Berlins Korean-Food-Pionierin: Young-Mi Park-Snowden

von Jan-Peter Wulf
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Young-Mi Park-Snowden. Foto: Ben Fuchs

Die Frage, wann der bis heute andauernde und wachsende Korean-Food-Trend in Deutschland eigentlich losging, lässt sich auf den Tag genau beantworten: am 26. Juni 2009. An diesem Tag, ihrem 30. Geburtstag, eröffnete Young-Mi Park-Snowden in Kreuzberg ihr „Kimchi Princess“.

Zum Zehnjährigen haben wir die Gastronomin getroffen, die heute zwei Restaurants, ein Cateringgeschäft, eine Inhouse-Produktion und einen Shop hat.

Wir treffen uns zur Mittagszeit im Kimchi Princess, die Tische im Außenbereich des Restaurants sind alle gut belegt. Die Gäste futtern Bibimbap (Fleisch, Gemüse, Reis und Ei gemixt), Kimchi Jjigae (Eintopf), Mandu (Teigtaschen), Bulgogi (scharfes Feuerfleisch) und andere Speisen der Lunchkarte. Es ist 2019, doch wäre es 2009, würden viele von ihnen vermutlich mit diesen Speisen zumindest begrifflich wenig anfangen können.

Ein Jahrzehnt liegt hinter Berlin, in dem kaum eine Küche einen solchen Boom erlebt hat wie die koreanische. Heute gibt es sicher zwei, drei Dutzend koreanischer Restaurants und Imbisse in der Stadt. Damals nicht, von ein paar traditionellen koreanischen Spezialitätenrestaurants abgesehen war die Küche – außerhalb koreanisch(stämmig)er Familien praktisch nicht existent. Dass es heute anders ist, hat Young-Mi Park-Snowden zweifellos mit ausgelöst, als sie im Juni 2009 in Kreuzberg, fast zeitgleich mit dem YamYam von Sumi Ha in Mitte (heute zwei Outlets), eröffnete. Zwei Gastro-Quereinsteigerinnen mit koreanischen Wurzeln, die die Küche des Landes ihrer Eltern in modernem Ambiente inszenierten und das immer noch tun.

Bei Young-Mi ging es eigentlich schon 2005 los: Da stand sie auf einem hippen Weihnachtsmarkt eines Bekannten. Und verkaufte mit drei Freundinnen unter dem Namen „Kimchi Princess“, damals ihr persönlicher Spitzname, koreanisches Essen – inspiriert nicht nur von der elterlichen Küche, sondern vor allem von dem, was sie ein paar Jahre zuvor, als sie nach dem Abi allein ein Jahr in Seoul verbrachte, erlebt und genossen hatte.

„Ich kannte Korea aus Urlauben, aber immer sehr behütet in der Familie und traditionell“, erklärt die in Wolfsburg aufgewachsene Gastronomin. Ungefiltert dann als Studentin: „Essen zelebrieren in der großen Gruppe, Feiern, Karaoke – das war das erste Mal, dass mir klar wurde: Das ist was Besonderes.“ Was sie auf jenen Weihnachts-Designmarkt brachte und das mit einem großen Erfolg: Viel Andrang am Stand, euphorische Gäste, oft die Frage: „Wo ist dein Restaurant?“

Hafen gefunden

Tja, wo ist es denn? Bis die „Kimchi Princess“ eine Antwort auf diese Frage finden sollte, würden noch einmal vier Jahre ins Land gehen, in denen sie eine Weile in Köln als Schauspielerin arbeitete, im Berliner Club „Watergate“ an der Bar stand – und auf dessen Terrasse koreanisches Essen verkaufte, quasi als Pop-up. „Was mir sehr geholfen hat, so etwas auszuprobieren rate ich jedem, der ein Restaurant machen will. Ich habe viel Erfahrung gesammelt und ein Fangemeinschaft aufgebaut“, erklärt sie. Parallel dazu immer die Suche nach einem guten Ort. Mitte war damals schon zu teuer, Kreuzberg im Kommen.

Ihren Lieblingsplatz fand sie schließlich, Anfang 2009, mit dem ehemaligen „Caramel Club“ in der Skalitzer Straße. „Es war Liebe auf den ersten Blick, obwohl es drinnen super hässlich war. Ich wusste sofort, was ich damit machen will – Trapezblech, Hafenatmosphäre, die Assoziationen waren gleich da“, erinnert sie sich. Und tatsächlich lebt das „Kimchi Princess“ nicht nur von seinem beliebten koreanischen Essen von oben genannten Klassikern bis zum kultigen Barbecue, sondern auch von seinem schönen Interieur, das sich auf zwei Ebenen verteilt und dem Gast viele Perspektiven in einem hohen Raum gibt.

Dafür nahm die Gastro-Gründerin sogar ein Fast-K.o.-Kriterium in Kauf: Die Küche ist oben, Runner müssen die Speisen runtertragen und gebrauchtes Geschirr wieder hoch. Das ist aufwändig und verursacht Extra-Personalkosten. Auf einen nachträglichen Einbau eines Fahrstuhls verzichtet man bis heute konsequent, würde er doch die Sichtachsen durchtrennen.

Das Restaurant flog von Anfang an – oder um im Bild zu bleiben – das Schiff fuhr volle Fahrt voraus, schon 2010 kam in einem Nebenraum die „Soju Bar“ dazu sowie der Mini-Imbiss „Angry Chicken“. Die Bar gibt’s heute nicht mehr (wohl aber Drinks mit Soju-Schwerpunkt an der Bar des Restaurants), den Imbiss hat Park 2017 an einen ehemaligen Geschäftspartner abgegeben, nachdem er bereits 2013 an den benachbarten Heinrichplatz verlegt worden war.

