Digitalisierung in der Gastronomie, Teil 5/5: Amazon gibt’s auch für die Gastronomie – Zeit und Geld sparen beim Einkauf

von Jochen Stähler

In seiner fünfteiligen Serie zeigt Jochen Stähler, Ex-Gastronom und Autor von Gastro.Digital, wie Betriebe ihr eigenes Digitalkonzept erfolgreich auf- und ausbauen. Im fünften Teil – Season-Finale – zeigt er, wie sich mit dem (digital organisierten) Einkauf Geld, Zeit und Nerven sparen lassen. 

Das Wort „Einkauf“ eigentlich ein überholter Begriff, wenn es um die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen geht. Denn die effiziente und effektive Beschaffung geht über den Vorgang des Einkaufs hinaus und umfasst einen mehrstufigen Prozess mit folgenden Stufen:

  • Bedarfsermittlung
  • Lieferantensuche, -bewertung und -auswahl
  • Bestellung
  • Wareneingang
  • Reklamation
  • Zahlungsabwicklung
  • Rechnungsbearbeitung
  • Inventur und Verbrauchscontrolling

In der analogen Welt kommt das Beschaffungswesen mit vielen Handgriffen und einer Menge Belegen daher. Insbesondere das „Einkaufengehen“, das Verräumen der Ware und die Telefonate mit Lieferant*innen sind echte Ressourcenfresser. Das Lieferantenmanagement ist ebenfalls sehr aufwändig und auch die Kontrolle über Verbräuche und Preisentwicklungen erfordert einen hohen Personaleinsatz. Für die Verbuchung der diversen Belege, die beim Einkaufen anfallen, geht ebenfalls eine Menge Zeit drauf.

Die Digitalisierung bietet die Möglichkeit, entweder einzelne Arbeitsschritte oder den kompletten Beschaffungsprozess für Waren, die in der Produktion benötigt werden, zu vereinfachen und zu automatisieren.

1. Warenbestellungen fürs operative Geschäft im Onlineshop – eine große Entlastung für dein Team

Wenn du mit Lieferanten arbeitest, bei denen du online bestellen kannst und die dich beliefern, gehst du einen wichtigen Schritt in die Digitalisierung und Automatisierung. Denn dann entfallen zeitaufwändige Telefonate, und du sparst viel Zeit für Fahrten und Marktbesuche. Allein an dieser Stelle kommen jede Woche einige Stunden zusammen, die du und dein Team statt beim Einkaufen damit verbringen könnt, wichtige Aufgaben im Betrieb oder in der Vermarktung wahrzunehmen. Außerdem ist es bequemer, dir schwere Artikel ins Lager liefern zu lassen, als diese selbst zu schleppen.

Neben der Zeitersparnis und den praktischen Tools bietet „Online-Shopping“ einen enormen Nutzen beim Controlling deiner Warenverbräuche, wenn in deinen Profilen auf den Lieferantenshops Statistiken zu all deinen Einkäufen bis auf Artikelebene per Knopfdruck abrufbar sind. Das hilft dir bei der Suche nach starken Kostentreibern und bei der Beobachtung von Preisentwicklungen. Außerdem fallen falsch fakturierte Preise schnell auf und können reklamiert werden.

Online-Shopping, also Bestellen im Online-Shop und Anlieferung an dein Lokal, wird vor allem von Großhändlern wie bspw. Metro, Selgros, Transgourmet, Chefs Culinar, Vierlande oder Froneri Schöller angeboten.

2. Einkaufsgemeinschaft plus Procurement-System – das totale One-Stop-Shopping

Willst du mehr als nur online einzukaufen? Dann wirst du bei Einkaufsgemeinschaften fündig, die dir Zugriff auf einen Lieferanten-Pool und zusätzlich digitale Tools zur kompletten Bestellabwicklung bieten.

In Deutschland gehören dazu die Progros, die HGK und die Hogast. Die Mutter der deutschen Hogast sitzt in Österreich, wo auch die Einkaufsgemeinschaft Manfreddo am Start ist. Für Schweizer Gastronom*innen sind u.a. Minotel und Horego interessante Anlaufstellen.

a) Lieferantenpool – das Pendant zum Amazon Marketplace

Alle der genannten Unternehmen haben einen Pool von Lieferanten aufgebaut, aus deren Sortiment du den Warenbedarf für dein Restaurant, dein Café oder deine Bar decken kannst. Ganz ähnlich dem Marketplace von Amazon bieten dir die Lieferantenpools Zugriff auf ein besonders breites Warensortiment auch von kleinen, spezialisierten Händlern. Dank dieser umfangreichen Auswahl an Angeboten fällt es dir leicht, deinen Speisen und Getränken eine besondere, individuelle Note zu verleihen. Und natürlich werden dir alle Waren auch direkt ins Lokal geliefert.

Den Vergleich der Artikel und Preise der Anbieter erledigst du bequem online vom Rechner aus. Ein weiterer wichtiger Auftrag der Einkaufsgemeinschaften ist es, als Großabnehmer bessere Preise und Konditionen auszuhandeln, von denen du dann profitierst.

