„Streetfood macht die Welt ein bisschen kleiner und geschmackvoller“ – im Gespräch mit KF Seetoh, Gründer des „World Street Food Congress“

von Jan-Peter Wulf
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Bringt die Streetfood-Welt zusammen: KF Seetoh, Gründer „World Street Food Congress“

Es gibt kaum jemanden, der sich in der Streetfood Südostasiens und im Speziellen jener Singapurs so gut auskennt wie KF Seetoh. Der „Guru of Grub“ hat zahlreiche Foodguides unter dem Namen „Makansutra“ veröffentlicht und TV-Shows produziert, es gibt sogar eine eigene App. Für ihn ist Streetfood nicht nur spannendes Essen, es hat auch eine kulturelle Bedeutung. 2013 hat der Tausendsassa den „World Street Food Congress“ ins Leben gerufen, bei dem Foodhändler aus aller Welt anreisen und um den „World Street Food Award“ wetteifern, bei dem es aber auch darum geht, die fragmentierte und noch wenig organisierte Streetfood-Szene zu vernetzen und gemeinsame Interessen auszuloten. Seit 2015 findet der Kongress in Manila statt. Bevor der nomyblog seine Koffer packt und sich vor Ort selbst ein Bild davon macht, haben wir mit KF Seetoh über das Event, die Straßenküche und seine Erfahrungen mit deutschem Streetfood gesprochen. 

Wann und wie entstand Ihre Leidenschaft für Essen, insbesondere für Streetfood? 

Als ich in den 90ern als Fotojournalist arbeitete, wurde mir klar, dass es beim Essen nicht nur um Geschmack geht, besonders in meiner Heimat. Es geht um Geschichte(n), das Visuelle spielt immer eine Rolle, ebenso Gesichter, Orte, der geschäftliche Aspekt. Es ist der beste Job, den man sich vorstellen kann. Wie so viele Menschen aus Singapur und aller Welt liebe ich meine heimatliche Küche. So schlug ich damals diese Laufbahn ein – und so wurde auch Makansutra geboren. 

Sie sind seit über 20 Jahren in Singapur unterwegs, um die neuesten Trends der lebhaften Streetfood-Szene aufzuspüren. Wie hat diese sich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte verändert?

Die handwerklichen Eigenschaften unseres geliebten Streetfoods haben schon so einiges an Glanz verloren. Heutzutage sind die Erwartungen niedriger, weil die Leute weniger von den klassischen Zubereitungsweisen verstehen und es wird lockerer damit umgegangen. Das heißt aber nicht, dass die Liebe für die Sache abgerissen ist. Es ist ein wenig so, als hätte man die „kulinarische Nabelschnur” abgetrennt. Langsam aber sicher, vor allem in den letzten fünf Jahren, hat sich allerdings wieder ein stärkeres Interesse an der Wiederbelebung und Weiterentwicklung verloren gegangener kultureller und kulinarischer Praktiken entwickelt. Vor allem auch, um die kulturelle Identität zu bewahren.

In Deutschland sind Streetfood-Märkte und -Veranstaltungen erst vor etwa vier Jahren wirklich beliebt geworden. Haben Sie schon mal deutsches Streetfood probiert, und wenn ja, welches?

Ich war mal beim Oktoberfest, das war so ziemlich der einzige Kontakt, den ich mit deutscher Streetfood-Kultur hatte. Ich glaube, dass die neue Generation durch das Internet und den Reise-, Foodie- und Abenteuer-Lifestyle zunehmend neugierig und anpassungsfähig geworden ist, vor allem, wenn es um internationales landestypisches Streetfood geht. Ich meine damit natürlich nicht nur Bratwurst, Pizza und Burger. Das alles macht die Welt ein bisschen kleiner und geschmackvoller.

Ich habe gelesen, dass die Garküchen und Stände durch große Bauprojekte gefährdet sind. Wird es im Jahr 2025 noch Streetfood geben in Südostasien? 

In Singapur sind die Garküchen und Straßenverkäufer nicht wirklich gefährdet. Tatsächlich hat die Regierung kürzlich angekündigt, dass 90 Millionen SGD (umgerechnet rund 58 Millionen Euro, Anm. d. Red.) in traditionelle Streetfood-Kultur gesteckt werden sollen. Ich habe mit einem Beamten in Bangkok gesprochen, der mir sagte, dass nur die Stände, die sich an stark befahrenen Verkehrspunkten befinden, umgesiedelt werden sollen. Ich denke, die thailändische Regierung begreift durchaus, dass ihre Streetfood-Kultur ein Touristen-Highlight ist und viele Arbeitsplätze schafft. Vielleicht werden sie dadurch in der Zukunft dazu angehalten, den Verkauf von Streetfood gezielter zu planen – so schätze ich das ein.

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Streetfood de luxe: Chrysanthemen-Dumplings

Sie haben 2013 den World Street Food Congress auf die Beine gestellt. Das hört sich gleichzeitig völlig verrückt und total interessant an: Eine Konferenz, in der Streetfood aus der ganzen Welt zusammenkommt, mitsamt seiner Macher. Wie kam das zustande? 

