
Fotos: Cara / Arrêté
Das pflanzenbasierte Zero-Waste-Konzept Frea in Berlin ist Geschichte, aber nicht das Thema Gastronomie für Jasmin und David Suchy: Sie haben am selben Standort das Cara eröffnet. Thema: italienische Küche. Das ist zeitgemäßer, als es klingen mag. Here’s why.
Besonders begeistert darüber ist David Suchy nicht, dass wir ihn – und später auch einige Kolleg*innen – auf das Frea ansprechen. Schließlich ist es bald ein halbes Jahr geschlossen, an selber Stelle hat er zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Jasmin das Restaurant Cara eröffnet, weswegen man uns zum Pressetermin geladen hat. Dass man nach vorne blicken, sich auf das Neue fokussieren und dieses kommunizieren will, ist verständlich. Doch der Vorgänger war eben nicht irgendein Konzept, sondern ein pflanzenbasiertes Zero-Waste-Restaurant, in dieser Form mindestens deutschlandweit einzigartig, mit Preisen bedacht und immer wieder, auch von uns, als Referenzpunkt für eine neue Art der Gastronomie verwendet.
Jetzt ist es weg, dafür ist das Cara da. Hier gibt es nun auch Gerichte mit Fleisch und Fisch, es ist ein italienisches Restaurant. Da drängt sich die Frage natürlich auf: Warum fiel die Entscheidung, von einem sehr innovativen und spitzen zu einem (alt)bekannten Konzept zu wechseln? „Die Gastronomie hat sich extrem verändert in den letzten Jahren. Ich habe viele Freunde, die nicht mehr hergekommen sind“, erklärt uns David Suchy. „Die sehe ich jetzt (also im Cara, Anm. d. Red.) endlich wieder.“
Das also, was wir gerade überall in der gehobenen Gastronomie erleben, betraf auch das Vorgängerkonzept: Die Menüpreise wurden vielen Gästen zu teuer, der gestiegene Aufwand in der Herstellung pflanzenbasierter Küche – vor allem durch den personellen Aufwand – ließ letztlich zu wenig Spielraum. Suchy habe das pflanzliche Thema sehr gelebt, sagt er, aber über die Jahre wurde es wirtschaftlich immer schwieriger, mit dieser Art von Küche erfolgreich zu sein und einen sicheren Arbeitsplatz zu gewährleisten. Auch die Beschaffung hochwertiger Produkte sei immer schwieriger und kostspieliger geworden.
Und weil bekanntlich nicht nur Gastronomie teurer geworden ist, sondern auch das ganze Leben drumherum, wünschen sich Gäste, wenn sie denn mal ausgehen, ein erschwingliches, attraktives Angebot – das ließ sich mit dem bisherigen Konzept nicht darstellen. „Es ist ein Unterschied, ob du einen Teller Pasta für 28 Euro vor dir hast oder eine kleine Karotte“, erklärt Suchy. „Die Leute haben Lust rauszugehen – aber sie wollen weniger bezahlen und dafür mehr bekommen.“
Ein neues Konzept musste also her und ergab sich organisch aus dem Team heraus, denn das besteht zum Großteil aus Italiener*innen. Küchenchef Lorenzo Mele etwa stammt aus Sardinien, aus Sizilien der Souschef – folglich rannte man offene Türen bzw. Herzen ein, als der Switch auf italienisch besprochen wurde. „Unsere Köche können im Cara das kochen, was sie lieben“, erklärt David Suchy. Speisen wie Spaghetti vongole e bottarga, hausgemachte Tagliolini mit Sommertrüffeln, Crudo di Mare und Melanzana alla parmigiana (Nicht-Fleischesser*innen kommen hier weiterhin auf ihre Kosten) schmecken auch den Gästen: „Seit der Eröffnung ist der Laden ständig voll. Jetzt kommt ganz Berlin zu uns. Es macht Spaß, so einen Laden zu haben.“
Tatsächlich füllt sich das Restaurant bei unserem Besuch zusehends, es wird immer voller und lauter, dabei ist Dienstag. Dass der Wareneinsatz im Cara ein bisschen höher sei, könne man durch etwas niedrigere Personalkosten ausgleichen – von den 14 vorherigen Mitarbeitenden sind zehn verblieben. Der entscheidende Faktor ist der deutlich höhere Durchlauf, erklärt man uns. Im Sommer habe man inklusive Außenbereich bis zu 200 Gäste pro Abend gehabt, auch jetzt im Herbst sind es noch 120 und mehr. Damit lasse sich sehr gut kalkulieren.

Davids Geschäftspartnerin Jasmin: „Wir sind froh, dass wir weitermachen können, viele Gastronomen können das aktuell nicht.“ Es gebe einen Wandel in der Stadt, auf den man habe reagieren müssen: Gäste gehen viel gezielter aus und wählen – vor dem Hintergrund gestiegener – Lebenshaltungskosten Orte aus, die sie mit Freunden besuchen können, die Frauen mit ihren Männern besuchen können (die auf Fleisch nicht verzichten mögen). Date-Potential hat das Restaurant definitiv auch. Weniger auszugehen bedeutet demzufolge nicht, dann ein umso spezielleres, einzigartigeres Konzept aufzusuchen, wie es das Frea war, bzw. eine „Experience“, wie Jasmin Suchy es nennt, sondern im Gegenteil – gewünscht wird etwas Zugänglicheres, Kompatibleres. Die Intention war, einen Ort zu erschaffen, den man auch selbst gerne besuchen würde, führt sie fort: „Cara spiegelt uns wieder und wo wir uns im Leben befinden.“
Was das Thema Nachhaltigkeit betrifft: Das wurde nicht mit der Schließung des Vorgängers besiegelt, auch wenn es heute keine Kompostiermaschine (tierische Produkte dürfen dort nicht hinein) mehr gibt. Wenig Müll zu produzieren, darauf werde man auch weiter achten. „Wir kommunizieren es nur nicht mehr“, erklärt David Suchy, „wir wollen Emotionen auslösen: Cara ist lecker und macht Spaß.“ Und ein volles Restaurant, das wirtschaftlich solide dasteht, dessen Mitarbeitende einen sicheren Arbeitsplatz haben und in dem die ökologischen Prozesse aus bald acht Jahren Arbeitserfahrung weiterhin angewendet werden, ist nachhaltig – auch wenn dies nun nicht mehr groß ins Schaufenster gestellt wird. Statt dessen wird den Gästen der Wunsch nach Leichtigkeit, Geselligkeit und Genuss erfüllt. Was kann daran falsch sein?
