Warum man als Führungskraft Humor haben sollte

Leseprobe aus „Character Proof“, Anleitung zum Human Leading von Andrea Grudda

von Andrea Grudda
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Fotos: Marion Sonnenberg

Unsere Kolumnistin Andrea Grudda – hauptberuflich Beraterin, Trainerin und Coach – hat ein Buch über Leadership geschrieben. Eines, das ganz anders ist, weil es Werte und Eigenschaften ins Zentrum stellt, die man eventuell nicht alle gleich auf dem inneren Schirm hat, wenn es um dieses Thema geht.

Genau dies macht ihr Buch so spannend und lesenswert. Denn wenn sich Arbeitswelten wandeln, dann doch bitte gerne auch die Art und Weise, wie man über diesen Wandel denkt und schreibt. Großzügigkeit, Regeneration, Geduld Mut – und Humor – sind die fünf Kernwerte, charakterlichen Stärken und Schlüsselkompetenzen, die Andrea herausgearbeitet hat, welche Führungskräfte, vor allem aber Menschen, haben sollten. Ob sie diese nur qua Talent und Wesen besitzen können oder wie sich ein Charakter eventuell auch erlernen und formen lassen kann, wer diese Dinge schon gut macht und wer weniger, davon handelt Character Proof.

Wir freuen uns, euch als exklusive Leseprobe das Kapitel zu Andreas Lieblingseigenschaft präsentieren zu dürfen: Humor.

Humor mit dem Team

Vor vielen Jahren bin ich auf ein arabisches Sprichwort gestoßen: „Humor und Geduld, sind die zwei Kamele, die dich durch jede Wüste bringen“. Das war ein großer Moment für mich, weil er den Grundstein für viele Denkansätze und Ideen lieferte. Humor rückt Relationen zurecht und macht Wiedersprüche sichtbar. Er nimmt verzwickten Situationen den Ernst. Guter Humor und gemeinsames Lachen löst Anspannung und lässt uns Situationen mit Distanz betrachten. Bei Humor-Forschern und Soziologen wird Lachen in seiner Urform als eine Art Auflösungsritual von Angst beschrieben. Ist die Gefahr gebannt, reagieren wir mit einem erleichterten Lachen. Lachen ist also in seiner Reinform nur in einer angstfreien Umgebung möglich. Wenn wir gemeinsam lachen, teilen wir Werte und Ansichten. Wir verlieren für einen kurzen Moment die Kontrolle über uns selbst und zeigen, wer wir sind.

Buchtipp: Yves Bossart, Trotzdem lachen (Blessing Verlag)

Humor und Witz sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Witze können sogar Alexa oder Siri erzählen. Doch der Moment, in dem sich Menschen in die Augen sehen und verstehen, das gerade etwas komisch ist, ist unschlagbar. Humor bringt Leichtigkeit in alle noch so schweren Themen. Er ist das universelle Gleitmittel in holprigen Situationen. Humor hat die Fähigkeit, bei Problemen Gelassenheit zu signalisieren.

Seltsamerweise unterliegen viele Führungskräfte dem Irrtum, sie müssten sich so humorlos wie möglich benehmen, um ihre Bedeutung und Ernsthaftigkeit zu unterstreichen. Humor macht interessant, Humor beinhaltet Intelligenz. Er zeigt geistige Flexibilität und Transformationsfähigkeit – alles Eigenschaften, die zeitgemäßes Leading interessant machen. Wir lieben Menschen, die uns zum Lachen bringen. Humor zählt immer noch zu den meistgewünschten Eigenschaften auf Dating-Plattformen.

Humor ist die charmanteste Form von Eigenmarketing. Warum ihn also nicht bewusst einsetzen? Aufpassen muss man allerdings beim witzig sein. Wie viele Menschen haben wir schon erlebt, die in ihren Witzen peinlich, altmodisch und chauvinistisch waren? Auch in Sachen Humor benötigt man eine gute Selbstreflexion. Menschen, die versuchen witzig zu sein, es aber einfach nicht sind, meinen es oft gut – sind aber peinlich. Wenn ich mit Führungskräften über diese Thematik spreche, haben mir schon die langweiligsten und unlustigsten Menschen erzählt, dass sie wahnsinnig humorvoll sind und diesen Humor mit ihren Teams pflegen.

