Wo bleibt der „Brandenburg Kebap“? Berlin als internationale kulinarische Destination

von Jan-Peter Wulf
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Diskutierten über Städte als kulinarische Destinationen: Gisella Williams, Lorraine Haist, Jay Cheshes, Christian Tänzler und Moderatorin Luisa Weiss. Fotos: Steffen Sinzinger / Berliner Speisemeisterei

Berlin als kulinarische Destination: geht das? Darum ging es beim Medienpanel „Food cities: how to drive culinary tourism“ des Food-Symposiums „Terroir Berlin“, das Anfang dieser Woche zum ersten Mal stattfand. Eine Zusammenfassung.

„Berlin ist bekannt für Nightlife und … Nightlife“, brachte es die Food-Journalistin Lorraine Haist zu Anfang der Diskussionsrunde in der „Factory Berlin“ auf den Punkt. Das ist der status quo. Doch was könnte neben dem Feiern noch ein interessanter touristischer Faktor sein? Zumal in einer Stadt, die „erwachsener“ geworden ist, wie Haist hinzufügte? Die Nähe zum Meer? Wohl kaum. Das permanent gute Wetter? Geschenkt. Die ausgezeichnete interkontinentale Fluganbindung? Wiedervorlage 2025.

Die Antwort könnte, ja sollte lauten: Food. Essen. Restaurants. Bars. Händler. Erzeuger. Menschen. Dass sich in diesem Bereich vieles tut in der Stadt und seinem Umland, ist mittlerweile wohl auch außerhalb des Tarifbereichs ABC bekannt. Berlin wird peu à peu nicht nur national, sondern immer mehr auch international als kulinarischer Ort jenseits der Currywurst (die im Ruhrgebiet sowieso besser ist, Anm. d. Red.) wahrgenommen. Was braucht es, damit sich dieses zarte Pflänzchen weiterentwickelt? Eine integrierte Tourismus-Strategie? 

Christian Tänzler von „Visit Berlin“ rät davon ab: „Wenn zu viele Institutionen ins Spiel kommen, ist es nicht mehr authentisch und gegen die Kreativität.“ Der Spirit einer Stadt sei es ja gerade, dass – zum Beispiel die Foodkultur – aus der Leidenschaft der Akteure heraus entsteht. Eine Top-Down-Maßnahme helfe da nicht. Allerdings kann die Stadt eine organische Entwicklung begleiten und fördern. Zum Beispiel – und das macht eine Organisation wie „Visit Berlin“ bereits seit mehreren Jahren – indem Berlins kreative Food- und Gastronomieszene im Ausland präsentiert wird; in immerhin 50 Ländern ist man damit schon aktiv. Das bekommt man nur in Berlin kaum mit, weil die Kommunikation eben komplett nach außen gerichtet ist. 

Kooperationsbereitschaft Berliner Gastronomen als Chance

Wo es aber funktioniert: War es früher vornehmlich das Thema Clubkultur und Nightlife, mit dem sich die Destination Berlin kommunikabel machen ließ, sei es heute die Kulinarik, erklärte Tänzler: „Früher haben sich vielleicht zehn Prozent der Journalisten für kulinarische Themen interessiert. Jetzt sind es 60 Prozent.“ Was Berlin aus Tänzlers Sicht besonders auszeichnet ist, dass die Gastronomen zusammen und nicht gegeneinander arbeiten. Auf Basis dieser Kooperationsbereitschaft und Vernetzung könne die Stadt tatsächlich zu einer kulinarischen Destination werden: „Das ist eine Chance, das ist unser Lifestyle.“ 

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Berlin sei „erwachsener“ geworden, findet Journalistin Lorraine Haist

Die Foodbewegung ist zweifellos da: Haken dran. Die Vernetzung auch: Hoffentlich bleibt es so. Was ist aber mit der Identität? Der New Yorker Gastronomie-Journalist Jay Cheshes findet, losgelöst von Berlin, dass die Köche einer Stadt ihre internationale Inspiration nicht in Form von Copy and Paste, sondern mit einer Transferleistung verarbeiten und in die Realität umsetzen sollten. Heißt: Sich weltweit umschauen, aber dann überlegen: Wie kann ich etwas mit den Dingen vor Ort schaffen? Cheshes: „Du willst nicht das Noma von Berlin sein. Du willst, dass deine Gäste sagen: Du machst etwas völlig Eigenständiges.“

Wo ist der „Brandenburg Kebap“?

Die Food-Journalistin Gisela Williams bemerkte in diesem Zusammenhang, dass die Zuwanderung durch Flüchtlinge einen interessanten Beitrag zur lokalen Food-Entwicklung leisten könne – und zwar inklusive des so oft geforderten Einbezugs regionaler Produzenten: „Wo bleibt der fantastische Kebap mit Zutaten aus Brandenburg? Er wird vielleicht zwei Euro mehr kosten, aber er wird gekauft werden.“ 

In dieser Aussage steckt für mich alles drin, was es braucht: Die Verfeinerung Berliner Klassiker durch neue, internationale Einflüsse. Mehr Qualität und mehr Nachhaltigkeit durch Verwendung lokaler, regionaler Zutaten. Die Kreation eines einzigartigen, hybriden Produkts. Und das für mich Entscheidende, wenn es darum geht, die angeblich beim Thema Food immer einen Igel in der Tasche tragenden Deutschen zu kriegen: den Hebeleffekt. Für einen etwas höheren Preis gibt es so much more Geschmack, Erlebnis und Freude. 

Wenn 2018 das zweite „Terroir Berlin“ stattfindet, wird es ein solches Produkt geben.
Da wette ich einfach mal drauf.

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