5% Bauchgefühl + 95% Deckungsbeitrags-Strategie = bester Umsatz und höchster Gewinn ever

So erreichte eine Gastronomin 2022 ihr bislang bestes Betriebsergebnis

von Uwe Ladwig
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Foto von Mika Baumeister auf Unsplash

Unser Autor Uwe Ladwig, Experte für Kalkulation und Wirtschaftlichkeitsoptimierung, berichtet in seiner neuen Mini-Reihe von Erfolgsgeschichten gastronomischer Betriebe, mit denen er zusammenarbeitet. Zum Auftakt die Story einer Gastronomin, die im Jahr 2022, dem 30. Jahr Bestehensjahr ihres Betriebes, mit ihrem Team das beste Ergebnis aller Zeiten erreicht hat. Es handelt sich um eine süddeutsche Gasthausbrauerei. 

Im Mai 2022 ruft mich eine sehr erfolgreiche Gastronomin sehr aufgeregt an und erzählt mir, dass sich die Einkaufspreise für Lebensmittel gerade täglich ändern. „Wenn das so weitergeht, habe ich Angst, dass wir am Ende der Sommersaison nichts verdient oder noch schlimmer, sogar draufgezahlt haben.“ Dazu komme noch die Erhöhung der Gehälter und die wahrscheinlich steigenden Energiekosten im Herbst und Winter: „Wir können die aktuelle Speisekarte nicht wie sonst üblich bis zum Ende der Saison im September durchlaufen lassen.“

Wir beschließen sofort aktiv zu werden, die Speisen so schnell wie möglich nachzukalkulieren und die neue Speisekarte mit den neuen Preisen an den Start zu bringen. Das Kalkulationsschema für die Hauptgerichte nutzen wir schon seit vielen Jahren und so ist der erste Schritt nur, die Einkaufspreise im Schema zu aktualisieren, damit wir die negative Veränderung der Marge durch die steigenden Wareneinsätze ermitteln können.

Wir aktualisieren die Speisenstatistik und können bei der Analyse feststellen, dass der Wareneinsatz im Durchschnitt um 0,54 € pro Hauptgericht gestiegen ist. Das entspricht einer Erhöhung von rund 20%. Wir beschließen, die gestiegenen Wareneinsätze 1:1 an den Gast weiterzugeben.

Im nächsten Schritt errechnen wir den neuen notwendigen Deckungsbeitrag, den wir aufgrund höherer Ausgaben für Mitarbeiter*innen und Energie bis zum Ende der Sommerkarte im September pro Gericht generieren müssen. 

Wir wollen eine faire Methode der Preisgestaltung, damit wir so wenig Gäste wie möglich durch die notwendige Preissteigerung verlieren. Fair bedeutet, dass wir auch hier nur die Kostensteigerung weitergeben werden.

Revenue Management 

Während wir die Zahlen ermitteln, entsteht die Idee zu einer für uns neuen Preisstrategie. Wir wissen, dass wir unbedingt mehr Marge – mehr Deckungsbeitrag – pro Gericht brauchen, um die gestiegenen Wareneinsätze, Mitarbeiter*innenaufwand und die Energiekosten zu decken. Allein mit der Methode, die Wareneinsätze 1:1 weiterzugeben und dem neuen Soll-Deckungsbeitrag zur Berücksichtigung der Kostensteigerung würden wir nicht auskommen. Wir müssen unbedingt schnell herausfinden, wie viel der Gast zukünftig bereit ist, für unsere Speisen auszugeben. Dies ist bereits die Vorgehensweise in der Hotellerie und vielen anderen Branchen. Mir fällt ein, dass es sogar mal einen Artikel von einer kanadischen Hotelkette gab, die durch die Einführung von Revenue-Management im F&B das operative Betriebsergebnis um 25% verbessert hat. Das brauchen wir auch unbedingt.

Revenue- oder Yield Management im F&B ist nichts anderes, als die Auswertung der Renner-Gewinner-Analyse zu benutzen. Das machen wir schon sehr erfolgreich seit 2008 und haben so den Durchschnittsdeckungsbeitrag kontinuierlich verbessert. Die Wareneinsatzquote ist ebenfalls kontinuierlich gesunken und liegt mit 25,17% unter dem Durchschnitt der Branche. 

Wie erstellen mit den Verkaufszahlen aus der Kasse und den Deckungsbeiträgen aus der Kalkulation eine neue Renner-Gewinner-Analyse. Was wir nun anders machen, ist, dass wir auch die Deckungsbeiträge der Gewinner in der Portfolioanalyse ermitteln. Bei den Rennern liegt der Deckungsbeitrag im Mai 2022 bei 6,49 € und bei den Gewinnern bei 9,71 € im Durchschnitt. Da wir schon viele Jahre mit der Speisendiagnose arbeiten, sind bei uns über 60% der Gerichte Gewinner und nur 16,4% Renner. In den meisten Betrieben, die zum ersten Mail eine Diagnose durchführen, ist das am meisten verkaufte Hauptgericht sehr häufig ein Renner anstatt eines Gewinners. Schade um das schöne Geld, dass dort in Hunderten von Gastro-Betrieben täglich verloren geht.

