Ariel Schiff, Berlin: „Gastronomie übt eine große Anziehungskraft auf mich aus“

Der Gründer und Geschäftsführer der Amano Group im Portrait

von Jan-Peter Wulf
03 Ariel Schiff Geschäftsführer AMANO Group Ben Fuchs 1 - interviews-portraits, management, gastronomie Ariel Schiff, Berlin: „Gastronomie übt eine große Anziehungskraft auf mich aus“

Ariel Schiff. Foto: Ben Fuchs

 

Mit seiner „Amano“-Hotelgruppe ist Ariel Schiff mächtig auf Expansionskurs. Im Spätsommer 2021 eröffneten zwei weitere Häuser in Berlin, dann in London und die nächsten in Leipzig, Hamburg und München sind bereits in der Vorbereitung. Kurs gen Kette? Mitnichten, Individualität und vor allem der Fokus auf lässige, auch die Locals lockende Gastronomie sind weiterhin Baustein und Erfolgsfaktor.

Im frisch eröffneten Hotel Romy am Berliner Hauptbahnhof, kurz darauf folgte das Amano East Side am Ostbahnhof, wird (zum Zeitpunkt des Interviews im August 2021, Anm. d. Red.) noch geräumt und geputzt. Die Gastronomie, das israelisch-mexikanische Restaurant „Amigo Cohen“, ist beim Interviewtermin noch nicht ganz fertig. Den Gastraum werde noch mal umgestaltet, erklärt Ariel Schiff, die brauche noch Atmosphäre. Die angrenzende Bar sieht eigentlich schon super aus. Aber der durchsichtige Vorhang hin zur Rezeption gefällt Schiff nicht. Da müsse ein opaker hin, erklärt er. Bar braucht besonderes Licht. „Das ist total wichtig, damit sie funktioniert.“ Er habe schon ganze Tresen vor der Eröffnung wieder wegreißen und an eine andere Stelle setzen lassen, wenn das Barkonzept aus seiner Sicht nicht aufging. Schließlich soll auch diese Bar aus der „Amano“-Welt keine gängige Hotelbar sein, die „Absackerbar“ alter Schule, sondern ein Anlaufpunkt auch für Nicht-Hotelgäste. Das gilt natürlich auch für das Restaurant.

Die Anti-Hotelbar

2021 könnte man nun schulterzuckend sagen: Logisch, dass die Gastronomie im Hotel auch Einheimische ziehen soll. Doch 2009, faktisch nicht lange, doch gefühlt sehr lange her, sah das ganz anders aus. Da eröffnete Schiff zusammen mit seinem Geschäftspartner Artur Süsskind in der Auguststraße in Berlin-Mitte das erste Amano-Hotel und mit ihm die „Amano Bar“. Dass er ein Hotel mit einer coolen Bar eröffnen würde, habe er seinen Freunden und Bekannten damals stolz erzählt, erzählt er. Die Antwort, die er erhielt: „Ja klar, wir kommen mal vorbei. Aber nicht regelmäßig. Wir gehen nicht in Hotelbars.“

18 AMANO Bar Stjepan Sedlar 1 - interviews-portraits, management, gastronomie Ariel Schiff, Berlin: „Gastronomie übt eine große Anziehungskraft auf mich aus“

Die Amano Bar. Foto: Stjepan Sedlar

Die Freunde und Bekannten kamen dann doch öfter, denn die Bar wurde schnell zu einem der angesagtesten Anlaufpunkte der Stadt. Fast mehr Club als Bar, es gab DJs, man arbeitete mit lokalen Veranstalter-Crews zusammen, auf Lautstärkebeschwerden der Hotelgäste wurde eher mit einem Nachlass auf die Zimmerrate als mit dem Runterdrehen der Regler reagiert. „An der Bar hat nicht einer gearbeitet, der zuvor im Hotelbereich tätig war“, so Schiff. Das Team durfte sich anziehen, wie es wollte. Die Drinks waren auf Höhe der Barkultur. 2012 erhielt die „Amano Bar“ gleich zwei „Mixology Bar Awards“, nämlich für die Hotelbar und für das Barteam des Jahres. Die Anbindung an die Stadt hat man bis heute gehalten. Als das hippe israelische Gastropub-Konzept „Yafo“ von Shani Ahiel Ende 2020 aus seiner Location raus gehen musste, fand es als Pop-up im „Amano Hotel“ eine temporäre neue Heimat. Mittlerweile hat in der Fläche das hoteleigene Restaurant Habeit Shel Amano eröffnet.

