
Fotos: Pannek seine Budike
Das Eisbein ist ein Berliner Wirtshaus-Klassiker, ist jedoch zur Rarität geworden. Thorsten Pannek bringt es in einer handlichen Streetfood-Version wieder ins Rampenlicht.
Eisbein und Kasseler-Rippchen, dazu Sauerkraut und Spreewaldgurken – so typisch diese Deftigkeiten für die Berliner Küche sind, so selten werden sie heute noch irgendwo in der Hauptstadt serviert. Was auch damit zu tun hat, dass die Zahl der Kneipen und Wirtshäuser traditionellen Zuschnitts abnimmt. „Budiken“ nannte man im Berlin des 19. Jahrhunderts schlichte, teils ärmliche Orte, an denen sich das gemeine Volk traf und unter anderem diese Speisen aß.
Vom Eiswagen zum Eisbeinwagen
Eine rollende Budike knüpft seit 2014 an diese Tradition an, ein Mercedes-Benz 308 D, Baujahr 1992. Den fand Thorsten Pannek bei einem Händler in Rostock, erstand ihn für 2.000 Euro und baute ihn aufwändig um – vom Eiswagen zum Eisbeinwagen. Seitdem ist er mit „Gretchen“, wie das Gefährt heißt, und als Unternehmen Pannek seine Budike auf Events oder Firmenveranstaltungen und bringt mit ihr die Berliner Küchenklassik wieder unters Volk. Pannek ist gebürtiger Neuköllner und gelernter Zimmermann. Nach vielen Jahren Tätigkeit als Bartender – er stand unter anderem im „Café Sieben“, in der „Green Door Bar“ und im „Windhorst“ hinter dem Tresen, dazu Stationen in Ischgl, im „Shepheard’s“ in Köln sowie im Frankfurter Hilton – ging ihm die Lust an der Arbeit in der Nacht aus.
Aus der Bar auf den Foodmarkt
Nicht aber die Lust an der Gastronomie. Eigentlich hatte er ein Restaurant geplant, als er im Ende 2012 eröffneten „Chicago Williams BBQ“ als Koch anfing, auch um für sein eigenes Gastrokonzept zu „trainieren“. Den dortigen Geschäftsführer Nawid Samawat kannte er schon aus der Barszene, dieser war zuvor in der „Bar Immertreu“ tätig gewesen, bevor er sich der „seriösen Grillerei“ (so der Untertitel) von Pulled Pork, Pulled Chicken und Brisket zuwandte. 2013 war aber eben auch das „Geburtsjahr“ von Streetfood in Berlin – mit dem „Street Food Thursday“ in der „Markthalle Neun“, dem „Bite Club“ und anderen Food-Events.


Berliner Kasseler-Reuben-Sandwich

Rixdorfer Löffelerbsen
Und so kam Pannek, der nach eigenem Bekunden nie geplant hatte, Speisen auf Veranstaltungen zu verkaufen, in die „Szene“ und mit seinem eigenen Stand im zentralen Mauerpark konnte er bald so gute Umsätze einfahren, dass der nächste Schritt zum Foodtruck vollzogen werden konnte. In dieser Zeit nutzten viele Food-Entrepreneure solche Märkte als Testballon für ihr Konzept, und gleichzeitig war der Hunger auf Streetfood, bei Berlinern wie Touristen, enorm groß.
Feste und Firmenevents
Dieser Hype sei längst vorbei, berichtet uns Pannek – nach Corona steuern viele Touristen lieber Städte wie Budapest, Prag oder Warschau an. Sein Geschäft betreibt er nichtsdestoweniger weiter – schließlich gehören Foodtrucks heute zum Repertoire vieler Feste und Events. „Gretchen“ steht bei der Potsdamer Schlössernacht, auf Tattoo-Conventions und auf Weihnachtsmärkten. „Pannek seine Budike“ catert aber auch auf Firmenevents und -festen der Deutschen Bahn, von Siemens, bei den Berliner Wasserbetrieben oder bei Bundesministerien.
