Biertreber als Fleischersatz: „Von der Textur her Rindfleisch sehr ähnlich“

rest:art aus Frankfurt nutzt einen reichlich vorhandenen Rohstoff für plant-based meat

von Maria Gütig
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Wojtek Konieczny, Elvira Bechtold und Monika Černiauskaitė (v.l.) von rest:art. Fotos: Unternehmen

Fleischersatz aus Bierabfall? Der Ansatz klingt verrückt – aber: das Frankfurter Start-up rest:art verwendet Biertreber, um daraus ein pflanzenbasiertes Alternativprodukt herzustellen. Der Rohstoff ist reichlich vorhanden, schließlich konsumieren die Deutschen vom Endprodukt Bier immer noch durchschnittlich 92 Liter im Jahr.

Maria Gütig hat für nomyblog mit Core-Gründerin Elvira Bechtold über den beeindruckenden Proteingehalt des Trebers gesprochen, über erste Partner und warum Bio in ihrem Fall keinen Sinn macht.

Pflanzliche Fleischalternativen sind in aller Munde. Wobei euer Ansatz recht neu ist: Ihr verwendet Biertreber als Basis für euren Fleischersatz. Wie seid ihr darauf gekommen?

Das ursprüngliche Gründerinnenteam sind Monika Černiauskaitė und ich. Wir sind Lebensmitteltechnologinnen, haben uns im Studium kennengelernt und verrückte Sachen gemacht – unter anderem haben wir Bier gebraut. Dabei sind wir auf Biertreber gestoßen, von dem beim Brauen ziemlich viel anfällt. Also haben wir recherchiert, was damit passiert. Zum Beispiel wird damit Brot gebacken, aber nur zu ganz geringen Anteilen, weil die Ballaststoffe sonst die fluffige Struktur zerstören. Daraufhin haben wir eine Mindmap erstellt und überlegt, was wir sonst noch mit dem Biertreber machen können und sind bei einem fermentierten Getränk gelandet, für das wir sogar einen Preis gewonnen haben.

Was für ein Getränk war das?

Das war ein Biertreber-Presssaft, der mit Wasserkefir fermentiert wurde, weil der Treber an sich ja noch 80 Prozent Wasser enthält. Deshalb war es für uns zunächst naheliegend, das Wasser zu verwenden, das durch das Getreide auch ein ganz spannendes Geschmacksprofil bekommt. Aber dann wollten wir an den festen Anteil ran, weil der problematischer zu entsorgen ist als das Wasser.

Woraus besteht er?

Als wir uns die Inhaltsstoffe anschauten, fanden wir viele Proteine und viele Ballaststoffe. Womit unsere schlaue Mindmap ergab, dass Fleischalternativen die beste Anwendung dafür sind. Als wir damit rausgegangen sind, war das Interesse riesig. Da haben wir gemerkt: Okay, wir treffen da den Nerv der Zeit. Da sollten wir dranbleiben.

Wann war das?

Das ist schon fast zwei Jahre her, und unser erster Biertreiber-Fleischersatz war im Mai 2023 als Produkt entwickelt. Seitdem entwickeln wir den Prototyp weiter, betreiben viel Marktforschung und haben unser Team vergrößert.

Und erste Partner habt ihr auch schon?

Genau. Als wir mit dem Pilotprojekt gestartet sind, haben wir uns Partner gesucht und erstes Feedback bekommen.

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Lasst uns bitte an dieser Stelle über Mengen sprechen. Allein in Deutschland fallen jährlich 2 Millionen Tonnen Biertreber als vermeintliches Abfallprodukt in den Brauereien an. Das klingt absurd viel. Immerhin landet davon nicht alles im Müll. Ein Teil wird auch an Tiere verfüttert.

Wobei da immer gern gesagt wird: ‚Der Treber wird komplett recycelt.‘ Das stimmt so nicht. Denn Wiederkäuer sind die einzigen Tiere, die Biertreber verstoffwechseln können. Das heißt, er kann nur an Rinder gehen. Und auch da wird er nur zu einem gewissen Prozentsatz zugefüttert.

Enthält Biertreber Alkohol?

Wir werden oft gefragt, ob das Rindfleisch dann nach Bier schmecken würde. Tatsächlich nicht, denn der Treber entsteht vor dem Alkohol.

Gibt es dazu offizielle Zahlen? Wieviel Treber im Moment wiederverwendet wird oder, wie ihr es nennt, ‚geupcycelt‘?