Im elterlichen Nightclub aufgewachsen

Die Leidenschaft für die Bar, das Clubbige und die Gastronomie erklärt sich aus Schiffs Biografie: Der Mann ist praktisch in einer Diskothek aufgewachsen. Geboren in Berlin, zog er mit seinen Eltern schon als Kleinkind ins südspanische Marbella. Dort betrieben seine Eltern den Nightclub „Metro“. Der Sohn durfte lange aufbleiben, hielt sich am liebsten beim DJ auf, ging mit seinen Eltern viel auswärts essen und wurde in Bars einfach mitgenommen: „Für mich waren Dinge selbstverständlich, mit denen sich andere viel später beschäftigen.“ 

Dies endete jäh, als sein Vater plötzlich verstarb, als Ariel gerade ins Teenager-Alter gekommen war. Mit der Mutter ging er zurück nach Berlin, machte sein Abi im zweiten Anlauf („ich war ein brutal schlechter Schüler“) und absolvierte dann die Ausbildung zum Hotelfachmann im „Steigenberger“, damals eines der ersten Häuser der Stadt und als Ausbildungsort heiß begehrt. Schiff: „Als Azubi war ich super.“ Er durfte, ungewöhnlich für einen Lehrling, sogar den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker bedienen, an der Kasse arbeiten – und erhoffte sich eine große Karriere mit Ziel Hoteldirektor. Als ihm jedoch nach bestandener Prüfung nur eine Stelle an der Rezeption angeboten wurde, machte er sich enttäuscht aus dem Staub.

Er studierte BWL und Immobilienmanagement und wurde Mitarbeiter von Artur Süsskind, nebenbei betrieb er sein eigenes Büro. Es sah nicht so aus, als würde er mit der Hotellerie noch einmal abseits der Vermietung von Flächen zu tun haben. Als jedoch Ende der 1990er-Jahre ein Hotel in Neumünster in Konkurs ging und man keinen Nachmieter fand, fragte ihn Süsskind, ob er das als gelernter Hotelfachmann nicht selbst leiten wolle. Gefragt, getan, und es funktionierte. Ebenso 2002 in Düsseldorf, wenngleich mit deutlich mehr Anlaufschwierigkeiten, erinnert sich Schiff.

„Das steife Hotel war komplett weg“

Waren Neumünster und Düsseldorf noch nicht besonders gastronomisch geprägt, änderte sich das 2009 mit dem „Amano“ in der Auguststraße in Berlin. Inspiration für das gastronomiefokussierte Konzept waren Schiffs Besuche im „Hudson“ in New York. Er habe sich immer gefreut, abends dorthin zurück zu kehren, um in die Bar zu gehen. In New York, einer mit Bars reichlich gesegneten Stadt, zurück in die Hotelbar? Aber ja: „Alle waren so hübsch, so cool angezogen, keine Uniformen. Kerzen überall. Die Zimmer? Winzig, aber das war total egal. Das steife Hotel war hier komplett weg.“ Und diesen Spirit übernahm man „einfach“. Ins Mani in der Torstraße, das 2012 folgte, baute Schiff keine Bar, dafür ein israelisches Restaurant. Levante-Küche, heute überall, war seinerzeit in Berlin praktisch nicht existent. 

12 MANI Restaurant Attila Hartwig 1 - interviews-portraits, management, gastronomie Ariel Schiff, Berlin: „Gastronomie übt eine große Anziehungskraft auf mich aus“

Restaurant Mani. Foto: Attila Hartwig

17 AMO by AMANO JOSEPH Restaurant Total Sebastian Heil 1 - interviews-portraits, management, gastronomie Ariel Schiff, Berlin: „Gastronomie übt eine große Anziehungskraft auf mich aus“

Levante-Küche: Joseph, Hotel Amo by Amano. Foto: Sebastian Heil

Trendgespür bewies er auch am Nordende der Friedrichstraße, lange bevor dort 2019 das Amo und mit ihm das Restaurant eröffnen würde, landete Schiff gleich zwei Treffer: im Hinterhof 2012 die erste Gin-Tonic-Bar des Landes und zur Straße hin das italoamerikanische Club-Restaurant Rocco & Sanny. Mit dem Club „Dean“ gegenüber vom ersten Hotel ging es für ihn 2013 zurück zu den Wurzeln. Die Location heißt mittlerweile 9Roses heißt.

