Olaf Schnelle, Schnelles Grünzeug Dorow: „Ohne gute Böden geht gar nichts“

von Nicole Klauß
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Sein Grünzeug ist in der Spitzengastro gefragt: Olaf Schnelle. Alle Fotos: Nicole Klauß

Bodenqualität. Mulchen. Foodtrends. Nachhaltigkeit. Pflanzenfermente. Verpackungen. Permakultur. Fermentation. Vegane Düngung. Olaf Schnelle ist Diplomingenieur für Gartenbau und Gärtner und beschäftigt sich mit alldem und mit noch viel mehr. In Dorow in Mecklenburg-Vorpommern betreibt er seine Gärtnerei Schnelles Grünzeug und das „Zentrum für Gemüsefermentation im Trebeltal“.

Unsere Autorin Nicole Klauß hat ihn besucht und sprach mit ihm über Gemüse und Kräuter, Laufenten, den Boden, die Nachbarn, über Weckgläser und nachhaltige Verpackungen und wie das so ist mit der Nachhaltigkeit und einer Gärtnerei im nördlichen Mecklenburg-Vorpommern.

Olaf, so richtig um die Ecke von Berlin sind wir hier ja nicht. Wie kommt Frisches und Fermentiertes zu deinen Kunden oder kommen die Kunden zu dir?

Wenn ich bei meinen Gastrokunden in Berlin bin, dann sagen sie immer: „Wir kommen dich mal besuchen.“ Aber dann stellen sie fest, dass es dann doch drei Stunden mit dem Auto sind – und das ist den meisten dann doch zu weit. Auf Wunsch veranstalte ich aber Workshops für Köchinnen und Köche. Die müssen alle erstmal durch den Garten und sehen, wie das Gemüse und die Kräuter wachsen.

Meine Kunden kommen zu 50 Prozent aus Berlin und zu 50 Prozent aus dem Rest von Deutschland, ich verschicke alles via Paketdienst. Interessant ist: Die Gastronomen bestellen Frisches, wie Gemüse, Microgreens und Kräuter, aber nichts Fermentiertes, das machen sie selber. Die Privatkunden bestellen ausschließlich Fermentiertes, das Frische kaufen sie sich auf dem Markt oder im Bioladen.

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Olaf Schnelle baut nicht einfach nur Gemüse an, es sind Gemüsepromis. In den Gewächshäusern: Physalis, mit Aroma, Cayennepfeffer, Auberginen und Shiso. Draußen seltene Kartoffelsorten, Franzosenkraut und zarter Fenchel mit viel Geschmack und peruanischer Sauerklee, die perfekte Pflanze für den Klimawandel. Bei Trockenheit stellt sie das Wachstum ein, bekommt sie wieder Feuchtigkeit, wächst sie weiter. Bei Hitze falten sich die Blätter, wie zum Schutz. Die Stängel lassen sich als Tee aufbrühen. Die Blätter sind saurer als Sauerampfer, aber irgendwie eleganter und bringen einen Twist in den Smoothie. Die Knollen können roh oder gekocht gegessen werden, Sprossen und Blätter adeln den Salat.

Weil du deine Ware in der Regel verschickst: Wie ist das mit der Verpackung und der Nachhaltigkeit?

Vor allem Privatkunden wünschen sich nachhaltige Verpackungen und stören sich an den grünen Polyethylenbeuteln. Manche Kunden wollen Weckgläser – sind aber dann leider nicht bereit, die Mehrkosten für das erhöhte Gewicht zu zahlen. Für Restaurants ist das Thema eher nicht so entscheidend: Da bekomme ich manchmal an einem Tag einen Anruf mit einer Bestellung von einem Koch und wenn ich das Paket losgeschickt habe, ruft ein Kollege an und bestellt noch etwas. Da geht es darum, die Ware so frisch wie möglich zu bekommen. Nachhaltigkeit ist dann eher zweitrangig. Am nachhaltigsten wäre ein Pfandsystem – aber das würd bedeuten, dass die Kunden die Verpackung zurückschicken müssen. Der Teufel steckt wie immer im Detail. Ich bin immer noch auf der Suche nach der optimalen Verpackung.

Deine Gastro-Kunden sind überwiegend in der Spitzengastronomie anzutreffen: in Berlin sind das zum Beispiel Dylan Watson vom „Ernst“ und Micha Schäfer vom „Nobelhart und Schmutzig“, außerdem Nils Henkel vom „Restaurant Schwarzenstein“, Joachim Wissler, Sven Elverfeld, Sascha Grauwinkel von der Schlossküche in Hannover-Herrenhausen … wie sieht das mit den Gastronomen hier in der Gegend aus? Gerade an der Küste hat sich ja eine kleine, feine Gastroszene entwickelt. 

Ich habe leider noch keinen einzigen Kunden hier in der Gegend. Die Gastronomen in der Umgebung kaufen alle bei den Gastrolieferdiensten. Ich bin da dran, aber das ist mühsam, die Köche empfinden meine Produkte als zu erklärungsbedürftig. Die servieren dann lieber die Pfifferlinge in Rahmsauce als ein Gericht mit Ringelbeete und Fenchel oder Dillblüten oder Erbsensprossen. Hier oben ist noch wenig Experimentiefreude im Spiel – und die braucht man bei meinen Produkten.

Deine Gärtnerei ist hier das gallische Dorf, umgeben von konventioneller Landwirtschaft – wie sehen dich deine landwirtschaftlich arbeitenden Nachbarn? Seid ihr im Dialog?

