Maria Decker: „Lasst uns gemeinsam an einem Tisch sitzen und miteinander in den Austausch kommen“

Ein Gespräch zur Premiere des Foodfestivals „Auf den Tisch“ auf Rügen

von Redaktion
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Maria Decker, fotografiert von Maria Schiffer

Kreidefelsen, Kap Arkona, schöne Landschaft und die Ostsee – Rügen ist ein Urlaubs-Topziel. Doch wie kulinarisch ist die Region eigentlich? Sicher, in Binz und umzu gibt es einige Hotels der gehobenen Kategorie mit entsprechenden Restaurants, und Bierfans (wie wir) wissen das Bier der Insel Brauerei aus Rambin sehr zu schätzen. Aber Hand aufs Herz: Wer weiß schon, was Rügen in Sachen Genuss- und Lebensmittelhandwerk sonst noch alles zu bieten hat? 

Diesen Schleier zu lüften und die Akteur*innen zu vernetzen, hat sich das neue Foodfestival Auf den Tisch zur Mission gemacht, das vom 9. bis 15. Juni 2025 erstmals auf der Insel stattfindet. Und zwar über die ganze Insel, immerhin die größte Deutschlands, verteilt: Es gibt Hoftouren, Erntespaziergänge, offene Küchen, Dinner-Abende und Panels, mit denen die Initiative Produzent*innen, Gastronom*innen und Gäste zusammenbringt – und das, wie gesagt, direkt an den Orten, an denen Lebensmittel entstehen: Feldern, Höfen und Manufakturen der Insel.

Initiiert wurde „Auf den Tisch“ von u.a. von der Gastronomin Maria Decker, die seit zwei Jahren das Restaurant Onda in Putbus im Süden der Insel betreibt und auch #proudtokellner mitgegründet hat. Wir sprechen mit ihr über Regionalität, Genuss, Herausforderungen – und was Rügen auch kulinarisch so besonders macht.

Liebe Maria, wie ist die Idee entstanden, ein Foodfestival auf Rügen zu veranstalten?

Die Idee kam eigentlich aus einer ganz einfachen, aber wichtigen Frage: Wie können wir mehr kulinarische Highlights auf die Insel bringen und bewussten Konsum stärker in den Mittelpunkt stellen? Meine Kollegin Anne (Liedtke, Anm. d. Red., echte Rüganerin und Digital- und Medienstrategin) hat mich damit angesprochen, und wir haben gemeinsam überlegt, wie wir die kulinarische Vielfalt, die Rügen ja längst hat – in Produkten wie in Menschen – sichtbarer machen können. Ein Dinner am Strand vor dem „Onda“ war dabei ein schöner Ausgangspunkt und eine Art Vorbild: gutes Essen an einem besonderen Ort, verbunden mit Atmosphäre und Haltung. Wir wollten dieses Prinzip ausweiten, gezielt noch mehr Gastronom*innen und Erzeuger*innen einbinden, um die Reichweite zu erhöhen und gleichzeitig zu zeigen, was Rügen eigentlich schon alles kann – wenn man es miteinander verbindet.

Wie wurde aus der Idee ein Termin bzw. ein Festival?

Ehrlich gesagt: Wir haben einfach angefangen. Auf die ersten Gespräche folgten positive Rückmeldungen, dann kamen Anrufe, konkrete Vorschläge – und irgendwann war klar: Das wird jetzt Realität. Wir haben uns Udo (Tremmel, Soziologe und Mitbegründer des Berliner Ernährungsrats, Anm. d. Red.) und Noni (Piecha, Konditormeisterin mit Stationen in der Berliner Spitzengastronomie, Anm. d. Red.) als Mitstreiter*innen dazugeholt, um das Ganze in die Umsetzung zu bringen. Der Zeitpunkt war uns dabei wichtig: Die Natur sollte sich schon von ihrer schönsten Seite zeigen, auf den Feldern sollte bereits etwas zu holen sein. Gleichzeitig mussten wir aber auch beachten, dass die Hauptsaison auf Rügen für viele Betriebe sehr intensiv ist – also wollten wir davor starten, um auch wirklich Beteiligung aus der Gastronomie zu bekommen. Für uns ist diese erste Festivalwoche ein Testballon – der sich aber gerade ganz wunderbar hebt. Die Resonanz ist toll, und wir hoffen, dass wir perspektivisch ein noch größeres Netzwerk aus Gastronom*innen und regionalen Erzeuger*innen einbinden können.

Es gab also bereits ein aktives Food- oder Gastronomie-Netzwerk auf der Insel, auf dem ihr aufbauen konntet? Das war mir ehrlich gesagt nicht so bewusst.

Das ist tatsächlich ein Punkt, der uns besonders wichtig ist – denn ja, Rügen ist nicht komplett leer, aber es fehlt oft die sichtbare Verbindung. Genau das wollen wir ändern. Auch wir sind mit dem „Onda“ auf die Insel gekommen, weil wir gemerkt haben, wie viel Potenzial hier liegt. Es gibt tolle Erzeuger*innen, kreative Macher*innen, aber es fehlt oft an Plattformen, an Austausch – und an gemeinsamer Sichtbarkeit. Wir stehen z. B. mit dem Verein Rügen Produkte im Austausch und haben dort auch Unterstützung für unseren Auftakt erhalten. Das Label, das sie vergeben – als Auszeichnung für regionale Esskultur – ist ein guter Ansatz, den man sicherlich weiterentwickeln kann. Eine enge Zusammenarbeit ist uns wichtig. Wie genau das in Zukunft aussieht, werden wir sicher nach unserem ersten Festival gemeinsam weiterdenken.