Standalone-Gastronomie, Bars und Restaurants, losgelöst von den Hotels, seien in der weiteren Expansion jedoch nicht vorgesehen, so Schiff: „Gebündelt ist es viel leichter, Personal zu verschieben, vom Lunch zur Bar und zurück. Das Konstrukt Hotel hilft dir sehr für die Gastronomie.“ Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Hotel-Backoffice-Bereich schätzen die Abwechslung. Dass ein Sales Manager im Service mitarbeitet, wenn gerade eine große Veranstaltung läuft, oder der Verantwortliche für die Gruppenreservierung am Wochenende hinter der Bar mixt – nicht ungewöhnlich.

„Ich habe einen strategischen Fehler gemacht“

Flexibel sein muss man in der „Amano Group“ nun ohnehin mehr denn je. Denn natürlich ist Corona auch nicht spurlos an der Gruppe vorbei gegangen. Zwar nehmen die Buchungen wieder kräftig Fahrt auf, vor allem im touristisch-individuellen Bereich, doch die Personalsituation sei „sehr schwierig“, so Schiff. 250 Mitarbeitende hat man, es müssten aber weit mehr sein. Dass man so viel Wert auf Gastronomie legt, mache es nicht gerade leichter.

44 AMANO Grand Central Rooftop Bar Jens Bösenberg 1 - interviews-portraits, management, gastronomie Ariel Schiff, Berlin: „Gastronomie übt eine große Anziehungskraft auf mich aus“

Rooftop des Amano Grand Central. Foto: Jens Bösenberg

15 AMANO Covent Garden Bar 1 - interviews-portraits, management, gastronomie Ariel Schiff, Berlin: „Gastronomie übt eine große Anziehungskraft auf mich aus“

Die Bar im neuen Amano Convent Garden. Foto: Unternehmen

„Ich habe da einen strategischen Fehler gemacht“, gibt er offen zu. „Ich habe viel zu simpel gedacht, dass der Arbeitsmarkt relativ entspannt sein würde, wenn die Krise halbwegs überstanden ist. Und hatte nicht auf dem Schirm, dass viele Leute in anderen Branchen untergekommen sind.“ Er versuche nun, Mitarbeiter verstärkt aus dem Ausland zu rekrutieren. Der Flug wird bezahlt, eine Wohnung oder ein Zimmer in einem seiner Hotels für zwei, drei Monate gestellt. „Wir sagen den Leuten: Kommt nach Berlin, schaut es euch an, ob es euch gefällt“, erklärt Schiff.

Das gehe, weil die Gastronomie seiner Häuser „eher casual“ ist und keine perfekt ausgebildeten Fachkräfte benötige, sondern der Quereinstieg problemlos möglich ist: „Ich suche Leute, die einen freundlichen, lockeren Umgangston haben und habe immer schon gerne mit Charaktertypen gearbeitet. Sie müssen den Wein nicht bis ins Detail erklären können, es ist besser, wenn sie Tanzqualitäten haben“, fügt er lachend hinzu. Und auch, wenn die „Amano Group“ schon bald eine zweistellige Zahl an Häusern haben wird: Genau das macht den Unterschied gegenüber den, wie es in der Hotellerie so unschön heißt, „Produkten“ der Ketten aus. 

Amano Group: Eröffnungen
2009 Hotel Amano
2012 Hotel Mani
2015 Amano Grand Central
2016 Hotel Zoe by Amano und Amano Home Apartments
2019 Hotel Mio by Amano und Hotel Amo
2021 Romy by Amano und Amano East Side
2022 London, später Leipzig, Hamburg (drei Standorte) und München
www.amanogroup.de

Dieser Beitrag erschien zuerst in fizzz 11/2021.

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