Anfangs wurde ich belächelt, vor allem meine Maschinen – ich habe nämlich quasi keine, nur einen einachsigen Mäher. Der steht da hinten, dafür aber diesen sensationellen manuellen Aussaatroller, den ich mir aus den USA bestellt habe. Mit dem Landwirt, der das Feld hier direkt angrenzend bestellt, bin ich gut befreundet. Er kommt aus Westdeutschland, wie ja auch circa 90 Prozent der Anbaufläche ist hier in westdeutscher Hand sind. Ich besuche im Moment einen Bodenkurs und lerne unglaublich viel über die Möglichkeiten, den Boden zu verbessern, ohne Chemie. Der Boden hier in der Gegend ist eigentlich kein besonders guter: die Qualität der Ackerfläche wird in Bodenpunkten bemessen und wir hier in der Gegend haben hier 49 von 100 möglichen. Das ist nicht besonders viel. Seit 2017 arbeite ich hier auf dieser Fläche und habe jetzt knapp 70 Bodenpunkte erreicht.

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Woher kommt diese Steigerung der Bodenqualität? Was machst du mit deinem Boden, oder eben auch nicht und warum bekomme ich auch noch im Spätherbst Karotten bei dir?

Ich arbeite mit Pflanzenfermenten: Pflanzenreste, Ackerkräuter und Kräuter werden milchsauer eingelegt und der so entstehende Sud dient als Nährstoff für die Pflanzen. Was ich nicht mache: synthetische Dünger nutzen. Was durch die viele Handarbeit auch nicht passiert ist, dass der Boden zu stark verdichtetet wird. Wenn es regnet, sickert das Wasser bei mir in den Boden – auf dem Nachbarfeld stehen dann Pfützen. Ich mulche, das heißt den Rasenschnitt bringe ich als Schicht auf die Erde, das verhindert die Austrocknung des Bodens und hält am Abend länger die Wärme. Die Vegetationszeit wird so verlängert. Die Mulchschicht wird nach und nach kompostiert und zu Humus, was wiederum dem Boden guttut. Ich habe hier keine Blattläuse oder Kartoffelkäfer – das sind nämlich Zeichen für einen nicht gesunden Boden. In meinem Garten habe ich ein Paar Laufenten: Die kümmern sich um die Schnecken – das Problem habe ich also auch nicht. 

Und die Gewächshäuser? 

Durch die beweglichen Gewächshäuser – das Prinzip habe ich von Eliot Coleman übernommen – kann ich Pflanzen früh vorziehen. Hier wachsen Pflanzen, die mehr Wärme benötigen, wie Tomaten, Ingwer, Zitronengras, Cayennepfeffer, Physalis, Shiso, Sauerklee aus Peru, Chili, Tomaten. Und dann kann ich das Gewächshaus versetzen: Wenn die Tomaten raus sind, kommen die Möhren rein und können bis weit in den Spätherbst geerntet werden.

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Eliot Coleman ist ein amerikanischer Gärtner, Forscher und Lehrender und war einer der ersten Gärtner, der die „Winterernte“ etabliert hat. Er betreibt die „Four Seasons Farm“ in Brooksville, Maine an dem nord-östlichsten Zipfel der USA. Auf seiner Farm erntet er ganzjährig unter – vor allem im Winter – widrigsten Bedingungen bei Temperaturen bis minus 15 Grad Celsius. Er arbeitet mit dem von ihm entwickelten „polytunnel“ – einer Art beweglichen Gewächshaus, bestehend aus Stahlrohren und einer Plane aus Polyethylen.

Apropos Wärme: Wie ist das mit dem Klimawandel? Merkst du schon irgendwelche Auswirkungen?

Nein, nur an der Wasserrechnung. 2018 war ein gutes Jahr, ich musste nur eben mehr bewässern. Aktuell ist der starke Wind eher ein Problem, nicht die Wärme.

In deinem Sortiment findet man neben frischem Gemüse und Kräutern auch viel Fermentiertes. Wie kam es dazu?

Viele Gastronomen machen dann Sommerpause, wenn bei mir alles reif wird. Also haben wir angefangen zu fermentieren: rote Bete, Cole Slaw, Cayenne-Chili-Paste, Karotte mit Holunderblüte, Curtido (südamerikanisches Sauerkraut, Anm. d. Red.), Kräutersalze aus frischen Kräutern. Im Kühlraum stehen einige Experimente. Wenn die gut werden, werden die nächstes Jahr ins Programm aufgenommen.

Permakultur statt umweltbelastender Landwirtschaftstechnologie, Fermentieren statt Wegwerfen. Wie ist die Reaktion hier in der Gegend auf dich und deine Ideen und Produkte? 

Anfangs wurde ich sicherlich auch ein bisschen misstrauisch beobachtet. Aber jetzt bin ich schon lange hier und man hat mich hier akzeptiert. Mein Nachbar, an dessen Feld meine Gärtnerei angrenzt, interessiert sich inzwischen übrigens auch für meinen Bodenkurs.

Auf dem Schild an deiner Gärtnerei steht: Öffnungszeiten 0-24 Uhr. Was hat es damit auf sich?“

Die Öffnungszeiten weisen einerseits auf den Onlineshop hin und andererseits auf die ganz neue Möglichkeit, hier rund um die Uhr Frisches und Fermentiertes zu kaufen. Es gibt jetzt einen Verkaufsraum mit einer Vertrauenskasse und einer Waage, da kann man sich die Produkte abwiegen, die man kaufen möchte, und wirft das Geld anschließend in die Kasse.

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Immer geöffnet: „Das Dorower Gemüse“ mit der goldenen Vertrauenskasse

Wer ist die Zielgruppe? 

Meine Nachbarn und außerdem Touristen, die in der Gegend Urlaub machen. Ich bin sehr gespannt, wie das angenommen wird.

Vielen Dank, Olaf.

Schnelles Grünzeug – Olaf Schnelle
Dorow 9
18513 Grammendorf
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