Wenn eine Führungskraft einen Witz macht, werden immer alle lachen, selbst wenn es ein lahmer Witz war. Niemand möchte eine Situation „crashen“, in der sich eine Person sichtlich bemüht, locker zu sein. Die meisten Menschen empfinden einen Widerspruch in dieser Situation oder fürchten selbst als humorlos zu gelten. Deshalb laufen viele Führungspersonen mit einem falschen Humor-Bild von sich herum.

Unlustig sind nach meiner Erfahrung vor allem die Menschen, die versuchen, alles richtig zu machen. Ihnen ist wichtig, nicht anzuecken. Für guten Humor braucht man Sensibilität und Ehrlichkeit – aber vor allem Mut. Mut, das Risiko einzugehen, dass man über das Ziel hinausschießt oder jemandem auf die Füße tritt. Dafür hatten die meisten von uns aber keine Vorbilder im Arbeitsumfeld. Humor ist interessanterweise erlernbar. Umso wichtiger ist es für Führungskräfte als Vorbilder, den Teams zu zeigen, wie viele Probleme mit Hilfe von Humor einfacher und charmanter gelöst werden können.

Je selbstbewusster Menschen sind, desto eher trauen sie sich auch in einem Umfeld, das sie nicht kennen, lustig zu sein. Die meisten halten sich jedoch zunächst zurück, besonders dann, wenn sie das Arbeitsumfeld noch nicht einschätzen können und tendenziell gestresst sind.

Deshalb wird der erste Eindruck von Menschen selten von Humor und Leichtigkeit geprägt und bleibt oft als Kommunikationsgrundlage im Arbeitsalltag an ihnen haften. Ein bewusst gesetzter humorvoller erster Eindruck, mit einer offenen Körpersprache und einer Grundfröhlichkeit, signalisiert dem Umfeld sofort, auf welcher „Frequenz“ man sich bewegt, und lässt eine ergiebigere und erfolgreichere Kommunikation zu. Man wirkt nahbarer und direkter.

Gerade in hierarchischen Strukturen orientieren sich Menschen in ihrem Verhalten immer nach oben. Deshalb kommt die „Legitimation“ eines humorvollen Umgangs am effektivsten auch von oben. Leider passiert das aber selten. Meiner Erfahrung nach wird der Umgang miteinander immer verkrampfter, je weiter oben sich die Agierenden auf der Job-Pyramide befinden. Und dieses verkrampfte Verhalten strahlt wieder nach unten ab. Kurz gesagt: Sind die Vorbilder, also die Führungskräfte, nicht humorvoll, geht es im Unternehmen auch selten lustig zu und dadurch wird das Unternehmen unattraktiv.

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Humor in Bezug auf dich selbst 

Würde ich mich selbst und alles, was ich mache, immer ernst nehmen, wäre mein Job viel anstrengender. Leichtigkeit im Umgang mit mir selbst, also die bewusste Entscheidung für weniger Ernsthaftigkeit und Verbissenheit, hat mir in vielen Momenten gutgetan. Sie macht mich auch zu einem angenehmeren Vorbild. In meinen Workshops haben die Menschen gerade dann viel gelernt, wenn ich einen natürlichen, lustigen und entspannten Umgang mit mir selbst und in meiner Rolle als Impulsgeberin hatte.

Humor war schon immer eine Lösung für verzwickte Situationen, es hat aber gedauert, bis ich ihn unbefangen einsetzen konnte. In meinem Selbst-Bild als perfekte Trainerin und Coachin habe ich mich lange geweigert, so natürlich zu sein, wie ich es auch im privaten Umfeld bin. Viele Eigenschaften, die mich ausmachen, habe ich jahrelang von der Person getrennt, die ich im Job darstellen wollte. Es gab diese professionelle Rolle … und die war nur manchmal witzig.

Unzählige Vorbilder des öffentlichen Lebens werden aufgrund ihrer Professionalität geschätzt, aber für ihren Humor werden sie geliebt. Jürgen Klopp hat mit seiner humorvollen Art, dem Bild des verbissenen ernsthaften Trainers neue Seiten gegeben. Sein schallendes Lachen in einer Pressekonferenz als Reaktion auf die Frage, ob er sich die Haare hat transplantieren lassen, war eine Lehrstunde für Humor. Diese Situation hätte peinlich und beschämend sein können. Stattdessen hat er lachend geantwortet, dass ihn seine Geheimratsecken gestört haben. Ohne Probleme konnte er vor sich selbst und der Öffentlichkeit seine Eitelkeit einräumen. Es schadete weder seinem Ego noch seinem Status. Im Gegenteil: Als Mann, Fußballtrainer und Vorbild hat er in diesem Moment einen Meilenstein im öffentlich Umgang mit Schönheitschirurgie gesetzt. Sich selbst Eitelkeit zuzugestehen, darüber zu lachen und sich gleichzeitig zu freuen, dass diese Situation durch seinen lockeren und natürlichen Umgang entschärft wurde, hat mich sehr beeindruckt.

