#restartgastro 2021, Teil 2: Anouki, Berlin

von Jan-Peter Wulf
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Das Anouki-Team: Demi-Chef de Rang Lena Schenk, Souschef Tarik El Dessouki, Küchenchef Christian Hoffmann, Chef de Rang Sofiia Petrova, Aide de Cuisine Adel Azem, kulinarischer Leiter Tobias Pietzsch. Foto: Redaktion

Der geplante erste Öffnungstag des Charlottenburger „Anouki“ fiel auf den ersten Tag des ersten Lockdowns. Wie geht es dem Brasserie-Konzept heute, 15 Monate später? Wir waren zu Besuch.

Der kürzeste Weg vom Bahnhof Charlottenburg nach Frankreich ist die Treppe runter, zur Seite Gerviniusstraße raus, links über die große Kreuzung rüber und hinein ins Anouki – Cozy Kitchen & Style. Schön bunt präsentiert sich das Konzept in der Ecklage Gervinusstraße/Lewishamstraße: im Bereich rechts vom Eingang türkisfarbene umlaufende Eckbänke und komplementäre orangefarbene Wände, markant aber nicht grell, dazu Tische mit trendigem Terrazzo. Letztere gibt’s auch linksseitig, nur in dunkler, abgerundeter Variante, dazu rötliches Mobiliar und – ebenfalls komplementärfarben – Wände in Pastellmint, dazu viele Pflanzen und kleine Äffchen, die Maskottchen der Location. Es ist eines dieser Konzepte, in denen wir gerne erstmal ein bisschen herumlaufen, bevor es an den Tisch geht, unaufgefordert Fotos machen und das Ambiente auf uns wirken lassen. Jürgen Dollase schrieb kürzlich, er verdächtige die Inneneinrichtung, vom Essen abzulenken. Eine etwas kurzsichtige Pauschalisierung des langhaarigen Kritikers, finden wir. Aber das nur am Rande, seine Meinung sei ihm gelassen.

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Der „Diner-Bereich“ – das Bild hat übrigens Noah Becker gemalt

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Der „Dejeuner-Bereich“

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2020 haben wir das „Anouki“ einfach verpasst, umso schöner, es nun endlich kennen lernen zu können. Der Start der Gastronomie war eine unverschuldete Bauchlandung: Es sollte im Mai 2020 losgehen, doch der erste Lockdown (der eigentliche „Lockdown light“) kam dazwischen. „Wir sind dann im Sommer gestartet. Es lief gut los“, erklärt Tobias Pietzsch. Der gastronomische Leiter war damals noch gar nicht an Bord, das ist er erst seit diesem Juni, sondern verantwortete 2020 noch als Küchendirektor die Kantine auf dem riesigen Campus von Zalando nahe Ostbahnhof – eigentlich ein super spannender Job, wäre da nicht das fortwährende home office der Belegschaft und die Kurzarbeit für die Küche. So ging er zurück in die klassische Gastronomie, in der er zuvor viele Jahre unter Thomas Bühner im legendären „La Vie“ in Osnabrück tätig war – zusammen mit Sascha Lissowsky, der das „Anouki“ als Patron mit aufgebaut hat und derzeit vor allem auf Norderney für das Unternehmen tätig ist.

Bevor jetzt die komplette Verwirrung sich breit macht – Charlottenburg, Osnabrück, Frankreich, Ostfriesland – ein kurzer Erklärbär: Hinter dem Ganzen steht ein Duo aus dem beschaulichen Meppen im Emsland, Marisa Möller und ihr Vater Egbert. Ihnen gehört Pro Urban, ein auf Projektentwicklungen von Eigentumswohnungen über Senor*innenresidenzen bis zur Gastronomie ausgerichtetes Unternehmen. Auf Norderney betreibt man sie das Hotel New Wave mitsamt Restaurant Oktopussy, das baulich dem „Anouki“ nicht ganz unähnlich ist. Kürzlich kam noch das Burgerkonzept Goldy auf der Insel dazu. Dort läuft das Geschäft, nach einem langen Lockdown, wieder gut – im Sommer 2021 will halb Deutschland ebenso wie 2020 in heimischen Gefilden Urlaub machen. Überdies plant man bereits eine weitere Seniorenresidenz in Düsseldorf, inklusive Kantine/Gastronomie sowie Projektentwicklungen in weiteren Städten.