Auf den Tisch Initiatorinnen Maria Decker und Anne Liedtke Foto von Stefan Pocha - gastronomie, food-nomyblog, events Maria Decker: „Lasst uns gemeinsam an einem Tisch sitzen und miteinander in den Austausch kommen“

Maria Decker und Anne Liedtke. Foto: Stefan Pocha

Dinner am Strand vom Restaurant Onda Foto von Stefan Pocha 1 - gastronomie, food-nomyblog, events Maria Decker: „Lasst uns gemeinsam an einem Tisch sitzen und miteinander in den Austausch kommen“

„Onda“-Dinner am Strand. Foto: Stefan Pocha

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Open fire cooking. Foto: Stefan Pocha

Sind andere Foodfestivals – etwa „Zu Tisch“ in Wirsberg – ein Vorbild für euch?

Definitiv! Da ist nicht nur der Name nah dran, sondern auch die Haltung. Es geht uns – wie dort – um Gemeinschaft, Qualität, Handwerk und Begegnung. Wir wollen das Rad nicht neu erfinden, sondern es in unsere Region holen und an die Gegebenheiten auf Rügen anpassen. Auch unsere Mitstreiter*innen wie Udo und Noni bringen viel Erfahrung mit – unter anderem aus der Markthalle Neun in Berlin – und diese Impulse helfen uns sehr dabei, hier etwas aufzubauen, das Hand und Fuß hat.

Rügen ist groß. War euch ein dezentraler Ansatz bei der Gestaltung des Events – es erstreckt sich über eine Woche und verschiedene Orte – deswegen wichtig?

Ja, absolut. Uns war wichtig, alle mitnehmen zu können: von der Traditionsgastronomie in Binz bis zu kleinen Betrieben in Altefähr oder auf dem Land. Jede Ecke der Insel hat ihre Geschichten und ihre Menschen – und wir wollen sie sichtbar machen. In einer Region, in der oft jeder Ort sein eigenes Ding macht, wollen wir mit „Auf den Tisch“ eine Einladung aussprechen: Lasst uns gemeinsam an einem Tisch sitzen und miteinander in den Austausch kommen.

Das Festival steht nun kurz bevor – doch blickt ihr schon zur nächsten Ausgabe? 

Auf jeden Fall. Unser Wunsch ist, Auf den Tisch zweimal jährlich zu veranstalten: einmal im Frühsommer wie jetzt und dann noch einmal zur Erntesaison im Herbst. Letztes Jahr haben wir mit „Onda“ im Herbst gemeinsam mit Jakob Walter, einem Gärtner hier auf der Insel, ein Apfelernte-Lunch veranstaltet – auf der Wiese, direkt unter den Bäumen. Das war so besonders, so verbindend. Und in genau diese Richtung möchten wir weitergehen. Es geht um Gemeinschaft, Saisonalität und um eine echte Verbindung zu den Lebensmitteln, die wir essen.

Auf den Tisch Naturhof Otto 1 - gastronomie, food-nomyblog, events Maria Decker: „Lasst uns gemeinsam an einem Tisch sitzen und miteinander in den Austausch kommen“

Michael Mackels vom Restaurant Strandhaus mit Lamm von der Schaeferei Kilburg - gastronomie, food-nomyblog, events Maria Decker: „Lasst uns gemeinsam an einem Tisch sitzen und miteinander in den Austausch kommen“

Michael Mackels vom „Restaurant Strandhaus“ mit Lamm von der Schäferei Kilburg; Damon Budd vom Restaurant Onda auf dem Feld vom Naturhof Otto

Du bist seit anderthalb Jahren Gastronomin auf Rügen. Wie fühlt es sich für dich an? Und wie verhalten sich eure Gäste?

Ich bin sehr dankbar. Wir erleben im „Onda“, dass unser Ansatz ankommt und getragen wird. Vor allem sind es die Menschen von hier, die uns regelmäßig besuchen und unsere Arbeit wertschätzen. Viele erzählen uns, dass sie gerade die Geschichten mögen, die wir mit unserem Essen erzählen – Inselgeschichten, wie wir sie nennen. Ich glaube, was uns zusätzlich hilft, ist der persönliche Bezug, den wir zu unseren Produkten und Produzent*innen haben – und den wir auch bewusst in den Mittelpunkt stellen. Immer mehr Menschen möchten wissen, wo ihr Essen herkommt, wer es hergestellt hat, wie es verarbeitet wurde. Wir können das beantworten und wir nehmen uns die Zeit, genau das zu zeigen.I n einem kleinen Rahmen, wie wir ihn im „Onda“ haben, ist das natürlich einfacher. Wir kochen mit einem kleinen Team, haben eine überschaubare Anzahl an Plätzen und pflegen enge Beziehungen zu unseren Partner*innen auf der Insel. Das schafft Vertrauen – und spiegelt sich ganz klar auch in der Nachfrage wider.

Es ist ja überall eine sehr herausfordernde Zeit für die Gastronomie. Wie sieht es bei euch aus? 

Unsere Plätze sind oft schnell ausgebucht, und das das ganze Jahr über. Im Gegensatz zu vielen anderen Betrieben auf der Insel, die mit langen Winterschließzeiten und Saisonarbeit zu kämpfen haben, konnten wir von Anfang an auf Ganzjährigkeit setzen. Das bringt Stabilität – fürs Team, für unsere Abläufe, aber auch für unsere Gäste. Und ja: Rügen ist auch im Winter wunderschön. Gerade dann zieht es bewusste Genießer*innen auf die Insel – Menschen, die Ruhe, Natur und gutes Essen suchen. Für uns ist das eine Chance und ein starkes Fundament für alles, was wir weiter aufbauen möchten.

Maria, vielen Dank und viel Erfolg!

Alle Informationen zu Auf den Tisch gibt es hier.

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