Speziell die Unternehmerinnen und Unternehmer, die viel mit ihren Teams lachen, – das konnte ich immer wieder erleben – haben weniger Probleme: weniger Stress, weniger Ängste, mehr Mut in der Kommunikation, Dinge auszusprechen oder anzusprechen, die man ansprechen sollte oder muss. Das konnte ich immer wieder erleben. Leader sind immer der Spiegel und das Vorbild der Gruppe. Niemand möchte sich im Arbeitsumfeld danebenbenehmen. Deshalb werden das Verhalten, die Kommunikation und auch der Humor meistens genau kopiert. Der eigene Humor wird also zum Maßstab für das Team. Deshalb sollte man zum Beispiel keine Witze machen, wenn man eigentlich etwas kritisieren oder berichtigen möchte. Der Witz als Waffe ist leider eine weit verbreitete Methode in der Arbeitswelt. Es ist immer wieder schade zu sehen, wie sehr Menschen gerade unter solchen „Witz-Attacken“ leiden und sich nicht wehren können, weil Kritik an der Führungsperson die Situation sprengen würde.

Mit Witzen zu kritisieren gehört zu den gefährlichsten und gemeinsten Fehlern, die man als Führungskraft machen kann. Mit einem vermeintlichen Witz auf Fehler hinzuweisen, erlaubt es auch anderen Mitarbeitenden, sich über die Person lustig zu machen. Wer Kritik mit oder durch einen Witz äußert, erschwert seinem Gegenüber, sich angemessen zu verteidigen oder zu erklären, denn dazu braucht es viel Mut. Gerade Frauen erleben diese Situation oft. Witze, die durch und durch chauvinistisch oder misogyn sind, werden von ihnen weggelächelt oder runtergeschluckt, weil sie nicht die Spielverderberinnen sein möchten oder sie sich einfach nicht trauen, sich gegen eine Ungerechtigkeit zu wehren.

Viele ritualisierte Witze in Unternehmen sind diskriminierend und den Beteiligten fehlt das Gespür für Inhalte und Botschaften, die darin transportiert werden. Eine Beleidigung als Witz zu tarnen und sie laut auszusprechen, einfach weil man sich in der Position befindet, in der man es sich erlauben kann, ist eine offene Form von Aggression. Nur wer klar die rote Flagge zeigt, – hier wird eine Grenze überschritten – kann diese Themen in den Griff bekommen. Sich dagegen klar zu positionieren, beinhaltet immer auch eine Form von Erziehung und ist manchen Menschen leider zu anstrengend oder zu unangenehm.

Auch ich erlebe immer noch, dass in meiner Gegenwart Witze gemacht werden, die unangebracht oder chauvinistisch sind. Mittlerweile habe ich gelernt, damit umzugehen. Dabei halte ich mich an den Rat der Bestseller-Autorin Margarete Stokowski („Untenrum Frei“). Sie sagt, dass Frauen permanent abwägen müssen, ob sie aktiv und laut werden und die Dinge ansprechen, die gerade falsch laufen, oder, ob sie „fuck you“ denken und die Situation oder die Worte ignorieren, weil sie gerade keine Lust haben, sich mit diesen Idioten auseinander zu setzen. Egal, wofür man sich entscheidet – es ist eine selbstbestimmte Entscheidung. Egal, wie viele Bemerkungen vielleicht nicht böse gemeint sind, sie bleiben falsch. Werden sie zusätzlich noch in einen Witz verpackt, sind sie obendrein unfair, weil man sich nicht nur selbst verteidigen, sondern auch eine Verletzung der eigenen Gefühle ansprechen muss. Außerdem macht man sich unbeliebt, wenn man die Stimmung versaut.

