Tommy Möbius: „Wenn du großes Tennis spielen willst, brauchst du einen guten Schläger“

Im Gespräch mit dem Comeback-Gourmetgastronomen

von Antje Urban
Tommy Moebius - interviews-portraits, management, konzepte, gastronomie Tommy Möbius: „Wenn du großes Tennis spielen willst, brauchst du einen guten Schläger“

Foto: Antje Urban

Es sind wahrlich nicht die besten Zeiten, um sich selbstständig zu machen und noch weniger, um in der Gourmetgastronomie zu starten. Einer, der das weiß und es trotzdem gewagt hat, ist Tommy R. Möbius. Die letzten sechs Jahre hat er ein Bistro mit Feinkostgeschäft in Schwetzingen betrieben. Nun kehrt er mit seinem ersten eigenen Gourmetrestaurant möbius in die Branche zurück. Für den 48-Jährigen ein Anknüpfen an seine langjährige Karriere, denn über 16 Jahre war er mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Unsere Autorin Antje Urban traf ihn zum Gespräch. 

Herr Möbius, nach vielen Jahren in der Sternegastronomie waren Sie zuletzt fast sechs Jahre lang mit ihrem Feinkostgeschäft im Einzelhandel tätig. Wie ist es dazu gekommen?

Ich war immer schon Koch. Aber die Frage ist immer unter welchen Umständen. Nach meiner Zeit als Küchenchef in der „Ente“ im Seehotel Ketsch, wo wir sechs Jahre lang konstant den Stern erkocht haben, war ich erstmal erschöpft und bedient. Ich wollte endlich mal wieder am Leben teilnehmen und eigentlich nach Hause nach Wien. Nach 33 Jahren in der Küche und davon 16 Jahre mit Michelin-Stern (Tommy R. Möbius ist gebürtiger Leipziger, hat aber lange Zeit in Wien gelebt und wurde dort das erste Mal mit einem Michelin-Stern im Restaurant Fabios ausgezeichnet, Anm. d. Red.).

Aber manchmal spricht das Leben mit mir und wir sind auf den Laden gestoßen. Meine Frau und ich, wir haben dann ein Konzept auf diesen Laden zugeschnitten, das es so noch nicht gab: ein Bistro mit Mittagstisch mit einem Angebot an feinen Lebensmitteln und Blumen. Aber ich habe das Kochen ja nie abgeschüttelt. Anfangs habe ich abends Gerichte auf Sterneniveau in Miniatur angeboten, aber das haben die Leute nicht verstanden. Dann kam Corinna (Corona)  und auch wir mussten uns durch diese Zeit schlagen. Das ist uns sehr gut gelungen. Ich würde mal sagen, wir haben sehr früh das Richtige getan.

Wie genau konnten Sie die Zeit erfolgreich überbrücken?

Corona hat alles erstmal durchgewirbelt bei uns. Aber ehrlich gesagt hat uns der Einzelhandel den Kopf gerettet, denn wir waren systemrelevant. Und zum Glück waren wir breit aufgestellt mit Mittagstisch. Ich behaupte, wir waren einer der wenigen, die sofort reagiert haben – wir haben Kochboxen verschickt zum Beispiel, am Muttertag waren das locker 120 Boxen. Samstags Frühstück angeboten sowie Wiener Backhendl zum Abholen. Am Vatertag habe ich drei Jahre hintereinander ein großes Grillen auf der Straße organisiert. Das war dann schon fast Kult.

Sie haben also immer wieder das Konzept neu justiert?

Das eigentliche Konzept war hinfällig zu dem Zeitpunkt. Ich habe Dinge gemacht, die nicht wirklich meiner DNA entsprechen. Aber wenn ich etwas mache, dann massiv und ehrlich und in Topform. Alles hat seine Zeit. Manches muss man einfach durchhalten und durchziehen. Es war nicht nur Spaß, denn kurz vor der Pandemie hatte ich mit hohen Kosten auch noch nebenan ein Kochstudio für 16 Personen eingerichtet. Das war dann während der Pandemie der wohl teuerste Paketumschlagplatz Deutschlands.

Und nach dieser schwierigen Phase entschieden Sie sich dann letztes Jahr, den Feinkostladen in Ihr erstes eigenes Gourmetrestaurant zu verwandeln. Warum?

Unsere Idee eines Bistros mit Feinkost hatte seine Berechtigung, aber man muss mit der Zeit gehen und sich auch mal neu erfinden, um wahrgenommen zu werden. Wie gesagt, ich war ja immer Koch. Und eigentlich schon von Baby an Gastronom durch meine Eltern.

Ich habe aber auch gesehen, dass sich da was in der Gastrowelt falsch entwickelt: Es geht nicht mehr um Qualität. Deshalb will ich für mich dagegen steuern. Da kommt mir mein Purismus zugute und damit meine ich die große Kunst des Weglassens. Essen mit Emotionen auf Spitzenniveau. Sich dabei aber auf das Wesentliche konzentrieren und sich nicht in Strich und Feuerstein verlieren. Viele beschäftigen sich mittlerweile mit Nichtigkeiten. Wenn Sie vor 20 Jahren in der Küche eine Makrele oder Hering genommen hätten, da war das der Beifang. Heute werden minderwertige Qualitäten „aufgedönst“. Die nehmen Preise für Sachen, die sind nicht mal das Papier wert, auf denen der Preis steht. Ordentliche Gastkultur, persönlicher Service, heimelige Atmosphäre, ausgezeichnetes Essen – darum sollte sich die Gastronomie scheren.

