José Avillez, Lissabon: „Wir haben in einem Jahr so viel verloren, wie wir in fünf Jahren davor verdient haben“

von Laura Klingenberg
jose avillez - interviews-portraits, gastronomie José Avillez, Lissabon: „Wir haben in einem Jahr so viel verloren, wie wir in fünf Jahren davor verdient haben“

Fotos: Grupo José Avillez

Es scheint, als hätten wir die Corona-Krise endlich überstanden. In Berlin dürfen Gaststätten nun endlich wieder unter Einhaltung strenger Hygienevorgaben öffnen. Dennoch hat die Pandemie bei den Gastwirt*innen und Hoteliers in Deutschland ihre Spuren hinterlassen. Doch wie geht es den Kolleg*innen in Europa?

Unsere Autorin Laura Klingenberg hat sich in Lissabon – erneut nach 2017 – mit Zwei-Sternekoch José Avillez getroffen. und mit ihm über die Lage der Gastronomie in Portugal getroffen. Avillez musste aus finanziellen Gründen von sechs Restaurants und 250 Mitarbeitern Abschied nehmen – einige davon konnte er nun aber wieder einstellen. Ein Gespräch über staatliche Corona-Hilfen und wie der Gastronom sein Unternehmen strukturell verändern musste, um zu überleben. Zudem zeigt er uns Möglichkeiten auf, wie die Gastronomie gestärkt aus der Krise hervorgehen könnte.

Hallo Jose, wie geht es dir denn und wie verlief Corona für die Gastronomie in Lissabon und für deine Restaurants?

Eigentlich geht es mir sehr gut. Ich bin sehr froh, dass wir seit dem 20. April alle Restaurants wieder offen haben. Aber ich bin immer noch vorsichtig und ängstlich gegenüber der Zukunft. Wir mussten letztes Jahr von März bis Mai unsere Restaurants komplett schließen. Ab Mai bis Dezember durften wir nur mit sehr strengen Auflagen öffnen. Dieses Jahr mussten wir dann im Januar wieder komplett schließen. Insgesamt haben wir ungefähr sieben Monate an Umsatz verloren und mussten durch Corona sechs unserer Restaurants für immer schließen.

Wie hart hat Corona die gesamte Gastronomie in Portugal und Lissabon getroffen?

In Portugal haben fast 60 Prozent der Restaurants zumachen müssen. Aber welche Restaurants am Ende insolvent gegangen sind, kann man erst zum Jahresende hin sagen. Unser Außer-Haus-Geschäft deckte nur 30 Prozent unserer Gesamtkosten. Im Grunde genommen haben wir finanziell in einem Jahr so viel verloren, wie wir in den letzten fünf Jahren vor Corona verdient haben.

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Blicke ins „Belcanto“

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Habt ihr staatliche Hilfen in Portugal bekommen?

Die Regierung gab uns 20 Prozent unserer Umsatzeinbußen zurück. Was natürlich nicht viel ist, wenn man bedenkt dass wir in einigen Monaten 100 Prozent verloren haben. Außerdem zahlte die Regierung 80 Prozent der Löhne und 20 Prozent unserer Mieten für sechs Monate insgesamt.

Wie hat sich Corona auf deine Restaurants ausgewirkt? Was hat sich verändert?

Natürlich mussten wir umdenken und nutzten die Zeit unser Geschäft umzustrukturieren. Ich musste von vielen Mitarbeitern Abschied nehmen, mit denen ich in der Vergangenheit sehr gut zusammengearbeitet hatte. Von den 250 Mitarbeitern, die gehen mussten, konnte ich 40 wieder einstellen.

Unsere Bar „Mini Bar” in Lissabon verlegten wir in unser 1.000 Quadratmeter großes Gastronomieareal „Bairro do Avillez”, genauer gesagt ins „Beco Caberet Gourmet“. Dort spielen nun auch häufig Live-Bands. Außerdem werden wir neben unserem Sterne-Restaurant „Belcanto” das neue Fine-Dining-Restaurant „Encanto” ab September eröffnen, in dem vermehrt vegetarische Gerichte angeboten werden. Als positiver Effekt konnte ich durch Corona mehr Zeit mit meiner Familie, besonders mit meinen Kindern, verbringen.

Denkst du, dass Portugal die Krise überwunden hat?

Leider gehen die Zahlen durch die Öffnung für den Tourismus wieder hoch. Die Menschen müssen 72 Stunden vor Abreise einen Test machen, dann steigen sie in ein Flugzeug mit vielen weiteren Passagieren und kommen nach Portugal. In Portugal selbst müssen die Touristen keinen Test mehr machen. Man sagt, dass 35 Prozent der Infektionen über den Tourismus ins Land gekommen ist. Unser Impfsystem ist aber sehr gut und so können wir stolz sein, dass Portugal was die Infektionszahlen angeht als zweitbestes Land in Europa dasteht. Es sieht dennoch so aus, als ob es bald neue Einschränkungen für die Gastronomie in Lissabon geben wird.