Ich habe immer wieder beobachtet, wie Führungskräfte, die keinen guten emotionalen Kontakt zu ihren Teams hatten, Situationen auflockern wollten, indem sie Witze machten. Leider wird das Team an solchen Stellen immer mitlachen. Aus Höflichkeit und weil es erwartet wird, aber auch, weil man sich freut, dass es mal „lustig“ ist.

Am Ende erkennt man, so simpel es auch klingen mag, wie unkompliziert und selbstverständlich der Umgang in Teams ist, in denen man beobachtet, ob sich die Menschen freundlich anlächeln und sie Spaß zusammen haben. Es ist erschreckend, wie ernsthaft der Umgang in manchen Teams ist. Das bewusste Vorleben und Steuern einer lebendigen, positiven Unternehmenskultur geht am effektivsten von den Führungskräften aus und ist in seiner Verantwortung nicht zu unterschätzen. Auch wenn es „nur“ um so etwas einfaches, wie Humor geht.

Deshalb sollte man sich darüber im klaren sein, dass der Humor und der Reifegrad des Charakters jeder Führungskraft, die neu in ein Team kommt, den Umgang im Team maßgeblich formen und prägen wird.

Humor und falsche Vorbilder

Seit Jahren arbeite ich mit Klienten aus Gastronomie und Hotellerie und beobachte immer wieder, dass gerade in den Küchen ein ruppiger Ton vorherrscht. Dieser Umgangston ist interessanterweise stark durch Kochsendungen im TV geprägt.

Diese Formate sind für die Branche Fluch und Segen zugleich: Auf der einen Seite verhelfen sie dem komplexen und anspruchsvollen Berufsbild zu mehr Anerkennung. Auf der anderen Seite wird schnell vergessen, dass es sich hierbei um Entertainment handelt. Die Unterhaltung des Publikums ist wichtiger, als realistische Bilder zu vermitteln. Dabei spielt die Sprache eine große Rolle. Glaubt man dem TV, dann sind Köche – überwiegend Männer – brüllende Primaten, die sich gegenseitig demütigen und fertig machen und auch noch Spaß daran haben.

Die meist hochdekorierten Köche und erfolgreichen Unternehmer werden mit diesem Verhalten zu katastrophalen Vorbildern. Sie suggerieren, dass diese aggressive Form der Kommunikation üblich und akzeptabel ist. Dass diese Menschen im Arbeitsalltag ganz anders mit ihren Teams kommunizieren, wird nicht gesehen. Würden sie das nicht machen, wären sie nicht so erfolgreich. Denn die Teams managen die Betriebe im Alltag und sorgen mit für deren Erfolg. Spitzenleistungen erbringt man nicht für Menschen, von denen man sich nicht gut behandelt fühlt oder die man nicht leiden kann.

Zudem stellt sich die Frage, warum es eigentlich so wenig Frauen in den Profiküchen gibt. Früher wurde der Bereich vor allem als „zu rau“ und „körperlich zu belastend“ für das „zarte“ Geschlecht angesehen. Was natürlich Quatsch ist. Viele erfolgreiche Frauen beweisen das Gegenteil. Allerdings haben viele Frauen wirklich keine Lust auf den Ton und den Umgang, der dort manchmal herrscht. Ich finde es unglaublich erschreckend, was sich Frauen immer noch anhören müssen.

Mehr dazu in Andreas Kolumne Scharfe Hasen, smarte Typen. Wir müssen über die Rolle von Frauen – und Männern – in der Gastronomie sprechen

Erschreckend ist auch, wie wenig sensibilisiert Führungskräfte bei diesen Themen immer noch sind. Mit dem Argument „war doch nur lustig gemeint“ akzeptiert man aber eine negative Form der Kommunikation, die ein Klima nachhaltig prägt. Nur ein bewusstes Gegensteuern und ein Vorleben anderer Werte verändert etwas. Denn es ist schwer zu verstehen, warum die Vorbilder im TV fragwürdigen Entertainment-Regeln folgen und nicht die Realität abbilden.

Aber gerade jüngere Menschen, Männer und Frauen, sind bei diesen Thematiken sensibler und haben ein hohes Bewusstsein für Fairness und lassen sich gerne beeinflussen, wenn ihnen ihre Vorbildern einen souveränen Umgang vorlebt.

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Das Buch gibt es hier zu kaufen
Mehr Infos über Andrea Grudda auf ihrer Webseite:
www.andreagrudda.de

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