Sternekoch Anthony Sarpong: „Planeten­konformität ist ein Ehrenkodex“

von Antje Urban
anthony sarpong - interviews-portraits, gastronomie, food-nomyblog Sternekoch Anthony Sarpong: „Planeten­konformität ist ein Ehrenkodex“

Foto: Olaf Barken / Bleibeschoen

Lässig, äußerst erfolgreich und trotzdem bodenständig geblieben: Der in Ghana geborene und Deutschland aufgewachsene Anthony Sarpong ist nicht nur ein talentierter Koch, sondern auch Buchautor und kulinarischer Botschafter der Gesellschaft für Prävention.

In Meerbusch bei Düsseldorf betreibt der ghanaisch-deutsche Koch Anthony Sarpong sein Restaurant Anthony’s Kitchen. Nachdem er 2018 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, brachte er kurz darauf sein Buch Sterneküche für alle heraus. Neben seinem Sternerestaurant ist er seit 2019 auch als Culinaric Director des Steigenberger Grandhotel & Spa, dem ehemaligen Gästehaus der Bundesregierung, verantwortlich. Als Botschafter der Gesellschaft für Prävention setzt er sich zudem für nachhaltige und bewusste Ernährung ein. Sein New-Dining-Konzept führt den Untertitel „planetenkonform“. Antje Urban hat sich mit ihm unterhalten.

Hallo Anthony, wo bist du während des erneuten Lockdowns gerade anzutreffen? Wie nutzt du die Zeit?

Welche Zeit? (lacht) Es ist die Zeit, sich neu zu erfinden und ich bin nach wie vor jeden Tag im Anthony’s. Wir arbeiten fast rund um die Uhr, damit wir die neuen Ziele auch erreichen, die dieses Szenario uns abverlangt. Alles läuft ja weiter, nur ohne anwesende Gäste im Restaurant, denn die werden jetzt von uns beliefert oder im Private-Cooking „becatert“.

In den letzten Monaten nach dem ersten Lockdown haben wir uns mit den nachhaltigen Möglichkeiten des ökologischen Transports unserer Speisen beschäftigt und die Kochboxen unserer A-BOX 2.0 neu erfunden. Mich ärgerte dieser Verpackungswahn, der die Ökobilanz der Speisen zermürbte. So suchten wir und entschieden uns ausschließlich für Materialien aus Naturprodukten, die sich selber nach einer gewissen Zeit im Recycling auflösen, wieder recyclebar sind oder wieder rückgeführt werden.

Es geht also, man muss nur wollen. Zudem arbeiten wir an einem neuen Buchprojekt mit meiner Tochter Asantewaa und in den kommenden Tagen geht mein gemeinnütziger Charity Verein www.anthonys.charity zur Entwicklung von Menschen und Ökonomie in Afrika online. Viel zu tun, doch ich habe trotz allem öfter Zeit für meine Familie, was mich sehr glücklich macht und stärkt.

Gibt es derzeit Zutaten oder Gerichte, die dich faszinieren oder mit denen du experimentierst?

Bei unserem New-Dining-Konzept arbeiteten wir ohnehin extrem bedacht auf nachhaltige und achtsame Ressourcen, aber wir experimentieren natürlich weiter. Mehr wird noch nicht verraten – es kommt aber bald etwas sehr Überraschendes. Die ersten Testkunden sind begeistert.

Und deine neue Position als kulinarischer Leiter im Steigenberger Grandhotel auf dem Petersberg – wie ist da der aktuelle Stand?

Der Petersberg und das Hotel dort sind meine Herzensangelegenheit, der Ort besitzt seit Konrad Adenauer eine eigene DNA. Man bat mich, dort die Küche neu zu entwickeln und das habe ich mit dem großartigen Team auf dem Berg, wie wir ihn nennen, vollzogen. Das Anthony’s dort als Kopie zu installieren, war nie die Aufgabe und das geht auch nicht. Dann müsste ich mich zudem klonen lassen (lacht).

