Choco – das Einhorn im Honeypot

Das Unternehmen will erst der Gastro helfen und dann die gesamte Nahrungsmittelkette digitalisieren

von Jochen Stähler

Die Berliner Startup-Szene liefert derzeit spannenden Stoff für die Digitalisierung in der Gastronomie. Das Unternehmen Choco, eine digitale Bestellplattform für den Einkauf für die Gastronomie und ihre Lieferanten, ist seit Frühling dieses Jahres ein Einhorn.

Für alle, die sich nicht regelmäßig in der Startup- und Venture-Capital-Szene umtun: Als Einhorn wird ein Startup bezeichnet, dessen Marktbewertung vor dem Börsengang bei einer Milliarde Dollar liegt. Bei Choco sind es nun mehr als 1,1 Milliarden. Eine Milliardenbewertung für das Unternehmen heißt zwar nicht, dass genauso viel Cash auch auf den Konten liegt. Aber das Kapital, das ein Unternehmen mit solcher Bewertung bei Investoren einsammelt, ist ein ordentlicher „Honigtopf“, um einen starken Start in den Markt finanzieren zu können. 

Die Einhorn-Bewertung von Choco ist schon allein deswegen ziemlich bemerkenswert, weil die Digitalisierung von Einkauf und Beschaffung bisher vergleichsweise wenig im Fokus der Gastgeber*innen stand – Themen wie Marketing, Reservierungen oder Lieferservice erhielten da weit mehr Aufmerksamkeit. Trotzdem hat es Choco mit seiner Vision geschafft, Investoren derart zu begeistern, dass das Unternehmen nun in die Spitzenliga der Startup-Szene aufgestiegen ist. Und das schlappe vier Jahre nach seiner Gründung.

Ziel: gesamte Nahrungsmittelkette digitalisieren

Um es vorweg zu nehmen: Eine App für die Gastro zu machen, hätte allein wahrscheinlich nicht für eine derart hohe Bewertung gereicht. Das Unternehmen hat sich vielmehr vorgenommen, die gesamte Nahrungsmittelkette zu digitalisieren. Dabei helfen die Daten, die Choco bei jedem Bestellvorgang sammelt, sehr. Ebenso ist das Geschäft mit der Gastronomie die Basis, um die erforderliche Technik zu entwickeln. Außerdem wird eine Art Fintech-Department aufgebaut, damit die Geldströme zwischen Händlern und Abnehmern über das hauseigene System laufen und Choco somit ein Stück von diesem Kuchen abbekommt. 

Bis Choco die Digitalisierung der Nahrungsmittelkette gewuppt hat, ist es noch ein weiter Weg – laut Unternehmenswebseite werden derzeit monatlich 100.000 Bestellungen der Gastronomie an ihre Händler über die Plattform gemanagt. Das Gründerteam von Choco will es jedoch versuchen, und das wird in jedem Fall eine spannende Reise.

 

Zu diesem Thema mal ein kleines Quiz:

Bestellt ihr noch per Fax oder Telefon eure Waren?
Wälzt ihr noch gedruckte Angebotshefte?
Verbringt ihr viel Zeit im Großmarkt?
Erhaltet ihr eure Rechnungen noch größtenteils in Papierform?

Habt ihr mindestens 2 Fragen mit „ja“ beantwortet, ist es Zeit, sich intensiver mit dem Thema Digitalisierung im Einkauf zu befassen. Denn euer Team verschwendet Zeit und Geld.

 

Da sich nun Choco das Gastro-Geschäft als Sprungbrett in das ganz große globale Geschäft mit Nahrungsmitteln ausgewählt hat, wollen wir uns mal ansehen, was hinter dem Angebot steckt und wie viel Nutzen es stiftet.

WhatsApp für die Gastronomie

Erklärt wird die Funktionsweise mit dem Vergleich zu WhatsApp: Die Choco-App wird auf Handys und Tablets, bei Bedarf aber auch auf dem Rechner installiert. Man kann damit im Team chatten, um sich über Bedarfe und Bestellungen in Küche, Bar usw. auszutauschen. Genauso sind Chats mit dem Kundendienst der Lieferanten möglich. 

Darüber hinaus gibt es in der App einen Bereich, in dem man sich mit den Lieferanten verbindet und dessen Artikel, die im Haus verwendet werden, anlegt. Man muss also nicht auf ein vorgegebenes Portfolio an Lieferanten und Artikeln zurückgreifen, sondern kann bei seinen bestehenden Anbietern bleiben. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die bevorzugten Lieferanten mitziehen. Sowohl die Überzeugungsarbeit bei den Händlern als auch bei deren Anbindung und beim Einpflegen des Sortiments in die App unterstützt das Serviceteam. 

