Brot als Statement in der Spitzengastronomie

Selbstbacken oder Zukaufen?

von Antje Urban
crystal jo MR2F Vplwyw unsplash 1 - gastronomie, food-nomyblog Brot als Statement in der Spitzengastronomie

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Gutes Brot hat seinen festen Platz in der gehobenen Gastronomie. Es ist nicht nur Visitenkarte, sondern verkörpert die Wertschätzung des Gastes. Selbstbacken contra Zukauf anhand von Beispielen aus der Praxis.

In Deutschland genießt Brot seit je her einen hohen Stellenwert. Schließlich gibt es mittlerweile hierzulande 3.163 anerkannte Brotsorten und das deutsche Bäckerhandwerk zählt als von der UNESCO gekürtes immaterielles Kulturerbe. „Der Brotkorb zu Beginn ist die Visitenkarte eines Restaurants und der Gast merkt sofort, ob er hier Qualität angeboten bekommt oder mit schlecht aufgebackenen Billigbaguettes abgespeist wird. Gute Gastronomen wissen um diesen Wert und bieten besondere Qualitäten, die sich abheben“, weiß Bernd Kütscher von der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk.

„Mit dem ersten Bissen erfährt man, wie ernst es einem Gastronomen ist. Das muss schon begeistern, bevor alles andere folgt“, meint auch Sternekoch Anthony Sarpong. In seinem Restaurant Anthony’s Kitchen in Meerbusch bei Düsseldorf gehört die Darreichung von Brot zum ganzheitlichem New Dining-Konzept und stellt einen wichtigen Punkt in der Speisefolge dar.  In der Mühle am Schluchsee hat der 27-jährige Niclas Nussbaumer vor Kurzem das Ruder übernommen. Er backt hingegen selbst und zelebriert das Anschneiden des rund zweieinhalb Kilo großen Dinkel-Sauerteigbrots direkt im Gastraum. Selbstgebackenes Brot sei für ihn wichtiger Bestandteil seiner Qualitätsküche. 

Auch wenn nicht selbst gebacken wird, ist in der Spitzengastronomie der Anspruch hoch. So lassen sich viele Köch*innen und Gastronom*innen  ihre Backwaren von prominenten Bäckern quer durch Deutschland liefern. Bäckermeister Jochen Gaues aus Hamburg kann sich damit rühmen, in den letzten 31 Jahren allein fünf von neun 3-Sterne-Köche beliefert zu haben. Seine Brote versendet er fertig gebacken und vakuumiert im Fleischerbeutel per Paketdienst. Vor Ort werden sie dann nochmals kurz aufgebacken. „Elverfeld, Fehling, Schubeck, Herrmann oder Erfort – sie alle haben meine Brote bestellt. Aber der Wareneinsatz ist so immer noch günstiger. Schließlich ist das kostspielige die Arbeitszeit“, sagt Gaues.

Was seine Brote ausmachten, sei die Summe der Kleinigkeiten, er nutze keine Rezeptbücher, sondern seine Brot lebten von seiner langen Erfahrung. Die Branche erlebt schon seit einigen Jahren eine Aufwertung. Statt Backautomaten und vorgefertigte Teigstücke, wird das Handwerk in den Mittelpunkt gestellt und so zur Brotkunst erhoben.

Auch Peter Kapp, Bäcker aus Edingen-Neckarhausen hat 2004 seine Philosophie dahingehend geändert und nennt sich seitdem Artisan boulangier, was für „handwerklicher Bäcker“ steht. Auch er beliefert als erfahrener Partner der Gastronomie nach eigenen Angaben allein acht Sterne-Restaurants. „Ohne Kompromisse“ ist sein Leitmotiv. Die Qualität der Zutaten seien entscheidend sowie eine langsame, zeitaufwendige Verarbeitung derselben ein Muss.   

Handwerk bedeutet kostenintensive Arbeitszeit

Mehl, Wasser und Salz – mehr braucht es eigentlich nicht für ein gutes Brot. Doch hinzu kommen eben die Faktoren Kenntnis, Verständnis und viel Zeit. Aspekte, die nur die wenigsten Köche in ihre Küchenpraxis einbauen können. Das sieht auch Dominik Paul so, Küchenchef im Opus V in Mannheim: „Das Backen von Brot ist eine aufwendige Handwerksarbeit, die sehr viel Zeit und Platz in Anspruch nimmt. Daher können wir mit unserer Arbeitskraft und unserem Arbeitsplatz dies leider nicht abdecken.“