Altberliner Streetfood aus regionalen Zutaten
Zu den Speisen selbst: Panneks Kernprodukt ist das Eisbein-Sandwich, zart gezupftes Fleisch ohne Haut, Fett und Knochen wie in der rustikalen Standard-Darreichung. Dazu kommen ein Erbsen-Senf-Püree und Sauerkraut, das Ganze verpackt im kultigen Berliner Schusterjungen, einem zu gleichen Teilen aus Weizen und Roggen gebackenen Brötchen mit gebräunter, knuspriger Kruste. Die Schusterjungen bezieht Pannek von der „Naturbäckerei Czerr“. Das Sauerkraut holt er zusammen mit Senf- und Gewürzgurken direkt von seinem Händler Ernst Krügermann in Lübbenau/Spreewald ab, es wird frisch aus dem Fass entnommen.
In seiner Produktionsküche in Neukölln, die sich unterhalb der „Privatbrauerei am Rollberg“ befindet, wird das gepökelte Vordereisbein von der Fleischerei Voigt circa vier bis fünf Stunden bei niedrigen Temperaturen gekocht und dann zart gezupft. Die geräucherten Kassler-Rippchen, mit denen Pannek sein zweites Sandwich-Produkt füllt, gart er im Sous-Vide-Verfahren in eigener Marinade. Das Sauerkraut wird mit Biersud verfeinert. Der Sud entsteht, wenn die Berliner Schinkenknacker für den „Bierkutscher Hot Dog“ angestochen und im Rotbier von Rollberg gekocht werden. Dabei saugen sie Bier auf und geben Fett ab. Und mit der Brühe vom Eisbein-Kochen wird wiederum das Erbsen-Senf-Püree verfeinert.
Herzhaftes und süßes Sortiment
Ebenfalls im Sortiment hat Pannek ein Sandwich mit in Meerrettich gegarter Rinderbrust, ein „Bierhähnchen Sandwich“ mit gezupften Brandenburger Hähnchenkeulen, ein Grillkäse-Sandwich mit zwei Sorten Gouda und Cheddar und einem Tomaten-Dill-Chutney sowie ein Sandwich mit Spreewaldgurken und Dillfrischkäse. Auch an Bord: Suppen und Eintöpfe wie die „Rixdorfer Kartoffelsuppe“, vegan oder mit Schinkenknacker oder der „Kasseler Eintopf“ – der Name leitet sich übrigens nicht von der hessischen Stadt, sondern von einem Berliner Metzgermeister des 19. Jahrhunderts namens Cassel ab, der das Pökeln stadtbekannt machte.
Süß kann der Budiker auch: „Rixdorfer Käsekuchen“ oder Apfel-Butter-Streuselkuchen serviert er im Glas, ebenso Rote Grütze. Für Fach- und Publikumsevents wie den „Whisky Herbst“, den „Bar Convent Berlin“ oder das „German Rum Festival“ bereitet er zum Beispiel ein Irish Stew mit irischem Whiskey oder eine Mango-Rostbratwurst zu – oft wird er auch von Herstellern aus der Spirituosenbranche gebucht, um den Gästen der Events ein zum präsentierten Produkt passendes Gericht zu bieten, das mit Zutaten der entsprechenden Getränke verfeinert wird.
Frische Küche
Fertigprodukte verwendet Thorsten Pannek partout nicht. Wenn möglich, kauft er Kartoffeln und Gemüse sogar direkt vom Kreuzköllner Wochenmarkt. Alles wird frisch zubereitet, teils am Vortag vorbereitet. „Ich möchte, dass es den Gästen gut schmeckt und der Kunde sagt: So etwas habe ich noch nie gehabt“, erklärt er. Mit seinem besonderen Produkt und der hohen Qualität hat er sich ein Alleinstellungsmerkmal aufgebaut. Sein Geschäft läuft auch in widrigen Zeiten, wenngleich die Nachfrage gerne noch etwas größer werden dürfte.
Stichwort groß: „Pannek seine Budike“ kann locker 1.200 Personen an einem Tag mit Sandwiches versorgen, wenn hinter oder neben dem Fahrzeug Platz für die Zubereitung vorhanden ist. Und wenn gewünscht, rollt „Gretchen“ auch zu Events außerhalb der Hauptstadt und zeigt, wie modern die Altberliner Küche schmecken kann.