Es gibt zwei Arten der Lieferantenanbindung. Die eine funktioniert so, dass die Bestellungen im Chat aus der App an die Lieferanten gesendet werden. Die Chatnachricht wird von der Choco-Software an den Lieferanten weitergeschickt. In der anderen Variante werden die Warenwirtschaftssysteme der Lieferanten an Choco per API angebunden. Das ermöglicht den Lieferanten unter anderem, ihren Kunden ihr komplettes Sortiment in der App zu präsentieren und auf Angebote hinzuweisen. Die übrigen Abläufe des Bestellvorgangs bleiben, wie sie sind.

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Grafik: Choco

Der Hauptnutzen der App liegt derzeit also darin, dass Bestellungen nicht mehr zeitaufwändig per Telefon oder Fax getätigt werden, was auch Übertragungsfehler reduziert. Außerdem können Orders mit der App rund um die Uhr platziert werden.

Für Gastgeber*Innen ist dieser Service in beiden Varianten kostenlos. Lieferanten zahlen ebenfalls erstmal nichts. Gebühren werden für sie erst fällig, wenn Werbung z.B. für saisonale Angebote oder neue Produkte im Sortiment geschaltet wird.  

Zusätzlich bieten die Financial Services von Choco den Gastronom*innen die Möglichkeit, Zahlungsziele zu nutzen – also praktisch einen Dispo. Lieferanten hingegen können dank Choco ihren Abnehmern Zahlungsziele gewähren und kommen trotzdem sofort an ihr Geld, indem sie Choco gegen eine prozentuale Gebühr als Zwischenfinanzierer einschalten.

So weit, so gut. Aber tatsächlich gar nicht so neu.

Denn es gibt schon seit einiger Zeit Tools mit vergleichbaren Funktionalitäten, wie sie Choco bietet. In Deutschland sind u.a.die Progros, die HGK und die Hogast am Start, in Österreich Manfreddo und in der Schweiz Minotel sowie HOREGO. Die genannten Anbieter gehen übrigens bereits heute deutlich weiter als Choco: Zu deren Leistungsangebot gehört beispielsweise, dass man die tagesaktuellen Preise und Verfügbarkeiten der Artikel sieht, seine Belege online und für DATEV lesbar zugestellt bekommt, Rechnungen gebündelt erhält, am Monatsende alles in einem Aufwasch online bezahlen kann und Statistiken über die bisher getätigten Einkäufe online griffbereit hat. 

Das vermeidet Brüche im digitalen Arbeitsfluss, die Choco derzeit noch hat. Denn im Prinzip endet die Digitalisierung bei Choco nach dem Drücken des Bestellknopfs. Schön wäre es, wenn die App auch helfen würde, die mühselige Zettelwirtschaft mit den Belegen zu beseitigen, Zahlungen zu bündeln und zu digitalisieren, ein Controlling der Ausgaben für den Einkauf sowie den Preisvergleich verschiedener Anbieter zu ermöglichen. 

Führt man sich den Leitsatz „im Einkauf liegt das Geschäft” nochmal vor Augen, sind das im Grunde ziemlich wichtige Punkte, mit denen die App Punkten könnte und die andere Anbieter bereits bieten.   

Choco evangelisiert Gastgeber*innen

Aber: Durch den einfachen Aufbau lässt sich Choco intuitiv bedienen und ist schnell erklärt. Außerdem nutzt das Unternehmen sein beachtliches Kapital, um den Markt zu „evangelisieren“, also Gastgeber*innen zu erklären, dass man die Beschaffung digitalisieren kann und welche Vorteile das bringt. Der eine oder andere Wettbewerber hingegen erfreut seine Anwender*innen nach wie vor mit nicht-intuitiven Cockpits oder zu viel Komplexität. Doch die Konkurrenz schläft ja bekanntlich nicht und wie man hört, bastelt sie bereits daran, auch ihre Systeme intuitiver zu gestalten und besser zu erklären.

In Summe hat Choco der Branche allein durch sein Evangelisierungs-Programm und den Konkurrenzdruck, den es aufgebaut hat, tatsächlich bereits sehr viel Gutes beschert. Es ist für Gastgeber*innen auf jeden Fall lohnend, sich die App genau anzusehen Und genauso lohnt es sich, auch andere Anbieter in Augenschein zu nehmen – und am Ende aus dem Vergleich die beste Lösung fürs eigene Unternehmen auszuwählen. 


Unser Kolumnist Jochen Stähler versorgt uns regelmäßig mit Brainfood aus der Welt der Digitalen Transformation. Natürlich hat er Apps & Tools im Blick, hinterfragt aber auch, wie Anbieter und Anwender damit umgehen. Er ist Autor des Buches GASTRO.DIGITAL, bietet Weiterbildung und Beratung für Gastgeberinnen und Gastgeber an und informiert auf seinem Blog digygastro.de

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