Koch Patrick Wodni: „Wir müssen uns ganz gewaltig einschränken“

von Jan-Peter Wulf
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Foto: Patrick Wodni

Nach seiner Ausbildung zum Koch im Frankfurter „Steigenberger Hotel“ arbeitete der gebürtige Gießener Patrick Wodni u.a. bei „Kofler & Kompanie“, im „Michelberger Hotel“ und im Sterne-Restaurant „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin. Statt danach weiter in der Spitzengastronomie Karriere zu machen, ging er als Küchenleiter ins „Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe“. Heute leitet er die Großküche eines Logistikzentrums in Weilerswist. Seine Mission: Mit guten, gesunden Lebensmitteln und Speisen möglichst viele Menschen erreichen.

Wir trafen ihn im Sommer 2019 zum Gespräch in Berlin. Im Oktober wurde er bei der Berlin Food Week mit dem „Food Mover Award“ in der Kategorie „Game Changer“ ausgezeichnet. Seine neue Aufgabe: Als Projektleiter von Kantine Zukunft Berlin wird er Küchen der Berliner Gemeinschaftsverpflegung helfen, ihr Angebot mehrheitlich biologisch-regional auszurichten.   

Patrick, warum hast du dich 2017 entschieden, aus der Sternegastronomie in die Großküche zu wechseln?

Ich habe 2013 ja sogar überlegt, eine freie Ausbildung in der Landwirtschaft zu beginnen. Aber habe dann erkannt: Das was, ich als Koch gelernt habe, lässt sich auch anderweitig sinnvoll einsetzen. Entweder mache ich den Beruf mit Freude und Verantwortung oder fürs Geld. Fürs Geld, das hat noch nie für mich funktioniert. Wenn ich viele Stunden mit meiner Arbeit verbringe, will ich mich am Ende des Tages nicht fragen müssen: Was war das denn jetzt? Im Krankenhaus habe ich dieses Gefühl nie gehabt, wenn wir am Tag etwa 500 Mittagessen gekocht haben.

Als Außenstehender könnte man ja denken: In einem angesagten Restaurant zu arbeiten, muss doch angenehmer sein als in einer Krankenhaus-Küche.

Für viele ist das Arbeiten als Koch im Krankenhaus alles andere als angenehm. Für mich ist es wichtig, meiner Tätigkeit einen gewissen Sinn zu geben, indem ich sie für so viele Leute wie möglich öffne und eben nicht anhand einer Preisklasse gewissen Menschen vorenthalte – obwohl ich froh bin, mal in einem Sternerestaurant gearbeitet zu haben, das möchte ich dazu sagen. Der Begriff der Ernährungsdemokratie wird immer gerne verwendet, findet aber praktisch recht wenig Anwendung.

Eine Preisklasse gibt es im Krankenhaus ja auch. Eine sehr enge, für drei Mahlzeiten sind nicht einmal fünf Euro Budget vorhanden. Wie hast du in diesem begrenzten Spielraum mit deinem Team Freiräume gefunden, um gutes Essen anzubieten?

Man muss in das Potential der Mitarbeiter investieren. Stülpe ich einen Veränderungsprozess drüber, laufe ich gegen die Wand. Es braucht Vorlauf, Vertrauen und man muss die Fähigkeiten seiner Leute erkennen: Was kann ich mit ihnen möglich machen? Habe ich das festgestellt, geht es daran, mit den Geldern jeden Cent in sinnvollere Produkte zu investieren. Wie gestalte ich Einkauf mit vorhandenen Ressourcen, um möglichst sinnvolle Küche anzubieten? In der Havelhöhe durfte bei den Speisen das Wort „gesund“ auftauchen, und dann kann man eben ein Porridge mit Hafer in Bioqualität in einem der drei Mittagsmenüs anbieten – als herzhafte Lösung mit Spinat und Käse. Was übrigens verhältnismäßig günstig ist.

Wenn das Budget gedeckelt ist und man gesund kochen will: Wo kann man Kosten sinnvoll einsparen? Abfallreduktion?

Das ist sehr oft die größte Kostenschraube, die man drehen kann ist. Die Sache ist: Essen wird in öffentlichen Einrichtungen, in Krankenhäusern, in Flugzeugen, als optional wahrgenommen. Die meisten Menschen haben im Hinterkopf: Ist ja eh kein richtiges Essen, wenn man das wegschmeißt, ist es nicht schlimm. Man geht damit nicht um wie mit einem Nahrungsmittel. Es ist ja nicht so, dass diese Themen spurlos an den Betrieben vorüber gehen – alle wollen Abfall und Einweg eindämmen, nachhaltig agieren. Auf der einen Seite macht man sich Mühe, auf der anderen Seite aber ist das, was gemacht wird, oft Schwachsinn. Dann wird Recyclingverpackung genommen, statt den Leuten zu sagen: Bringt euren eigenen Becher mit, sonst gibt es keinen Kaffee. Oder die Tupperdose für Speisen zu Mitnehmen. Ja, das ist dogmatisch, aber innerhalb von zwei Tagen hat jeder sein Becherchen oder seine Box dabei. Man muss auch mal Ansagen machen.

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Auszeichnung: Beim ersten „Food Mover Award“ erhielt Patrick Wodni den Sonderpreis „Game Changer“. Foto: Dirk Mathesius / Berlin Food Week

Wie und wo fängt man an, Lebensmittelabfall einzusparen?

