Ai Kitamura: „Die Kombination von Miso und Tomate ist großartig!“

von Nicole Klauß
hakko workshop 1 1 690x460 - interviews-portraits, food-nomyblog Ai Kitamura: „Die Kombination von Miso und Tomate ist großartig!“

Fotos: Jan Palarmatschuk

Mit der japanischen Köchin Ai Kitamura sprach Nicole Klauß über ein neues Gesundheitsbewusstsein, die traditionelle japanische Hakkō-Küche und darüber, dass die japanische Küche gar nicht so schwierig ist.

Viel unjapanischer geht es eigentlich kaum: Die Location für einen Workshop über die traditionelle japanische Hakkō-Küche mit der Köchin Ai Kitamura ist das BRLO Brwhouse am Gleisdreieck-Park in Berlin. Direkt an der U-Bahntrasse gelegen, gebaut aus Überseecontainern. Keine Ikebana-Gestecke in Nischen, keine Tatami-Matten, sondern modernes reduziertes Industrieambiente.

Die Hakkō-Küche (hakkō ist das japanische Wort für fermentieren) ist bei uns vielleicht als Begriff noch eher unbekannt. Die dahinterstehende Küchentechnik hingegen, hat sich schon vor einiger Zeit leise durch die Hintertür in die westlichen Küchen geschlichen. Aromatisieren und Würzen mit Miso (fermentierte Sojapaste) und Shoyu (Sojasauce), Marinieren mit Shio Koji (fermentierter Reis mit Salz und Wasser), Sake als Speisebegleiter. Für Köchinnen und Köche, die über den Tellerrand gucken, inzwischen alles kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Außerdem spielen saisonale und regionale Zutaten in der Hakkō-Küche eine große Rolle und Gemüse dabei eine größere als Fleisch.

Ben Pommer, Chef im BRLO Brwhouse, ist ja auch so ein Über-den-Tellerrand-Gucker und arbeitet schon länger mit fermentierten Produkten. Ein etwas tieferer Blick in seine sowieso schon offene Küche zeigt: Hier gibt es mehr Hakkō-Aspekte, als der erste Eindruck (Brauhaus) vermuten lässt. Es wird nämlich viel fermentiert: schwarzer Knoblauch, Sauerkraut und Pickles. Pommer und sein Team arbeiten außerdem mit Miso für den Umamigeschmack der Gemüseküche. Denn Gemüse ist der Star auf der Karte, Fleisch gibt es auch, aber eben erst auf der zweiten Seite. Als Extra. Noch so eine Parallele zur japanischen Küche, die nicht besonders fleischlastig ist. Außerdem werden im BRLO bevorzugt regionale und wenn möglich auch saisonale Produkte verwendet.

Im Ergebnis sind die Speisen dann zwar recht unjapanisch. Was aber nur beweist, dass die Hakkō-Küche sich problemlos in andere Küchenstile integrieren lässt. Und so ist die Wahl der Location dann doch wieder nicht so ungewöhnlich.

Im Juli war Ai Kitamura in Berlin und gab hier im Craft-Brauhaus einen Hakkō-Workshop. Eine kleine Umfrage von Ai Kitamura zu Beginn ihrer Präsentation zeigte erstaunlicher Weise: Der größte Teil hatte bisher keine Erfahrung mit Koji und Co.

Koji – was ist das eigentlich?

Hier handelt es sich gewissermaßen um die Basis der Hakkō-Küche. Koji besteht aus gedämpftem Getreide (meistens Reis, es können aber auch Buchweizen, Gerste oder andere Getreidesorten sein), das nach dem Dämpfen auf exakt 35 Grad temperiert wird und dann mit den Sporen des Kōjipilzes Aspergillus Orizae geimpft wird und anschließend für rund 40 Stunden ruht. Die hellgrünen, weißen oder auch schwarzen Sporen bilden dabei feine weiße Schimmelsporen aus, die sogenannten Hyphen (griechisch für Gewebe).

hakko workshop 2 690x460 - interviews-portraits, food-nomyblog Ai Kitamura: „Die Kombination von Miso und Tomate ist großartig!“

Hühnerbrustfilet in Shiokoji und Joghurt, über Nacht mariniert – Ergebnis ist zartes und saftiges Fleisch

