Satz sei er von seiner Vermieterin vor die Wahl gestellt worden, die er schon von seinem vorherigen Projekt Jord (zusammen mit Björn Swanson) kennt, berichtet Dennis Uçak. Die Gastronomiefläche wurde gerettet: Anfang 2025 eröffnete Uçak zusammen mit seiner Frau Angelina das Como in der Knesebeckstraße. Von der Pizzeria „La Bocca di Culaccino“ blieben nur die Fliesen. Die Küche wurde komplett neu eingerichtet, neben ihr befindet sich die gut bestückte Bar. An den lindgrünen Wänden hängen farbenfrohe Bilder des Künstlers Ivan Gette. Über der Küche: der auffällige Neonschriftzug „No Fake Shit“. Auf dem Damen-WC dreht sich eine Discokugel. Ein poppiges, aber nicht schrilles Ambiente. Der Name „Como“ ist eine Hommage an einen Lieblingsort des Paares am Comer See.

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Fotos: Como Berlin

Ein neuer Charlottenburger Italiener? Nein, sondern eine Verbindung der mediterranen mit der japanischen Küche. „Ich liebe es, privat italienisch zu kochen, und gleichzeitig hatte ich immer einen Asia-Bezug, seit ich bei Tim Raue (damals noch im Restaurant 44 im Swissôtel, Anm. d. Red.) gearbeitet habe“, erklärt der Betreiber und Koch, der allabendlich selbst am Herd steht, während seine Partnerin den Service leitet. Italienische Lebenskunst und japanische Geradlinigkeit bringt das „Como“ zum Beispiel mit dem „Katsu Milanese“ zusammen: Das Kalbskotelett, Butter und Salbei, paniert mit flockigem japanischem Panko. Außerdem: Aubergine mit Miso, Edamame und Burrata, Sashimi vom Lachs und Trüffel-Gnocchi, Beef-Tataki und Pasta mit Ragú di vitello – und weil an den Tischen gerne geteilt wird, entsteht ein italienisch-japanisches Sharing-Ensemble.

Die Drinks kreierte Bartender Andreas Andricopoulos von den „Milk Punch Boys“, etwa den „Toyoroni“ mit japanischem Whisky, Italicus, Lillet Blanc, Zitronengras und Grapefruit-Bitters oder den „Asian Pornstar Martini“ mit Sake – und den Espuma des Trendcocktails nimmt man übrigens zum Verfeinern der Austern. Mit der Marke „Como“ hat er noch viel vor, erklärt Uçak: „Es soll mehrere Restaurants geben.“

Itarei: Italienisch mit japanischen Einflüssen und umgekehrt

„In Berlin gibt es schon viele Fusionsküchen, doch diese eben noch nicht“, erklärt uns Hung Nguyen, der Betreiber des Ende Juni 2024 eröffneten Itarei. Auf Inspirationsreise in Asien seien ihm viele Itameshi-Konzepte aufgefallen, und so brachte er die Idee, italienische und japanische Elemente zueinander zu bringen, mit zurück nach Berlin. Anfangs wollte man konsequent, wie in Japan, italienische Gerichte mit japanischen Zutaten nach Itameshi-Prinzip zubereiten. „Wir haben aber schnell erkannt, dass man an bestimmte Zutaten aus Japan doch nicht so einfach gelangt“, so Hung Nguyen. „Wir kochen jetzt italienisch mit japanischen Einflüssen und japanisch mit italienischen“, führt er fort.

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Foto: Itarei

Dafür könne man alles, was man benötigt, problemlos über die örtlichen Großhändler beziehen. Mit dem Begriff „Itameshi“ können, das bestätigt der Gastronom, die meisten Gäste kaum etwas anfangen. „Wir erklären unsere Gerichte anhand der Zutaten, die wir verwenden“, so der Gastronom, der auch Co-Betreiber des panasiatischen „Mon“ in Kreuzberg ist. Gäste, die einen klassischen Italiener – oder einen klassischen Japaner – erwarten, lassen sich so überzeugen. Das Gericht „Vitello Tonnato Anders“ schafft Zugang allein durch seinen humorvollen Namen: Ein Klassiker, aber eben anders, nämlich mit Thunfisch-Tataki und Soja serviert.