Wie gehts jetzt weiter? Welche Zukunftspläne hast du?

Solange wir unsere Restaurants geöffnet haben dürfen, ist alles gut. Sobald wieder neue staatliche ́Restriktionen kommen, könnte es für uns sehr böse enden. Wir planen in den nächsten Monaten 50 neue Mitarbeiter einzustellen. Unsere Karte ist komplett neu und wir versuchen in Zukunft noch besser zu werden. Die Menschen wollen wieder in Restaurants gehen und wir wollen ihnen die beste Qualität und den besten Service anbieten. Zusätzlich soll mein Team glücklich und motiviert sein.

Meiner Meinung nach ist das die Einstellung, die wir brauchen, um unsere Industrie am Leben zu erhalten. Letzte Woche war ein Tester von Michelin im Haus. Wir sind sehr glücklich mit unseren zwei Sternen fürs „Belcanto” und hoffen diese halten zu können. Ein dritter Stern wäre natürlich sehr schön und ein schönes Zeichen nach den Anstrengungen während Corona.

Vielen Dank und viel Erfolg für die Zukunft.

www.joseavillez.pt/en

Englische Version:

It seems like we finally got over the corona crisis. In Berlin, restaurants are finally allowed to open again in compliance with strict hygiene regulations. Nevertheless, the pandemic has left its mark on the gastronomy in Germany. But how are our colleagues in Europe? Our author Laura Klingenberg spoke to two-star chef José Avillez in Lisbon about the situation of restaurants in Portugal. Avillez too had to say goodbye to six restaurants and almost 250 employees (but could re-employ 40 of them). He spoke to us about state aid for corona and how he had to structurally change his company. He also shows us ways in which the industry could emerge stronger from the crisis.

Hi Jose, how are you and how did Covid go for gastronomy in Lisbon and for your restaurants?

Actually I am very good. I am very happy that all restaurants have been open again since April 20th. But I am still cautious of the future. We had to close our restaurants completely from March to May last year. From May to December we were only allowed to open under very strict conditions. This year we had to close completely again in January. Overall, we lost about seven months in sales and had to close six of our restaurants for good due to Covid.

How hard has Corona hit the gastronomy in Portugal and Lisbon?

I would say about 60% of restaurants in had to close in Portugal. But which restaurants went bankrupt in the end cannot be said until the end of the year. Our out-of-home business only covered 30% of our total costs. Basically, we lost as much financially in one year as we made in the last five years before Corona.

Did you get government aid in Portugal?

The government gave us back 20% of our lost sales. Which is of course not much when you consider that in a few months we lost 100%. The government also paid 80% of our wages and 20% of our rents for six months in total.

How has Corona affected your restaurants? What has changed?

Of course we had to rethink and use the time to restructure our business. I had to say goodbye to many employees with whom I had worked very well in the past. Of the 250 employees who had to leave, I was able to hire 40 again. We moved our bar „Mini Bar“ in Lisbon to our 1.000 square meters gastronomic area „Bairro do Avillez”, more precisely to the Caberet. Live bands now often play there, too. In addition to our star-rated restaurant „Belcanto”, we will also be opening the new fine-dining restaurant „Encanto” in September which will increasingly offer vegetarian dishes. As a positive effect, Corona enabled me to spend more time with my family, especially with my children.

Do you think Portugal got over the crisis?

Unfortunately, the numbers are going up again due to the opening up to tourism. People have to take a test 72 hours prior to departure, then get on a plane with many more passengers and come to Portugal. In Portugal itself, tourists no longer have to take a test after the arrival. It is said that 35% of infections came into the country through tourism. However, our vaccination system is very good and so we can be proud that Portugal is the second best country in Europe in terms of infection rates. Still, it looks like there will soon be new restrictions on gastronomy in Lisbon.

What’s next, what are your future plans?

As long as we are allowed to have our restaurants open, everything is fine. As soon as there are new state restrictions, it could end very badly for us. We plan to hire 50 new employees in the next few months. Our card is completely new and we will try to become even better in the future. People want to go to restaurants again and we want to offer them the best quality and service. In addition, my team should stay happy and motivated. In my opinion this is the attitude we need to keep our industry going. I think one of the Michelin tester was in the house last week. We are very happy with our two stars for „Belcanto” and hope to keep them. A third star would of course be very nice and a nice sign after the efforts during Corona.

Thank you and good luck for the future.

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