In der Spülküche. Einfach mal über bestimmten Zeitraum die Rückläufe aufteilen und wiegen. Was kommt auf dem Tablett zurück, was aus der Küche? Nach vier Wochen, wenn der Speiseplan durchgelaufen ist, kann ich genau sehen, woran es hapert. In Kindergärten wird viel Fisch weggeworfen. Oft wird Seelachs genommen, relativ günstig, aber was passiert? Viele Kinder essen den nicht gern, also geht viel in die Tonne. Nährwerte, wird argumentiert, seien das Wichtige – viele kochen nach DGE-Vorgaben. Aber es sind erst Nährwerte, wenn das Essen gegessen wird! Ich muss mir schon Gedanken machen, was meine Zielgruppe überhaupt essen will.

Was ist bei der Kinder-Zielgruppe eine gute Alternative?

Es gibt reichlich pflanzliche Alternativen. Es geht ja um Fettsäuren, die pflanzlichen Öle kann ich in Dressings und Dips verschwinden lassen, die Kinder sehr gerne essen. Mit Kartoffeln – geht immer.

Stichwort plant-based food: Wie bringt man das in die Kantinenwelt?

Immer nur auf praktischem Wege. Wenn ich ein Konzept vorstelle, begeistere ich nur die dafür, die sich eh schon dafür interessieren. Man darf gar nicht zu viele Worte darüber verlieren. Einfach in kleinen Schritten, einschleichend, auf die Karte bringen. Und Mitarbeiter begeistern, damit sie es gerne dem Gast vermitteln.

Wie kommt die Großküche an gute Lebensmittel ran? Durch kleine, regionale Erzeuger? Aufbau eines eigenen Netzwerks, wie hast du das gemacht?

Ja, aber es ist viel mehr Arbeit. Und allein wenn es um regionale Versorgung geht – das gibt die Landwirtschaft in ihrer derzeitigen Form ja gar nicht her. Ich hoffe auf Plattformen, die das bündeln. Im Grunde ist ein Großhändler nichts anderes. Warum sollte es das nicht auch für Produzenten und kleinteiliges Lebensmittelhandwerk geben? Das ist die einzige Lösung, um die Menschen, die sich darum bemühen, nicht mit noch mehr Arbeit zu bestrafen.

Wäre Eigenanbau auch interessant?

Für die alleinige Versorgung wäre es im gebrauchten Maßstab utopisch. Aber Kräuter lassen sich effizient setzen. Und praktisch alles, was grüne Blätter hat, alle Kohlsorten ohne Kopf. Es schafft einen anderen Bezug zum Werdegang des Produkts, wenn du es vom eigenen Dachgarten holst, nicht aus der Pappkiste aus Holland. Einen Bezug zu den Produkten, zu den Erzeugern, einen Austausch mit Menschen, die im Lebensmittelhandwerk arbeiten, den haben in Großküchen nur sehr wenige Köche.

Die Großküche, in der du jetzt bist, gehört zu einer Drogeriekette. Was ist anders als im Krankenhaus?

Es ist viel größer. Mein Team ist mit 30 Leuten doppelt so groß, wir versorgen 2.200 Mitarbeiter im Dreischicht-System, im Krankenhaus gab es nur eine Schicht. Das Unternehmen kann selbst entscheiden, wie viel Geld es fürs Essen ausgeben will. Es wollen auch viele Meinungen und Wünsche eingebracht werden, man muss zuhören und darf in so einer großen Struktur nicht zu viel Ego mitbringen. Nicht zu radikal rangehen, sonst wird man nicht mehr gehört.

Hast du als neuer Küchenleiter schon etwas verändern können?

Die Verkaufszahlen der vegetarischen Gerichte sind viel, viel höher als noch einem Jahr. Auch das ist im Team gemacht worden: Ich habe im Prinzip nur Gerichte mit Zubereitungshinweisen und Mengenangaben in den Raum gegeben. Was viel effektiver ist, als ein Rezept mit Arbeitsschritten auszuteilen.

Du klingst geduldig und gelassen. Aber du hast ja schon eine Vision – und sprichst über diese unter anderem auf Konferenzen und Symposien.

Ich mag die Vorstellung einer Landwirtschaft, die uns gewissermaßen diktiert, was es zu kochen gibt – nicht umgekehrt. Ich finde es schräg, dass ich Dinge 24/7 im Jahr anfordern kann, die um die halbe Welt geflogen werden, dass Nachfrage einen Markt erschafft und nicht das Angebot. Eine gravierende Fehlentwicklung, die wir als normal empfinden. Ich habe es satt, immer wieder sagen muss, man müsse sich nicht einschränken, um genießen zu können. Doch, wir müssen uns ganz gewaltig einschränken. Wenn wir fortbestehen wollen, müssen wir umdenken und intervenieren. Was aber nicht heißt, dass das Essen nicht mehr schmeckt. Nur: Es immer an andere abzugeben und zu sagen, der Handel soll sich was ausdenken, das zieht nicht. Der Handel stellt am Ende zur Verfügung, was gekauft wird. Es ist immer die Selbstverantwortung des Einzelnen.

Also auch des Kochs.

Ja, ich entscheide doch: Wie gehe ich mit meinem Beruf um? Ich habe einen bestimmten Weg gewählt, weil ich ihn für mich als sinnvoll erachte. Aber ich kann und will nicht jeden davon überzeugen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. 

Vielen Dank, Patrick.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fachzeitschrift Cooking + Cateringinside

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