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Tommy und Elnaz Möbius. Foto: Sebastian Heck

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Foto: Philipp Schultz

Bis auf ein paar Aushilfen bestreiten Sie die Küche und Ihre Frau den Service für die 20 Plätze im Restaurant allein. Wie schafft man das?

Auf meiner Karte stehen abends zwölf Gerichte, die so konzipiert sind, dass ich die Qualität halten, immer frisch kochen und das alles selbst handeln kann. Dann bieten wir noch Mittagstisch. Da alles teurer wird, haben wir entschieden, den zu machen, weil der mir nicht weh tut. Das koche ich mehr oder weniger im Vorbeilaufen. Mittags ein Gulasch oder so, das läuft nebenbei. Es rentiert sich allerdings nicht wirklich, weil pro Kopf nicht mehr als 20 Euro reinkommen. Aber das nehme ich mit. Und sowas geht auch nur ohne Spüler und Mitarbeiter.

Sie kommen also ohne feste Mitarbeiter aus. Was glauben Sie denn, woran es liegt, dass Mitarbeiter so schwer zu bekommen sind?

Ich habe dazu mein ganz eigenes Statement: Die Probleme in der Gastronomie sind hausgemacht. Lehrlinge dürfen nicht wie Dreck behandelt werden. 60, 70 Stunden die Woche arbeiten, das ist nicht mehr en vogue und das war früher normal. Heute muss ich eben meinen Mitarbeitern auch am Wochenende mal frei geben. Du musst den Leuten was geben, nur so funktioniert es. Man muss auch was in den Pott reinschmeißen und nicht nur rausziehen. Trotzdem bleibt es natürlich ein Knochenjob und hat nichts mit dem Kochen im Fernsehen zu tun.

Die Ausbeutung der Mitarbeiter ist mit ein Grund, warum die Gastronomie ins Straucheln gekommen ist. Die schieben das dann auf die Mehrwertsteuer. Das ist aber Quatsch, das ist eine Steuer, die du abführst. Vor drei Jahren wurde die abgeschafft, um wegen Corona zu unterstützen und jetzt ist das Gejammere groß. Wenn aber ein Betrieb wegen der Mehrwertsteuer schlecht läuft, dann ist da schon mal was Grundsätzliches falsch.

Insbesondere die Gourmetgastronomie ist im Wandel und hat mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Was machen Sie anders?

Der allererste Vorteil ist bei mir schon mal, dass ich keine festen Mitarbeiter brauche. Aber dafür kommt der Gast in unserem kleinen Restaurant zu mir ins Wohnzimmer. Wir haben extra alles sehr persönlich eingerichtet mit Fotos aus dem privaten Bereich an der Wand. Die Nachsicht der Gäste ist größer, wenn die Atmosphäre familiär ist. Wenn etwas mal länger dauert, dann ist das halt so. Dafür stehe ich für gutes Essen, handwerklich gut gekocht mit Fachverstand.

Ich bin der Meinung, dass man sich spezialisieren muss. Dann hast du eine Chance. Aber du musst es eben exzellent machen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es bei super Qualität nicht ums Geld geht. Du kannst dann einen Preis nehmen, der dem gerecht wird. Das ist dann immer „preiswert“, weil es seinen Preis wert ist.

Und in jedem Restaurant steckt jemand mit seiner ganzen Existenz dahinter. Deshalb ist auch ein No-Show der Tod. Man will niemanden vergraulen. Aber man muss den Gästen klar machen, was das für einen Gastronomen bedeutet. Wir reden da ganz offen drüber. Und was mich auch wahnsinnig macht: Warum gibt es nur noch Menüs in den Restaurants? Warum muss man sich in diesen Zeiten mit zig Gängen den Magen füllen? Das ist nicht zeitgemäß und auch nicht gästegerecht. Ich mache mir viele Gedanken darüber.

Was raten Sie Kollegen? Worauf kommt es an, wenn man 2024 ein Restaurant eröffnet?

Entscheidend ist eine Marktanalyse. Braucht jemand, was ich machen will? Mit dem Markt mitgehen und nicht in Schönheit sterben. Du musst die Nerven behalten. Die Idee steht als Erstes und dann muss man Betriebswirtschaftlichkeit einfließen lassen. Lieber weniger kalkulieren und dann schauen, ob es mehr wird. Die ersten drei Jahre sind entscheidend. Viele arbeiten sich an Krümeln ab.

Und ein ganz klares Commitment beim Finanziellen: Du musst du was investieren, daran führt kein Weg vorbei. Wir haben nur für die hochwertige Umgestaltung unseres Bistros zu einem Gourmetrestaurant und in eine neue Webseite sehr viel Geld investiert. Aber das muss sein. Wenn du großes Tennis spielen willst, brauchst du einen guten Schläger. Wir haben alles durchkalkuliert. Du musst in der Früh wissen, sobald du den Laden betrittst, was dich das kostet. Die Vorstellung: Ich bin ja eh da, das ist nicht korrekt. Wir haben uns viel hinterfragt und auch viel verworfen. Wir hatten noch zig Ideen, aber man muss sich entscheiden.

Haben Sie durch Ihre Erfahrung im Einzelhandel einen frischeren Blick auf die Gastronomie bekommen?

Ja, das habe ich. Vor allem weiß ich jetzt, dass der Einzelhandelskunde definitiv ein anderer ist als ein Gast im Feinschmecker-Restaurant. Aber ich muss sagen, dass ich immer an mir arbeite, schaue, was um mich herum passiert und dennoch muss ich nicht immer einem Trend hinterherrennen. Denn wenn du dein Handwerk beherrschst und weißt, was du kannst, kann dir nix verrutschen.

Vielen Dank für diesen interessanten Einblick!

Mehr Informationen:
www.dermoebius.com

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