Das Original ist in Meerbusch und beschreibt meine ganz eigene DNA. Trotzdem war ich so oft es ging dort, um Neues zu entwickeln, das dann in der Karte durch die Küchenchefs auf dem Berg umgesetzt wurde. Das wird auch so sein, wenn die Küche wieder öffnet. Auch, weil ich mich dort sehr willkommen und auch ein wenig daheim fühle, so mittendrin in Deutschlands geschichtsträchtigstem Haus. Da waren wir vor dem ersten Lockdown auf einem sehr guten kulinarischen Weg und durften unfassbar viele Gäste begrüßen. Diesen „Riesen“ so im Dornröschenschlaf zu sehen, ist schon merkwürdig, denn der Ort lebt ja durch seine Besucher.

Wie geht es da genau weiter, wenn wieder eröffnet wird?

Daran arbeiten wir gerade. Das einstige Kloster auf dem Berg wurde von Erzbischof Philipp von Heinsberg im 12. Jahrhundert erbaut, daran grenzte einst ein Kräutergarten. Mein Berater kommt auch aus Heinsberg und es entstand die Idee, diesen Garten wieder zu reaktiveren, um daraus Produkte für die neue Küche auf dem Berg zu ernten.

Diese Idee wird 2021 unter der Schirmherrschaft des Landrates im Rhein-Sieg-Kreis und vieler helfender Hände der Gesellschaft für Prävention Realität. Es entsteht nicht nur eine Vorratskammer für den Berg, sondern auch ein Lehrgarten und Kräuterpfad für Schulungszwecke sowie ein Spiel für Kinder, das sich mit Gesunderhaltung durch Kräuter und Naturprodukten beschäftigt.

Stichwort Gesellschaft für Prävention: Du bist seit letztem Jahr wissenschaftlicher Beirat und kulinarischer Botschafter. Warum und wie engagierst du dich da?

Eine große Ehre. Gesundheit ist speziell im Leistungssport essentiell und die Sporthochschulen sind Teil der Gesellschaft für Prävention. Menschen genussvoll zu schützen ist doch schöner, als Reparaturen durchzuführen, die im Zweifel daneben gehen. Aber auch das Heilen geht gesund ernährt besser und schneller. Das muss auch in den Krankenhäusern unbedingt neu entdeckt werden. Denn für durchschnittlich 3,36 Euro pro Patient am Tag zur Ernährung bleibt es ein Krankenhaus, anstatt ein Zentrum der Gesundheit zu werden.

Gesunde Ernährung war von Anfang an auch ein wichtiger Teil meiner Küche. Ich möchte ja, dass meine Gäste gesund wiederkommen – das ist meine Philosophie. Darum nahm ich das Mandat an. Ich berate dort Sportler und Schulen in Sachen Prävention für dauerhafte Lebensqualität durch bessere Ernährung, in Zusammenarbeit mit dem Profi-Fußballer und Berater der Bundesliga, Assimiou Touré. Wir gründen dafür außerdem gerade eine neue Gastronomie-Task-Force der Prävention, weil sich die Gastronomie nach dem aktuellen Szenario neu aufstellen muss, um mit Freude am Handwerk zu überleben. Das Handwerk spielt darin eine wichtige Rolle.

Dein New-Dining-Konzept nennst du „planetenkonform“. Das klingt schon mal super, aber was genau steht dahinter und welche Produkte kommen da zum Einsatz?

Planetenkonformität ist ein Ehrenkodex: Glückliche Menschen produzieren, dienen und handeln gemeinsam in respektvollem und nachhaltigem Einklang mit Flora, Fauna und Planet für ein gutes Jetzt und eine sichere Zukunft folgender Generationen. Dem fühlen wir uns verpflichtet. Noch vor 134 Jahren teilten die wichtigsten europäischen Staaten Afrika auf, ohne sich respektvoll mit den Menschen Afrikas im Einklang zu verbünden und um eine gemeinsame Zukunft zu erschaffen. Stattdessen folgte etwas anderes. Das möchte ich heute mit dem Anthony’s Charity e.V. besser machen und aufzeigen, dass es geht, wenn man Menschen respektiert. Man muss ja nicht alle heiraten, aber respektieren schon!