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Aus dem aktuellen Menü: Landhuhn …

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… und dazu ein Drink mit Rhabarber und Pfeffer

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Romana-Salat im Jackson-Pollock-Look

Zoomen wir wieder rein ins „Anouki“. Dessen Interior Design ist übrigens vom unternehmenseigenen Architekturteam gestaltet worden, wie in den anderen Objekten auch. Auf dem Terrazzo-Tisch liegt die neue Karte. Küchenchef Christian Hoffmann, der zuvor u.a. im „Eins44“ und in der „Sky Kitchen“ tätig war, und Souschef Tarik El Dessouki haben sie im zweiten Lockdown angepasst. Den Service bzw. das Restaurant leitet Sofiia Petrova. Frankreich als Thema ist geblieben, aber die große Brasserie-Karte wurde geteilt in kleinere Klassiker von der Bouillabaisse über die Jahrgangssardine mit Frites, Boeuf Bourgignon und Steak Tartare in Tapasgrößen.

Dazu kommt nun das saisonale Fünfgang-Menü, das alle sechs, sieben Wochen changiert. Derzeit u.a. mit einem köstlich arrangierten Landhuhn von Odefey & Töchter mit Erbse, Rhabarber und Kartoffel sowie einem funky Romanasalat mit Maracuja, Koriander und Karotte. Klassisch kann man dazu eine Weinbegleitung nehmen, aber auch eine alkoholfreie, dann kommt zum Salat ein spannender hausgemachter Maracuja-Karotten-Drink, der den Gang quasi flüssig verlängert, oder ein Rhabarber-Pfeffer-Drink zum Landhuhn, der mit Süße und Würze das Herzhafte umschließt. Man kann aber auch nach Lust und Laune sein eigenes Menü zusammenstellen, oder nur zwei oder drei Gänge nehmen – äußerst flexibel gestaltbar also. Und äußert miam-miam: Es schmeckt alles richtig klasse, inklusive des Desserts aus weißer Schokolade, Gurke, Koriander und Dill. Casual, Fine, wie auch immer man es mag, c’est tout possible ici.

bouillabaisse - management, konzepte, gastronomie #restartgastro 2021, Teil 2: Anouki, Berlin

Tapas: Bouillabaisse …

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… Frites mit üppigen Jahrgangssardinen …

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… und das Dessert aus dem Menü zum Schluss

Inhaltlich ist die Anpassung weg vom Ganztages-Geschäft inklusive Frühstück sowie Kaffee und Kuchen hin zu Mittagstisch und Abendkarte – jetzt auf vier Tage verdichtet statt siebentägig – sehr überzeugend. Etwas mehr Frequenz wünsche man sich noch, besonders am Samstag, erfahren wir. Auch Flying Dinner oder Küchenpartys für Unternehmen plane man bzw. man ist bereit, es kann losgehen, sobald die zurzeit noch zögerlichen Firmen wieder solche Veranstaltungen aktiv für Mitarbeiter*innen oder Kund*innen nutzen wollen.

Das alles muss sich jetzt ein bisschen rumsprechen: Das Anouki hat sich von der Ganztages-Brasserie zur unkomplizierten, modernen, aber auf hohe Qualität bedachten Bistronomie gewandelt. Vielleicht ist man damit fortan etwas mehr Destination-Gastronomie, die gezielt aufgesucht wird. Der Lauf findet ohnehin auf der anderen Seite der Bahntrasse Richtung Stutti und Berlins gefühlt einziger Fußgänger*innenzone hin statt bzw. auf der Wilmersdorfer Straße. Deswegen noch mal: Wer am Bahnhof Charlottenburg aussteigt, möge zur Seite Gervinusstraße rausgehen, links über die Kreuzung et soyez les bienvenues.

www.anouki-brasserie.de

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