Bis zu 1,5 Mrd. Verlust durch fehlende Speisendiagnose 

Wir haben das mal mit den verfügbaren Zahlen von Statista nachgerechnet: Insgesamt liegt der Verlust bei ca. 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro Profit – pro Jahr – in der deutschen Gastronomie. Im Jahre 2015 sind wir deshalb auf die Deckungsbeitragskalkulation umgestiegen, weil die Einführung des Mindestlohns höhere Mitarbeiter*inneneinsatzkosten zur Folge hatte und wir mehr Marge brauchten. Für eine gute Marge sind Renner nicht geeignet und sind der schlimmste Virus seit 30 Jahren.

Wir entscheiden uns aus der Not heraus, unsere aktuelle Methode der Preisgestaltung sofort zu ändern, zum Wohle der Mitarbeiter*innen und des Betriebes. Über 60% der Gerichte bei uns sind Gewinner. Diese werden also von unseren Gästen geliebt und jeder Gast ist bereit, für das, was er liebt, mehr Geld auszugeben. Wir lieben diese Gerichte auch, weil die Gewinner einen guten Profit haben. Wir hassen Renner, weil da nicht genug Rohgewinn übrigbleibt, um die Kosten und den Unternehmerlohn zu decken. Renner sind der größte Mist unter der Sonne und entstehen durch π x Daumen, Aufschlagskalkulation und Wareneinsatz x 4 rechnen. Auch ein Profikoch wie Frank Rosin sorgt nicht gerade dafür, dass es besser wird mit der Preisgestaltung aus der Steinzeit, wenn er wie in seiner TV-Sendung vom 30. Juni 2022 einem in Not geratenen Gastrononem-Ehepaar rät, sie können ruhig Wareneinsatz x 4 rechnen, das würde schon so passen – ohne es nachgerechnet zu haben. Mann hätte statt dessen auch bei den Zuschauer*innen mehr Verständnis für die Preisgestaltung in der Gastronomie bewirken können. 

Umstellung auf Gewinner-Deckungsbeitrag

Wir beschließen unsere Preisgestaltung sofort auf Gewinner-Deckungsbeitrag umzustellen. Warum? Wenn wir so weitermachen wie bisher, geht das zu 100% schief und wird in einem großen finanziellen Desaster enden.

Wir bauen die Speisekartendiagnose und die Kalkulation Speisen in ein neues automatisiertes Pricing-Tool um. Dieses Tool errechnet nun die neuen Preise automatisch mit dem Gewinner–Deckungsbeitrag. Das Pricing-Tool macht uns nun neue errechnete Preisvorschläge, bei denen sicher ist, dass durch die Verwendung des Gewinner-Deckungsbeitrages auf jeden Fall mehr rauskommt. Das Mehr benötigen wir, um die gestiegenen Wareneinsätze, Energie- und Mitarbeiterkosten in der Zukunft sowie den Unternehmerlohn zu decken. Außerdem wird sofort die Gesamt-Profitveränderung und die Veränderung pro Gericht zur Kontrolle angezeigt. 

Gleichzeitig ist dieses Schema ein kleiner Trick und verhindert die Preisgestaltung mit Bauchgefühl. Bauchgefühl ist die schädlichste Methode der Preisbildung aus wirtschaftlicher Sicht. Ein Trick deshalb, weil die Gastronomin sich nun zwischen zwei rechnerischen Preisempfehlungen entscheiden muss und dadurch sich schneller entscheidet und das Bauchgefühl fast ausgeschaltet wird.

Da wir bereits sehr erfolgreich seit 2015 Deckungsbeitragskalkulation anwenden und im ersten Jahr eine Veränderung von 0,43 € im Durchschnitt erreicht haben, sind wir sehr gespannt, was unsere neue Strategie einbringt und ob die Rechnung aufgeht. Mache niemals die Rechnung ohne den Gast. Wir beschließen, die nächste Analyse direkt nach einem Monat Laufzeit durchzuführen, damit uns nichts „anbrennt“ oder verloren geht.

Gigantische Überraschung

Die Auswertung und das Ergebnis sind eine gigantische Überraschung. Damit haben wir nicht gerechnet. Der Durchschnittsdeckungsbeitrag (DDB) ist von 8,80 € auf 9,93 € gestiegen bei 19%MwSt. (Für eine realistische Vergleichbarkeit haben wir beschlossen, alle Statistiken bei 19% MwSt. zu belassen. Achtung: Natürlich nur für die Statistik). Das sind 1,13 € mehr, wir haben eine bisher nie dagewesene Steigerung von 12,8% erreicht. Den Gewinner-Deckungsbeitrag haben wir sogar von 9,71 € auf 11,03 € erhöht, das entspricht 1,32 € mehr Marge und einer Steigerung von 13 %.