Nein, darüber spricht keiner. Und weil die Brauereien nicht verpflichtet sind, Zahlen dazu offenzulegen, kommt man an diese Informationen nur schwer ran. Wobei Deutschland trotzdem eine Vorreiterrolle einnimmt. Immerhin werden hier schon Maßnahmen ergriffen und es gibt Unternehmen und die Infrastruktur, um den Treber zu verarbeiten und zu trocken.

Von welchen Brauereien bezieht ihr derzeit den Treber?

Unser erster Partner ist Licher, eine Brauerei in Mittelhessen. Langfristig wollen wir mit mehreren Brauereien zusammenarbeiten und unterschiedliche Biertreber verwenden.

Wie verarbeitet ihr ihn dann weiter?

Über genaue Zahlen und die Zusammensetzung kann ich im Moment nicht sprechen, da wir das Produkt noch verändern. Ich kann aber sagen, dass es aktuell zur Hälfte aus Biertreber besteht. Am Anfang haben wir den frischen Biertreber verwertet, inzwischen verwenden wir getrockneten. Die Logistik wäre zu komplex. Frischer Biertreber verdirbt schnell.

Und was setzt ihr noch hinzu?

Im Moment drei weitere pflanzlichen Proteine, die zum Teil upgecycelt werden. Im Moment liegen wir bei etwa der Hälfte. Das ist auch das Ziel für das Endprodukt: So viel Upcycling wie möglich.

Strebt ihr 100 Prozent an?

Das ist schwierig, weil Erbsenproteine und Biertreber sich vom Aminosäureprofil sehr gut ergänzen, was sich dann im Körper ähnlich verhält wie tierisches Eiweiß. Allerdings ist das Erbsenprotein kein Nebenprodukt und wird nicht upgecycelt.

Biertreber und Erbse. Was kommt noch hinein?

Unser Produkt ist ein Clean-Label-Produkt ohne Zusatz- und Farbstoffe. Wir arbeiten kontinuierlich an der Rezeptur und verfeinern sie. Aktuell verwenden wir neben Biertreber auch Erbsenprotein, Gluten, Leinsamen oder Linse. Insgesamt sind die Chunks also wirklich clean mit einer kurzen Zutatenliste.

Das klingt nach viel Protein. Wie viel davon enthält euer Produkt?

Tatsächlich haben wir einen super hohen Proteingehalt, der bei etwa einem Drittel liegt. Dazu kommt ein hoher Ballaststoffgehalt, den nur wenige andere Fleischalternativen aufweisen. Das wiederum sorgt für ein gutes Sättigungsgefühl.

Hat der Biertreber Bioqualität?

Nein, wir haben uns ganz bewusst gegen Bio entschieden, weil Bio-Biertreber bereits verwertet wird und gefragt ist. Aber über 80 Prozent des Biertrebers ist nicht bio. Wegen des Upcycling-Prozesses nehmen wir deshalb den konventionellen.

An welches Fleisch erinnert euer Ersatz?

Von der Textur her ist es Rindfleisch sehr ähnlich. Vor allem, wenn man sich Gulasch mit ganz zartem, saftigem Fleisch vorstellt. Außerdem nimmt es Sauce sehr gut auf und hat Biss. Viele Fleischalternativen sind eher hühnchenartig und werden beim Kauen schnell matschig. Wobei wir eigentlich gar nicht so gern Worte wie Fleischersatz oder Fleisch-Alternative benutzen, sondern lieber einen anderen Begriff implementieren möchten. Alternative Proteine, die das Sättigungsgefühl und die Textur geben, ohne Fleisch imitieren zu wollen, passen für uns vom Wording her besser.

Wo werden Gerichte mit eurem Produkt erhältlich sein?

Wir durchlaufen gerade mit einem unserer Pilotkunden erste Testläufe. Geplant ist, dass im nächsten Jahr Gerichte von uns im dazugehörigen Restaurant in Berlin gefeatured werden und auf die Speisekarte kommen.

Wie groß ist euer Team?

Im Moment sind wir drei Gründer*innen. Monika macht bei uns Produktentwicklung und Business-Development, ich kümmere mich um alles rund um die Supply Chain und Qualität. Neu hingekommen ist Wojtek Konieczny für Marketing und Sales.

Ihr werdet unter anderem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Wie genau?

Wir bekommen aktuell das Exist-Gründerstipendium. Das heißt, wir bekommen für ein Jahr Lebensunterhalt ausgezahlt und Sachmittel für die Produktion, Beratung oder fürs Marketing. Das ist ein guter Kickstart. Noch ein toller Boost war „The Mission“ von Futury, das ist ein Accelerator-Programm, die Start-ups mit Unternehmen connecten.

Dann bleiben wir gespannt und bedanken uns für das Gespräch.

Mehr Informationen:
www.restart-upcycling.de

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