Außerdem bieten die meisten Gemeinschaften ihren Mitgliedern an, alle Rechnungen in einer einzigen Abrechnung zu bündeln – du als Besteller musst also nur eine Zahlung und einen Beleg bearbeiten. Neben der Zeitersparnis bei der Auswahl und Bewertung der Lieferanten sparst du also auch Zeit und Geld in der Buchhaltung.

b) Online-Shops

Zusätzlich zum Lieferantenpool betreiben alle Einkaufsgemeinschaften einen Online-Shop, von dem aus du Zugriff auf das komplette Warensortiment hast. Die Auswahl aus dem Angebot im Lieferantenpool und die Online-Bestellung funktionieren im Wesentlichen so, wie du es auch von Amazon oder anderen Online-Shops kennst.

c) Zusätzliche wertvolle Features zur Automatisierung deines Beschaffungsmanagements

Einige Anbieter haben den Online-Shop zu einer ganzheitlichen Procurement-Lösung ausgebaut. Procurement-Lösungen sind dazu gemacht, alle deine Aktivitäten zur Warenbeschaffung in einem Tool zu bündeln. Und an dieser Stelle gehen die Leistungen dieser Anbieter sogar deutlich über die Annehmlichkeiten hinaus, die Amazon seinen privaten Kund*Innen bietet.

Mit Procurement-Lösungen lassen sich die folgenden Prozessschritte digitalisieren und automatisieren:

  • Lieferantenverträge managen
  • Produktkataloge bzw. Einkaufslisten erstellen
  • User Accounts und Berechtigungen anlegen
  • Online bestellen
  • Zahlungen abwickeln und Kreditoren verwalten
  • Belege verarbeiten
  • Reklamationen managen
  • Warenbestandsentwicklung überwachen
  • Inventuren durchführen

Ein weiterer wichtiger Baustein zur Automatisierung deiner Beschaffungsprozesse ist die Anbindung des Systems an deine Kasse und die Nutzung von Rezeptur- und Kalkulationsmodulen. Die Kasse liefert dem System in Echtzeit die Anzahl der verkauften Gerichte und Getränke sowie die jeweils erzielten Netto-Umsätze. Sind im Rezeptur-Modul die verwendeten Zutatenmengen je Gericht und Getränk hinterlegt, errechnet das System laufend die verbrauchten Gesamtmengen und zieht sie vom Lagerbestand ab. Die Kalkulationsmodule kennen die jeweils aktuellen Preise für jeden Artikel im Lager und errechnen für jeden Posten auf deiner Karte die aktuellen Deckungsbeiträge. So verknüpft, bilden Kasse und Procurement-System eine sehr wichtige Controlling-Einheit, mit deren Hilfe du deinen Geschäftserfolg in Echtzeit im Auge behältst.

Um herauszufinden, welcher Einkaufspool zu deinem Unternehmen passt und mit welcher Digital-Lösung zum Beschaffungsmanagement du am besten fährst, ist die eingehende Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Warenangebot und dem Leistungsumfang der digitalen Systeme unabdingbar. Um dich mit der komplexen Materie vertraut zu machen, stellen dir alle Einkaufsgemeinschaften persönliche Betreuer*innen zur Seite. Dasselbe gilt für die Einrichtung und den laufenden Betrieb deines Systems. Da du dir dein individuelles Leistungspaket aus einem Modulbaukasten zusammenstellst, sind auch die Preise dafür vom individuellen Fall abhängig.

Wo die Digitalisierung in der Beschaffung an ihre Grenzen stößt

Welche Möglichkeiten zur Digitalisierung des Beschaffungsprozesses in deinem Unternehmen sinnvoll zum Einsatz kommen, hängt vom individuellen Fall ab. In der Sterne-Gastronomie beispielsweise kommt es sehr stark auf die Vielfalt und die herausragende Qualität der verwendeten Produkte an. Der Einkauf eines „Standard“-Sortiments aus dem Online-Shop eines Großhändlers kommt hier also eher bedingt in Frage.

Sehr kleine Unternehmen führen meist ein überschaubares Lager und realisieren vergleichsweise niedrige Output-Mengen. Diese Betriebe können zwar von der Mitgliedschaft in Einkaufsgemeinschaften profitieren. Aber hier auch noch eine Prozess-Automatisierung zu installieren, welche die Wareneingänge sofort elektronisch erfasst, per Rezeptur-Modul laufend die Warenabflüsse registriert und in Echtzeit Wareneinstandspreise und Deckungsbeiträge je Gericht berechnet, wäre wohl „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“.

Schlussendlich machen digitale Lösungen eben immer dann Sinn, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu alternativen Methoden besser ist.

Arbeitet ihr in eurem Betrieb schon mit digitalen Tools fürs Beschaffungsmanagement bzw. befasst ihr euch aktiv mit diesem Thema? Was sind eure Erfahrungen und Erfolge bisher? Wir haben dazu eine Umfrage gestartet und würden uns freuen, wenn du uns deine Meinung mitteilst. Der Fragebogen ist in nur 2 Minuten ausgefüllt. Einfach hier klicken.

Was hast du davon? Nachdem du deine Antworten gegeben hast, kannst du sofort die Antworten der anderen User*innen sehen. Die komplette Auswertung nach Abschluss der Befragung findest du auf meinem Blog digygastro.de. Du kannst die Ergebnisse perfekt nutzen zum Vergleich deiner Situation mit der in anderen Betrieben. Außerdem hilfst du mit deiner Einschätzung dabei, das Informations- und Beratungsangebot bedarfsgerecht auszubauen. Denn die Infos fließen in die Themenauswahl auf meinem Blog ein.

Mit diesem Beitrag endet meine kleine Reihe mit Artikeln zur Digitalisierung in der Gastronomie auf nomyblog. Im Archiv kannst du die bereits veröffentlichten Beiträge nachlesen:

Willst du noch tiefer in die Welt der Digitalisierung in der Gastronomie einsteigen, findest du umfangreiches Wissen in Jochen Stählers Buch GASTRO.DIGITAL. Der systematisch aufgebaute Ratgeber mit vielen Praxisbeispielen ist in der dfv Mediengruppe Fachbuch erschienen. Du bekommst ihn im Buchhandel, bei Amazon oder im dvf-Shop für 29,90 Euro.

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