Wenn wir zur Kontrolle den gestiegenen DDB von 1,13 € x 23.424 verkaufte Gerichte in 39 Tagen rechnen, haben wir damit den Profit um 26.469 € gesteigert – in 39 Tagen. Der Wechsel von der Preiskalkulation mit Deckungsbeitrag auf die Preisstrategie mit dem Gewinner-Deckungsbeitrag (GDB) ist die wirtschaftlichste und erfolgreichste Veränderungsstrategie, die wir jemals umgesetzt haben. Die Angst und die schlaflosen Nächte der Gastronomin, dass die Sommersaison ein Desaster wird und sie nicht genug Reserven für den Winter aufbauen kann, haben wir gemeinsam verhindert. Wir sind in der Lage, die gestiegenen Kosten wie Wareneinsatz, Mitarbeitereinsatz, Energie etc. ausreichend zu decken und haben sogar noch einen Puffer für den Energie-Notfall erwirtschaftet. Auch zwei Monate später, bei der nächsten Kontrolle, setzt sich die Verbesserung fort.

Die Umstellung der Preisgestaltung bei Speisen hat zu einer erheblichen wirtschaftlichen Verbesserung beigetragen. Im nächsten Schritt werden wir diese Strategie auch bei den Getränken umsetzen.

Bester Umsatz und Deckungsbeitrag seit Betriebsbestehen 

Wir haben zum 23.12.2022 den besten Jahresumsatz, den höchsten Deckungsbeitrag 1 und den höchsten Deckungsbeitrag 2 seit Bestehen des Betriebes erreicht. Der Betrieb besteht seit über 30 Jahren. Wir haben den besten Rohgewinnaufschlagssatz (das FA kann uns mal bei der nächsten Prüfung), die niedrigste Mitarbeiter*innen- und Wareneinsatzquote, eine noch nie dagewesene Produktivität in der Küche und Service, für die wir so richtig ackern mussten, es hat sich gelohnt. Den besten Umsatz pro Gast haben wir auch dank der neuen Preisstrategie und sehr aktiven Verkaufsaktivitäten unserer Servicemitarbeiter*innen erreicht. Natürlich hat der Mehrwertsteuervorteil von 12% bei Speisen auch dazu beigetragen – vielen Dank an die Bundesregierung. Wir hoffen, dass der niedrige Steuersatz noch bis 2024 so bleibt und ab 2024 dauerhaft auf die 7% gesenkt wird – das ist sehr wichtig.

Ja, wir haben weniger Gäste als 2019. Aber wir haben mit weniger Gästen mehr Umsatz und unser bestes Betriebsergebnis erwirtschaftet. Es war eines der anstrengendsten und gleichzeitig das beste Jahr aller Zeiten. Wir sind glücklich und zufrieden mit dem, was wir geschafft haben.

Fazit

Es macht sehr viel Sinn, sich permanent mit den Zahlen des Betriebes aus der BWA und im Controlling zu befassen, mit der Kalkulation und Preisstrategie, mit Renner-Gewinner-Auswertungen, Budgets und Zielen. Gastro-BWL zu erlernen, die Mitarbeitereinsatzplanung mit Umsatzprognose und Deckungsbeitrag 2 durchzuführen, Getränkepauschalen und All-Inclusive-Feiern umzusetzen, die 7 wichtigsten Kennzahlen täglich zu kontrollieren, den Fokus und die gesamte Energie auf Maßnahmen für mehr Marge-Deckungsbeitrag-Profit-Verbesserung richten und den Finger aus dem A…h zu nehmen, anstatt zu jammern, dass uns Fach- und Arbeitskräfte fehlen.

Übrigens, Mitarbeiter*innen wird es auch nie wieder in der Anzahl wie früher geben – nie wieder. Wenn ihr das hier beschriebene vollständig und so schnell wie irgend möglich umsetzt, funktioniert es auch bei euch mit einem sehr guten Betriebsergebnis wie in unserem Beispiel dargestellt. Keine Lust auf Zahlen zu haben und zu glauben, das macht schon der Steuerberater für mich, führt zu einer schwachen Liquidität und einem geringen Verdienst für Mitarbeiter*innen und Gastrounternehmer*innen. Wir sind für unser Ergebnis selbst verantwortlich.

Was auch stimmt ist, dass in den seltensten Fällen die notwendige Umsetzung der Maßnahmen persönlich und aus eigener Kraft erreicht wird. Ich wünsche euch viel Glück bei der Entscheidung, wie ihr die notwendigen Veränderungen umsetzen werdet.

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