Es hört sich genau so verrückt an, wie es sich vor ein paar Jahren angehört hat, als man sich ein Telefon ohne Knöpfe vorgestellt hat. Aber ich fand einfach, dass es an der Zeit war, weil ich die kulturelle und geografische Reichweite von Streetfood so spannend fand. Eine einzige Familie in Amsterdam kann zum Beispiel mehrere Franchise-Unternehmen in der Stadt verteilt besitzen, weil sie dort, aufgrund der gemeinsamen Geschichte, so riesige Fans der indonesischen Küche sind. Es gibt weltweit zahlreiche Filialen des berühmten philippinischen Restaurants „Aling Lucing Sisig“, weil viele Filipinos im Ausland arbeiten und weil fast jeder Filipino und jede Filipina das Essen und die Geschichte hinter diesem Laden kennt und liebt.  Ich hatte keine Ahnung, wie es ankommen würde, aber ich dachte mir: Wenn wir die Geschichten richtig erzählen und dabei noch eine riesige Food-Party schmeißen, dann schafft das eine Resonanz, die nicht nur durch den Genuss des Essens entsteht, sondern durch eine geteilte Leidenschaft unter Foodies aus aller Welt. Und ich habe das große Glück, dass mein Kumpel Anthony Bourdain an uns glaubt und die Veranstaltung unterstützt. 

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Publikumsmagnet: Zur WSFC 2017 werden 120.000 Gäste erwartet

Es ist ja schon wahnsinnig aufwändig, eine lokale Food-Szene zu vernetzen. Ich kann mir vorstellen, dass es noch schwieriger ist, das auf der globalen Ebene zu tun. Wie hat sich die WSFC im Laufe seiner fünf Jahre entwickelt? 

Heute sehe ich, wieviel Aufmerksamkeit der landestypischen Esskultur gewidmet wurde und wie sie sich verbreitet und an Beliebtheit gewinnt. Michelin hat angefangen, einfache Straßenverkäufer auszuzeichnen. Ich bin mir sicher, dass viele große Namen in diesem Feld nachziehen werden. Wir haben überwältigend positive Resonanz aus der Privatwirtschaft und verschiedenen Regierungen erfahren. Der Leiter des Tourism Promotion Board der Philippinen hat gesagt: „Der World Street Food Congress hat dafür gesorgt, dass die philippinische Esskultur weltweit bekannt geworden ist.” Das ist eine große Ehre für uns! Darüber hinaus gibt es einige Länder, die bereits darum konkurrieren, den Kongress in den kommenden Jahren bei sich austragen zu dürfen. Wir durchleben gerade wirklich aufregende Zeiten. Die Medien haben uns ebenfalls sehr unterstützt, indem sie unsere Geschichte verbreitet haben. Dafür sind wir sehr dankbar. 

Der nomyblog wird dieses Jahr erstmals live dabei sein. Was erwartet uns auf dem WSFC 2017? Und worauf freuen Sie sich am meisten? 

Es wird dieses Jahr eine noch größere Party. Wir haben bis zu 28 Stände mit fast 40 Spezialitäten aus 13 Ländern im Angebot. Die Räumlichkeiten sind auch größer und wir erwarten 120.000 Gäste, letztes Jahr waren es 75.000, im Laufe der drei Abende in der Woche und des darauffolgenden Wochenendes. Es ist aber vor allem der Dialog untereinander, der die treibenden Kräfte der Branche zusammenbringt. Anthony Bourdain ist auch mit dabei. Er wird uns über neue Entwicklungen rund um seinen „Bourdain Market“ in New York informieren und sich mit potenziellen Verkäufern und Partnern treffen. Greg Drescher, der Vizepräsident des Bereiches Industry Leadership and Strategic Partnerships am „Culinary Institute of America“, wird die Keynote-Rede halten. Wir haben Sterneköche eingeladen, die im Streetfood-Bereich tätig sind und über ihre Werdegänge sprechen werden. Das alles findet statt unter dem diesjährigen Motto „Reimagine Possibilities”]. 

Wenn ich in Manila bin: Wo muss ich – außerhalb des Events – essen gehen?

Manila ist nicht gerade das kulinarische Epizentrum der Philippinen, aber es gibt trotzdem eine riesige Bandbreite an Essen zur Auswahl, von ortstypischer asiatischer hin zu westlicher Küche. Du musst unbedingt Spanferkel probieren, und zwar bei „Zubuchon“ oder in einem der Shops entlang La Loma, der Spanferkel-Straße. Probier unbedingt die Bulalo-Rinderbrühe mit Knochenmark und Mais bei „Bulalohan Si Espanol“. Suche eines der zahlreichen „carenderias“ oder örtlichen Cafés auf und mache es den Pinoys nach: Es wird oft eine Auswahl authentischer philippinischer Gerichte mit Reis angeboten.

Vielen Dank! 

nomyblog berichtet ab dem 30. Mai live auf Facebook und Instagram vom World Street Food Congress aus Manila. 
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