Jedes Gericht kombiniert italienische und japanische Elemente: die Gyoza mit Salsiccia, Garnele und Chili-Speck-Marmelade, der Caesar Salad mit Nori. Es gibt Udon-Miso-Trüffel-Pasta, Spaghetti mit Matcha oder – wie im „Como“ – ein Katsu-Kotelett, hier ist es vom Schwein. Selbst das italienische Brot kommt mit Miso-Butter daher. Die Drinks führen das Spiel fort, vom Negroni mit Yuzu statt mit Zitrone über den Smash mit Shiso statt Salbei bis zum „Gisha“ mit Sake, japanischem Gin, Holunder und Zitrone.

Lo Fūfu: Omakase Italiano

„Es gibt sehr viele Parallelen zwischen den Ländern Japan und Italien“, erklärt uns Ina Freienstein. Der Blick auf den Globus bestätigt es: Beide sind langgezogene Länder, die sich von Nord bis Süd über viele Klimazonen erstrecken. Beide haben lange Küsten und Bergregionen. Beide kennen demzufolge ganz unterschiedliche Küchenrichtungen. Als großer Japanfan, mehrfach reiste sie dorthin, habe sie immer schon die Idee verfolgt, ein japanisches Gastronomiekonzept in Berlin umzusetzen. Aber eben eines, das mit vorwiegend italienischen Zutaten arbeitet. In der frei gewordenen Restaurantfläche des Hotels „Sir Savigny“ konnte sie zusammen mit ihrem Partner Amodio Iezza und Giacomo Mannucci (auch Betreiber des „To The Bone“, dort waren Freienstein zuvor als Barchefin und Iezza als Küchenchef tätig) die Idee Ende 2024 in die Realität bringen.

LoFufu©Romy Kaa 075 - trends, gastronomie, food-nomyblog Italy meets Japan: Itameshi-Style, der neue Konzept-Trend

Fotos: Romy Kaa

„Omakase Italiano“ lautet das Mottos des Restaurants mit seiner langen Theke aus Edelstahl, das insgesamt nur 26 Plätze hat. Vier verschiedene Fischsorten, die frisch und je nach Verfügbarkeit und Qualität am Markt ausgewählt und zubereitet werden, werden für die Gäste nach deren Gusto mit u.a. Kartoffelschaum, Algenbrühe, Sauerampfer mit Chili, roter Paprika und Buttermilch oder mit Taglioni, Trüffeln und Zitronenbutter kombiniert. „Wir legen sehr viel Wert auf das Persönliche und fragen unsere Gäste, was sie gerne mögen und wonach ihnen der Sinn steht“, so Freienstein. Vielen steht der Sinn nach Cocktails rund um das Menü, etwa nach der Manhattan-Abwandlung „Umeshu“ mit dem gleichnamigen Likör aus der Ume-Birne oder einer Variation des Corpse Reviver mit Sakura-Likör. Auch die Option, das Menü mit Sake statt mit Wein zu pairen, weckt die Neugier der Gäste, so Freienstein. Die japanischen Spirituosen bezieht das „Lo Fūfu“ vom Importspezialisten „Ginza“. Auch für den Lunch hat man hier eine japanische Methode ins Italienische übersetzt: Es gibt Bentoboxen, gefüllt mit Gerichten mit Fisch, Fleisch und Vegetarischem aus der „cucina italiana“.

Buchtipp zum Thema

Die Bibel der italienisch-japanischen Küche – ein Kochbuch mit 100 Rezepten, die das Beste aus beiden kulinarischen Kulturen vereinen, von Quinn Stand, 322 Seiten, erschienen 2022

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