
Sein „Chicha“ ist Geschichte, das Thema Gastronomie für Robert Peveling-Oberhag auch? Foto: Redaktion
Zehn Jahre lang wurde in der Friedelstraße 34 in Neukölln peruanische Küche, Ess- und Trinkkultur zelebriert, seit Anfang Juli ist jedoch Schluss damit: Betreiber Robert Peveling-Oberhag hat sich entschieden, den Mietvertrag nicht zu verlängern. Warum – und wie blickt er auf die Situation der Gastronomie 2025?
Wir trafen uns zum Gespräch beim „Garage Sale“, bei dem von Kochjacken über Möbel und Geschirr bis zum Rohrreiniger verkauft wurden. Ein letztes Mal viel los im Chicha.
Robert, wann hast du entschieden zu schließen? War das schon ein – noch nicht ausgesprochener – Gedanke, als wir uns Anfang 2024 hier unterhalten haben?
Damals habe ich es noch vor mir hergeschoben. Wir haben einen Mietvertrag über zehn Jahre plus Option auf fünf Jahre Verlängerung. Anfang dieses Jahres musste ich Bescheid geben, ob ich die Option ziehe oder es lasse. Die Entscheidung hat sich seit Oktober letzten Jahres herauskristallisiert und über Weihnachten endgültig.
Und warum hast du dich so entschieden?
Einerseits bin ich sehr zufrieden mit dem, was wir hier erreicht haben. Ich hätte damals nicht gedacht, dass wir so renommiert werden. Andererseits ist das wirtschaftliche Klima für Gastronomie derzeit einfach absurd schlecht. Würde man hier jeden Monat Geld raustragen, wären weitere fünf Jahre vielleicht eine Überlegung wert gewesen …
… aber dem ist nicht so.
Ein krasser Einbruch, der fing vor etwa anderthalb Jahren an. An jedem Tag in der Woche kann alles passieren, egal ob Mittwoch oder Samstag. Mal ist tote Hose, dann wieder total viel Betrieb. Du kannst keine Extraperson mehr reinbringen und bekommst die anderen Tage dann mit vier Leuten hin, weil du einfach nicht mehr planen kannst.
Ich höre oft aus der Gastronomie, dass es so diffus geworden ist. Hast du eine Erklärung dafür?
Die habe ich nicht, nein. Es kommt aber noch was dazu. Die Pizzeria ums Eck am Kanal zum Beispiel, die läuft immer noch gut, aber Pärchen teilen sich mittlerweile eine Pizza. Oder Gäste fragen, ob sie Beilagen auf der Pizza weglassen können und ob sie dann günstiger ist, wurde mir berichtet. Wer hätte das vor drei Jahren gemacht?
Oder es wird ein Menü für zwei und dazu noch ein paar Beilagen bestellt, auch so etwas höre ich.
Es soll dort sogar heimlich mitgebrachtes Bier getrunken werden. Gäste, die sich bei uns je eine Ceviche bestellen, Yuca zum Teilen und dann zwei Hauptgerichte, hatten wir immer viel. Zuletzt oft zwei Vorspeisen zum Teilen und das war’s. Das drückt den Durchschnittsbon runter. Der ist über die ganzen Jahre nach oben gegangen und dann weggebrochen. Auch der Alkoholkonsum ist rückläufig. Vor zehn Jahren war es quasi undenkbar, nicht wenigstens einen Drink zu bestellen – von Abstinenten abgesehen natürlich. Heute wird oft nach Leitungswasser gefragt.
Die Leute geben beim Ausgehen nicht mehr so viel aus.
Eindeutig. Auch die Stimmung der Leute hat sich verändert. Es macht keinen Spaß mehr.
Also fiel dir die Entscheidung aufzuhören leicht?
Für mich selbst ja. Ich bin damit happy, das Kapitel abzuschließen, es ist die richtige Entscheidung. Vor das Team damit zu treten war das Schwierigste. Ich habe es zuerst Simón (dem langjährigen Küchenchef, Anm. d. Red.) vermittelt, mit dem ich das Restaurant wie mit einem Geschäftspartner geführt habe. Im Teamgespräch sind schon einige Tränen geflossen und die letzte Schicht, nach 2.200 Schichten, war emotional. Wir haben nach der Schicht sonntags Kitchen-Impossible-Watchpartys gemacht oder zusammen Brettspiele gespielt. Es ist schwer, so ein enges, tolles Team, in dem sich alle gut verstanden haben, loszulassen.

So gemütlich sah es im ehemaligen Chicha aus. Fotos: Redaktion
2025 ein Restaurant zu betreiben, ist schwieriger als 2015?
Definitiv. Ich wüsste nicht, was für ein Konzept es gäbe, das man jetzt erfolgreich aufmachen könnte. Viele Kollegen struggeln gerade, ihre Rechnungen zu bezahlen. Hier auf der Straße war wenig los, als ich angefangen habe, jetzt ist sie sehr belebt.
Darüber schrieben wir Anfang 2020 einen Text – hier lesen
Aber jetzt gehen viele raus oder haben schon geschlossen, auch am Maybachufer. Anfang des Jahres besprach ich mich mit unserem Haushandwerker, der unsere Maschinen repariert. Der sagte mir: Second Hand kannst du vergessen. Geräte wie einen guten Ofen oder eine gute Spülmaschine kriegst du vielleicht noch los, den Rest kannst du knicken.
Hat er recht?
Ich habe die ganzen Gastro-Gebrauchthändler angefragt, habe Fotos von unseren Geräten an die Einkäufer geschickt. Keiner kauft zurzeit Sachen an, weil so viel auf dem Markt ist. Weil so viele schließen.
Was passiert hier nun?
Eine toskanische Cafeteria eröffnet. Zum Glück hat mir der Nachmieter rund ein Drittel des Inventars abgekauft: Deckenlampen, Abzugshauben oder Sitzbänke zum Beispiel. Das wäre sonst wohl im Sperrmüll gelandet.
Würdest du das Chicha nochmal machen?
Wenn ich in der Zeit zurückgehen könnte? Ja. Jetzt nochmal neu? Definitiv nicht. Die zehn Jahre haben viel Spaß gemacht, sogar die nervige Pandemie ging, die Unterstützung des Staates hat schon gepasst. Ich würde das Restaurant heute allerdings mit weniger Fläche und weniger Mitarbeitern machen. Ich habe ja mit einem Businesspartner angefangen und wir hatten ausgerechnet, dass wir 35 Plätze pro Kopf brauchen, weswegen es jetzt 70 sind. Und im Idealfall hat man nicht nur einen Laden, sondern drei mit jeweils drei Angestellten.
Klingt ein bisschen so, als wäre doch irgendwann wieder Gastronomie für dich denkbar?
Mein Herz schlägt schon dafür. Ich will es nicht ausschließen.
Dass Käse dich interessiert, hattest du im Vorgespräch erwähnt.
Ja, da hätte ich schon Bock drauf. Aber erstmal will ich reisen. Mal gucken, was mir so einfällt!
Robert, danke und alles Gute dir und dem Team.