Dieser so entstandene Koji ist der Starter und fungiert als Basis für Miso (dann in Verbindung mit gedämpften Sojabohnen, Salz und Wasser) oder Sojasauce (Koji plus Wasser plus Meersalz), hier wird zusätzlich noch Weizen gedämpft und ebenfalls mit den Sporen geimpft (Shoyu-Koji). Jetzt braucht es nur noch ein bisschen Zeit, mindestens drei Monate, und dann ist die junge Shoyu oder die Miso fertig. Beide Produkte werden durch längere Reife intensiver und vollmundiger, das Salz wird milder im Geschmack.

Thomas Vilgis, Physiker, Professor an der Universität Mainz und Leiter der Gruppe Soft Matters Food Physics die physikalische Aspekte des Essens inklusive Zutaten und Zubereitung erforscht, beschreibt Miso im Vorwort des Kochbuchs „Miso“ von Claudia Zaltenbach sehr treffend so: „Ein natürlicher asiatischer Glutamatlieferant, erzeugt – neben Sojasaucen – die herzhafteste Form des Umamigeschmacks, gepaart mit feiner Säure und salzigen Noten.“ Umami also. Ein echter Geschmackskatalysator bei Gemüse – und einer der Trümpfe der Hakkō-Küche.

Nach so viel Koji-Theorie von Ai Kitamura folgte der praktische Teil in Form vieler kleiner Speisen, die Ai mit ihrem Team vorbereitet hatte. Unter anderem in Sake-Kasu (Sake-Trester) marinierter Tofu oder Lachs, der in Shio Koji mariniert und dann in Misobutter gegart wurde. Shio Koji ist das Produkt einer Liaison aus Koji, Wasser und Meersalz – Fleisch wird damit unglaublich zart und aromatisch, Gemüse vollmundig. Ai servierte uns ein Hähnchen, das vier Tage in einer Mischung aus Shio Koji und Joghurt mariniert wurde und dadurch eine großartige Zartheit erlangt. Marinade 3.0.

Außerdem im Line-up: eine wunderbar aromatische Misosuppe in einer Qualität, die man in Berlin lange suchen muss und als Dessert ein Joghurt, gesüßt mit Amazake. Amazake ist das bevorzugte Süßungsmittel in der japanischen Küche: Wenn Koji wird mit gedämpftem warmen Reis und heißem Wasser vermischt wird, entsteht nach rund 14 Stunden Ruhezeit bei circa 60 Grad eine angenehm milde und süße Masse, von der Struktur eher so wie ein Milchreis. Amazake ist um einiges gesünder als Rüben- oder Rohrzucker, aber natürlich gilt bei Zucker: So richtig gesund ist er nicht.

Nach der Präsentation und dem gemeinsamen Lunch hatte ich die Gelegenheit, mit Ai ein Gespräch zu führen.

Was deine kulinarische Früherziehung betrifft – wurde bei euch zu Hause die traditionelle Hakkō-Küche praktiziert?

Zuhause wurde aus einer Mischung aus traditioneller Hakkō-Küche und moderner japanischer Küche mit westlichen Einflüssen gekocht – wie in den meisten japanischen Haushalten. Als Kind und junges Mädchen litt ich an Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Seitdem ich regelmäßig Speisen auf traditionelle japanische Art esse, sind meine Beschwerden verschwunden.

Du bist ja sozusagen eine Missionarin in Sachen Hakko-Küche. Sind deine Workshops reine Showcooking-Veranstaltungen oder können die Interessierten auch Kochkurse besuchen?

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder können die Gäste in meinem Restaurant beim Showcooking zusehen oder einen Kochkurs besuchen und selbst kleine Gerichte zubereiten. Diese Kurse finden sechs Mal pro Monat statt.

Welche Menschen buchen bei dir Kochkurse?

Es handelt sich hier eher um Frauen, meist 40 plus. Und Mütter, die ihren Kindern gutes und gesundes Essen bieten wollen.

Was meinst du, warum gibt es diesen Trend – zurück zu den traditionellen Küche und fermentierten Speisen?