Auf der anderen Seite ist Planetenkonformität ein Gütesiegel für Hersteller und Dienstleister, das definiert, dass Mitarbeiter glücklich sind und diese positive Energie in Dienstleistungen und Produkten wahrnehmbar ist. Dinge zu konsumieren für die andere leiden mussten und Entbehrungen ertrugen, um Wertvolles billiger zu machen, hält niemanden gesund und schon gar nicht glücklich. Daher ist nicht der Preis das Primäre, sondern stets der Inhalt. Das haben wir Deutschen in letzter Zeit oft vergessen und bereuen das immer öfter. Denn der Verzicht wäre ja auch eine Option, anstatt zu Billigerem zu greifen, nur um es zu haben oder zu konsumieren. Wir bieten Mehrwertprodukte rund um dieses Thema an.

Warum ist bewusste Ernährung wichtig für dich und deine Gäste? Geht es in einem Sterne-Restaurant nicht vornehmlich um Genuss, Kompositionen und ein klein wenig Show?

Es geht um Lebensqualität, die Lebensfreude stiftet durch Gesundheit. Wer zu uns kommt, sucht genau das und redet gut darüber, wenn er oder sie oder es das verstanden haben. Eine Show zu fühlen, ist sehr individuell und kann auch erlebt werden, wenn man Pasta kocht. Der Michelin-Stern ist ein Gütesiegel für dauerhafte Qualität auf definiertem Niveau. Das könnte ich auch mit geilen hausgemachten Pommes und Sößchen erreichen, wie man weiß. Daher ist der Stern ein Ausdruck eines gehaltenen Niveaus und weniger ein Showact, auch wenn sich das für meine Kochschüler so anfühlt, wenn sie zuschauen wie ich einen Fisch zerlege. Können sie es dann, weicht die Show automatisch dem Handwerk.

Ihr backt sogar euer Brot selbst

Wir sind Entwickler! Das was uns geboten wurde, war uns irgendwann zu langweilig und verdauungstechnisch fragwürdig. Es muss auch zu unseren wohl durchdachten Speisen passen. Da nur ein unlustiges Baguette mit Kräuterbutter einer bekannten Marke zu reichen, würde unser Konzept entweihen. Das haben wir optimiert und durften dank unseres Freundes und Bäckermeisters Hannes Dackweiler, der Hercules Vollkorn-Bäckerei in Düsseldorf, auch dort eine Entwicklung vollziehen.

Was würdest du angehenden Köchen oder auch Kollegen hinsichtlich nachhaltiger und bewusster Ernährung empfehlen?

Neugierig bleiben und offen für Innovationen. Besser geht immer und unsere Spezies hat überlebt, weil wir genau das immer waren und sind. Zudem ist und wird das Handwerk im Lebensmittelsektor auch in den kommenden Generationen das zentrale Medium, in denen sich Karrieren gestalten lassen. Menschen vertrauen uns ihre Gesundheit und am Ende ihr Leben an. Das ist eine ehrbare Verantwortung und große Herausforderung zugleich.

Ist das auch Thema in Deiner Kochschule?

Absolut. Ich schule ja nicht nur Hobbyköche und Lover, die ihrer Süßen etwas Verheißungsvolles kredenzen wollen. Zu mir kommen auch Profiköche aus der ganzen Welt, um Ganzheitliches zu erlernen, von der Betriebsführung, Zubereitung bis zum Gäste-Management.

Vielen Dank Anthony, wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und einen guten Neustart in Meerbusch und in Bonn.

Das können wir brauchen und wir freuen uns auf euch!

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