Aufgetischt wird im 2-Sterne-Restaurant Brot daher vom Mannheimer Bäcker Brot & Salz, der auf eine lange Teigführung setzt und nachhaltig arbeitet: „Wir reichen Brot vom Amuse bis zum Hauptgang. Wir legen genauso viel Wert auf das Brot wie auf unser eigenes Essen.“ Anthony Sarpong ebenso wie Niclas Nussbaumer backen ihre Brote indessen selbst. Für den ghanaisch-deutschen Koch und Buchautor Sarpong hat sein Interesse am Brot der Bäckermeister Hannes Dackweiler aus Düsseldorf geweckt, als er ihm ein Brot brachte, welches er eigens für ihn kreiert hatte. „Ich war überwältigt und belegte mit meinen Mitarbeitern sofort einen Intensiv-Kurs bei ihm. Seitdem beziehen wir seine Mehlqualitäten, die für uns gemahlen werden und backen selbst auf hohem Niveau jeden Tag frisch.“

Hierbei steht die Wirtschaftlichkeit nicht im Vordergrund, sondern vielmehr die Philosophie der Küche. Sarpong: „Bei Brot als Grundnahrungsmittel darf man nie allein von Wirtschaftlichkeit sprechen, ohne die Gesundheit zu erwähnen. Ein niedriger Preis sollte nicht wichtiger sein als eine gesunde Darmtätigkeit und ein gesundes Hautbild.“ Brot und Brötchen stehen im Verruf Magen- und Darmprobleme zu verursachen. Ein Grund dafür ist in zu schnell verarbeitetem Teig zu sehen. Denn nur bei langer Teigruhe, enthält dieser weniger sogenannte kurzkettige Zuckermoleküle, die für Unverträglichkeit sorgen können. Viele Hersteller reichern indessen den Teig sogar mit Zutaten an, um den Backvorgang zu beschleunigen. 

Selbstgebackenes Brot als Philosophie

In der Mühle hat Niclas Nussbaumer vor dem Restart der Gastronomie lange am perfekten Brot gearbeitet: „Zum Glück komme ich aus einer Bäckerfamilie, aber Brotbacken in einem älteren Kombi-Dämpfer ist dennoch eine Herausforderung. Wir backen jetzt einmal am Tag ein großes Brot, das für den ganzen Abend reicht.“ Am Vorabend beginne er bereits mit der Teigführung, dann wird der Teig am nächsten Tag nochmals aufgearbeitet und schließlich am Nachmittag gebacken. „Dies kann durchaus eine Möglichkeit sein, um sich abzuheben, eine ordentliche Qualität vorausgesetzt.

Doch billiger ist dies garantiert nicht, sofern der Koch die eigene Zeit kalkuliert. Brot ist nach wie vor ein sehr günstiges Lebensmittel und selbst das teuerste Brot vom besten Bäcker kostet umgerechnet selten mehr als 20 bis 30 Cent pro Scheibe. Bei den halben Scheiben im Brotkorb sogar nur die Hälfte“, argumentiert Bernd Kütscher vom Brotinstitut. Es gilt daher zu überlegen, ob das Küchenpersonal den zusätzlichen Aufwand, den selbst gebackenes Brot mit sich bringt, bewerkstelligen kann.

Sollte das Brot zugekauft werden, empfiehlt sich, den ausgewählten Bäcker auf seine Philosophie hin zu prüfen. Dabei behilflich sein kann einer der 115 Brot-Sommeliers, die die Bundesakademie in Weinheim mittlerweile ausgebildet hat. „Viele Gastronomen nennen auch den Bäcker und betonen damit ihr Bewusstsein für regionale Kreisläufe, was immer mehr Kunden wichtig ist. Mein Tipp wäre daher, eine Visitenkarte des Bäckers zum Brot zu legen. Damit ist die eigene Philosophie automatisch Tischgespräch“, so Kütscher. 

Tipps für handwerkliches Brot in der Gastronomie:

  • Zweitklassiges Backwerk kostet im Einkauf unwesentlich weniger als Qualität aus einem Meisterbetrieb.
  • Industrieware hat meist eine verkürzte Reifezeit und ist daher weniger bekömmlich.
  • Weniger ist mehr: Lieber weniger, aber dafür besonderes Brot reichen. So ist Brot nur Auftakt und ersetzt nicht die Vorspeise. 
  • Setzten Sie hochwertiges Brot entsprechend in Szene mit selbst hergestellten Dips, in ausgefallenen Brotkörben oder als Bestandteil des Menüs.
  • Promoten Sie Ihren Bäcker des Vertrauens mit einem Namenskärtchen im Brotkorb.
  • Sauerteige selbst herstellen ist komplex, daher beim Selbstbacken zunächst mit einfacherem Hefegebäck wie Focaccia oder Brioche anfangen.
  • Vorab prüfen, in wiefern der normale Gastronomie-Ofen fürs Brotbacken geeignet ist. 

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