Es gibt ein Umdenken bei vielen Leuten, eine Art neues Gesundheitsbewusstsein: Immer mehr Menschen möchten aus guten und gesunden Zutaten ihre Speisen zubereiten. Sie möchten gute Sojasauce und gutes Miso benutzen. Sie kaufen weniger die industriellen Produkte, sondern traditionell hergestellte ohne künstliche Aromen. Sie möchten gesund sein und auch im Alter gesund bleiben. Nicht umsonst leben die ältesten Menschen der Welt in Japan. Mein Lebenswerk sehe ich darin, Menschen zu zeigen, wie sie mit Hakkō-Food ihren Körper und ihre Seele im Gleichgewicht halten und glücklich sein können.

hakko workshop 3 690x460 - interviews-portraits, food-nomyblog Ai Kitamura: „Die Kombination von Miso und Tomate ist großartig!“

In Deutschland assoziierte die Mehrheit der Menschen mit der japanischen Küche lange primär Sushi oder Sashimi. Nun finden wir seit einiger Zeit Ramenrestaurants und viele neue Restaurants mit authentisch japanischer Küche. Unzählige neue Kochbücher über die japanische Küche finden sich in den Buchläden. Woher kommt der neue Hype?

Ich glaube, dass die Menschen, die auf der Suche nach gesunder Ernährung sind, relativ schnell zur japanischen Küche finden, die gar nicht so schwierig ist, wie viele befürchten. Und: Es ist bezeichnend, dass es sie zu einer traditionellen Küche hinzieht, die nicht aus industriell hergestellten Produkten besteht, sondern aus wenigen einfachen Produkten in guter Qualität.

Ist denn in Japan eine Tendenz zum Selbermachen zu bemerken? Hier in Deutschland wird wieder Sauerteig angesetzt, Kimchi und Gemüse eingelegt. Machen die Japaner ihre Miso und ihre Shoyu auch wieder selbst?

Es ist sicherlich nicht so, dass der Großteil der Japaner Miso jetzt selber macht. Aber die Menschen bereiten wieder ihre Gerichte nach traditioneller Art zu, machen ihre Dashi selber, statt eine fertige Dashibrühe zu kaufen – und sie achten auf die Frische und die Herkunft der Zutaten.

Gibt es nun in Japan vermehrt kleine Manufakturen, die Miso und Shoyu herstellen?

Diese kleinen Manufakturen gab es schon immer, dafür interessiert hat sich aber nur eine sehr kleine Zielgruppe. Jetzt gibt es in Japan tatsächlich mehr Hersteller traditionell produzierter Miso und Sojasauce. Viele kochen mit einer anderen Haltung und legen auch mehr Wert auf hochwertige Zutaten.

Machst du deine Miso selber?

Ja. Und auch den Koji, mit dem wir heute hier arbeiten. In meinem Restaurant kann meine Miso kaufen, ferner Koji und Amazake.

Hast du ein paar Tipps für westliche Köche und Hobbyköche? Wie finde ich einen guten Einstieg in die Hakkō-Küche und brauche ich besonderes Equipment, zum Beispiel diesen roten Hakkō Food Maker?

Besonderes Equipment ist nicht nötig – der Hakkō Food Maker temperiert das Amazake auf präzise 60 Grad, aber das geht auch mit einem Reiskocher, dessen Deckel nicht komplett geschlossen wird. Ein Tip von mir: Nicht bei jeder Speise Produkte mit Koji und Hakkō-Elemente verwenden. Mit einfachen Dingen anfangen, zum Beispiel, Fleisch oder Fisch über Nacht mit Shio Koji marinieren. Oder Gemüse für ein paar Stunden. Die Kombination von Tomate und Miso ist übrigens großartig!

Ai Kitamura betreibt in Nara im Süden der japanischen Hauptinsel Honshu ihr Restaurant Hana (jap. Blume) mit 18 Plätzen und einem Private Dining-Raum und bietet dort Speisen an, die „gleichermaßen gut schmecken und gesund sind“. Das im Restaurant verwendete Gemüse kommt von Produzenten aus der Umgebung von Nara, gewürzt wird mit traditionellen japanischen Produkten.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Einkaufstipp: Koji und Kojiprodukte wie Shio Koji, Miso und Sojasaucen gibt es bei Mimiferments in Berlin. 

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.