Wo bitte ist Adlershof?

Parks zweites Restaurant, das 2015 eröffnete, war eigentlich gar nicht geplant gewesen und schon gar nicht dort, wo es sich heuer befindet: in Adlershof. Da muss selbst mancher Berliner nachschauen, wo das eigentlich ist. „Der klügste Kiez Berlins“ lautet das Motto des neuen Areals, auf dem ein moderner Technologiepark mit über 1.000 Firmen entstanden ist und die Humboldt-Universität sechs Institute, unter anderem Physik und Chemie, angesiedelt hat.

Hier studieren 25.000 Menschen, 17.000 wohnen hier – plus Übernachtungsgäste. Zum Beispiel im Apartmenthotel „Adapt“ in der Erich-Thilo-Straße, und dessen Besitzer, der Mann einer Freundin des in Korea lebenden Bruders von Young-Mi Park, wollte unbedingt ein koreanisches Restaurant in seinem Erdgeschoss und klopfte an, ob Interesse bestünde.

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Im Interview: Young-Mi Park-Snowden und FIZZZ-Redakteur / nomyblogger Jan-Peter Wulf. Foto: Ben Fuchs

„Ich war am Anfang sehr skeptisch. Adlershof?“, so Park. Getroffen hat sie sich mit dem Hotelbesitzer dann doch. Es war ein guter Termin, gemeinsam erkundete man das dynamische Areal, und dann war Mani Mogo da. Morgens gibt’s kontinentales Frühstück, mittags und abends koreanische Klassiker plus Burger und zwischendurch „Anju“, koreanische Snacks wie Mandu und Jeon (Pfannkuchen-Kreationen). Das Publikum setzt sich aus Hotelgästen, Anwohnern und hier Berufstätigen zusammen, und auch Studenten, die keinen Appetit auf die Mensa haben, nehmen Platz.

Ein paar Tage vor dem Interviewtermin im „Kimchi Princess“ haben auch wir das getan – es ist schon verblüffend, wie selbstverständlich koreanisches Essen geworden ist, dass es auch an diesem im Gegensatz zum hippen Kreuzberg sehr „normalo“ daherkommenden Standort funktioniert. „Am Anfang musste ich den Gästen alles über Korea und sein Essen erklären. In diesen zehn Jahren hat es sich so dermaßen verändert!“, blickt Young-Mi Park zurück. Ihr Catering-Business, für Büros und Events, ist über die Jahre zu einem weiteren wichtigen Standbein geworden.

Kochbuch und Korea-Markt

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2017 hat sie – nach zwei Jahren Schreiben, Tüfteln und Vorbereiten – das Kochbuch Kimchi Princess – Koreans Cook It Better veröffentlicht, auch eines der ersten seiner Art in deutscher Sprache. Darin finden sich ausgewählte Klassiker-Speisen des Restaurants zum Nachkochen, Grundrezepte, Wissenswertes über die koreanische Kochtradition und Einkaufstipps. Und gleich gegenüber vom „Kimchi Princess“ eröffnete sie im selben Jahr mit dem Super K Market einen kleinen Shop, in dem es zum Beispiel koreanische Pasten, Snacks, Tees, Softdrinks und die – sonst offline gar nicht so leicht zu kriegenden – Stäbchen aus Metall gibt, mit denen man in Korea isst. Der Shop wurde gerade relauncht und wird in Zukunft auch Kimchi und Mandu außer Haus, „Kimchi-Princess“-Fanartikel wie Hoodies und Taschen sowie das neueste Produkt anbieten: den hauseigenen „Kimchi Princess Soju“.

Den lässt der Düsseldorfer Ho-Bin Lee für sie produzieren. Er hat mit Isae kürzlich eine Soju-Marke gelauncht, deren Erzeugnis sich an die traditionelle, handwerkliche Herstellung des Soju anlehnt, während der in Korea allgegenwärtige Standard-Soju (in der grünen Flasche) ein billiges Industrieprodukt voll von künstlichen Aromen ist. Lees Soju wird aus deutschem Winterweizen und pakistanischem Bioreis gebrannt – in einer alteingesessenen Brennerei in Recklinghausen, mitten im Ruhrgebiet. Dort, wo einst viele koreanische Einwanderer*innen ankamen, um im Bergbau und in den Krankenhäusern zu arbeiten. Auch Young-Mi Parks Eltern lernten sich hier kennen, bevor sie nach Wolfsburg zogen. Ihre Tochter beschäftigt heute in Berlin 60 Mitarbeiter, Ende August 2019 feierte sie den zehnten „Kimchi Princess“-Geburtstag mit einer großen Party: „Ich bin stolz auf die Restaurants und es gibt für mich nicht viel Schöneres, als abends die Unterhaltungen an den voll besetzten Tischen zu mir herüber wehen zu lassen.“ 

2005 „Kimchi Princess“-Foodstand auf einem Design-Weihnachtsmarkt
bis 2009 Pop-ups auf der Terrasse des „Watergate“
2009 Eröffnung „Kimchi Princess“-Restaurant, Kreuzberg
2010 Eröffnung „Soju-Bar“ und „Angry Chicken“ (Imbiss)
2013 Auslagerung „Angry Chicken“
2015 Eröffnung „Mani Mogo“-Restaurant, Adlershof
2017 Abgabe „Angry Chicken“
2017 Release „Kimchi Princess“-Kochbuch
2017 Eröffnung „Super K Market“
2019 Launch „Kimchi Princess Soju“, Erweiterung „Super K Market“

Dieser Beitrag erschien zuerst in fizzz 8/2019.

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