Fortbestand durch Diversifizierung: So trotzt „FLORIS Catering“ der Krise   

von Jan-Peter Wulf
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Privat und geschäftlich ein Team: Kerstin und Floris Vlasman lernten sich im „Interconti“ in Düsseldorf kennen. Foto: Jan Voth

Mitten im Coronajahr 2020 hat das Berliner Unternehmen „FLORIS Catering“ seine neue, hochmoderne und energieeffiziente Produktionsstätte eröffnet. Trotz Eventflaute ist hier viel los: Denn das Geschäft läuft u.a. mit dem Verkauf von Foodboxen und eigenen Produktentwicklungen im Onlineshop weiter. Wir haben die „FLORIS Factory“ besucht.

Floris Vlasman steht auf der Schwelle der schmalen Büroeingangstür seines Cateringbetriebs und blickt in den Vorgarten. Wo jetzt ein schlichter Rasen liegt, sollen bald Kräuter und Salate gedeihen (Hinweis: Das Gespräch wurde Anfang 2021 geführt, mittlerweile gedeiht dort schon so einiges, Anm. d. Red.).  „Im Frühjahr fangen wir an, aus ausgemusterten Biertischgarnituren und Europaletten Hochbeete zu bauen“, erklärt der gebürtige Amsterdamer, der zusammen mit seiner Frau Kerstin seit über 26 Jahren das Unternehmen FLORIS Catering betreibt. Im letzten Jahr ist man nach über zwei Dekaden am alten Standort in Berlin-Kreuzberg ins Industriegebiet in Neukölln umgezogen. Eine ehemaliges Zerspanungswerk für die Autoindustrie mit 1.200 m² Quadratmetern überdachter Fläche ist nun die „FLORIS Factory“, das neue Herz des Unternehmens, das 1994 mit Filmcaterings begann.

Binnen rund fünf Monaten wurde aus einem Gebäude, in dem sich nicht einmal mehr die Rollläden bedienen ließen, ein exakt auf die eigenen Bedürfnisse ausgerichteter Mix aus Produktion, Logistik, Lager, Foodentwicklung und Büro. Am 1. März 2020 begann das große Bauprojekt mit einem knappen Dutzend Gewerken, wenige Tage zuvor brach die Businesswelt zusammen. „Das Dilemma fing für uns am 28. Februar 2020 mit der Absage der ITB an“, so Vlasman. Fünf große Stände sollte man eigentlich auf der weltgrößten Tourismusmesse ab dem 4. März bespielen, man stand komplett in den Startlöchern, auf einmal war alles weg.

Hatte man 2019 noch mit 600 Veranstaltungen, 60.000 Gästen und bis zu 14 Events taggleich ein Spitzenjahr gehabt und starke Monate Januar und Februar 2020 verbuchen können, musste man nun einen Wal aufs Trockendock legen. Und sich im Laufe des Jahres gezwungenermaßen verkleinern, was den Personalstamm betrifft. „Am Ende ging es darum, das Überleben des Unternehmens zu sichern“, so Vlasman. Wenigstens bot die Durststrecke Zeit und Raum, besagtes Trockendock ganz nach eigenen Vorstellungen zu gestalten – und einhergehend mit der fortdauernden Zwangspause im Eventgeschäft durch Diversifizierung neue Geschäftsfelder aufzubauen und zu erschließen.

Produktion im Cubeformat

Wir stehen nun in der Halle. Wo sich früher eine Gießerei befand, hat der Architekt Carlo Ferrante, der auch den ehemaligen „FLORIS“-Feinkostladen am Gendarmenmarkt konzipierte und in Berlin Interieurs namhafter Restaurants wie „Dudu“, „acht&dreissig“ und „Filetstück“ gestaltete, mit Sandwichplatten und im Trockenbauverfahren vier große Würfel errichtet. Einen für heiße Küche und einen für kalte, einen fürs Stewarding und einen für Patisserie sowie einen Showhub, in dem zum Beispiel Probeessen und Besprechungen durchgeführt, aber auch Foodfotografien produziert werden können. Die aufgereihten Würfel sind durch einen Mittelgang miteinander verbunden.

Auf der einen Seite befindet sich die Hardware von Töpfen und Schalen bis zu Verpackungs- und eigenem Dekorationsmaterial, auf der anderen Seite liegt die Rohware in der Kühlung. Den Fettabscheider hat man im wahrsten Sinne des Wortes outgesourct: Eine 40 Meter lange Rinne mit entsprechendem Gefälle verläuft unter den Würfeln entlang aus der Halle heraus, was drinnen unangenehme Gerüche vermeidet. Das geklärte Wasser wird dann in die Mischwasserkanalisation geleitet – genauer: gepumpt, denn die Kanalisation der Straße vor dem abgesenkten Gelände liegt höher.

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Fotos: Redaktion

In Kürze wird man auch eine Kompostieranlage ans Netz bringen, die mit Abschnitten von Gemüse und Co. im Rohzustand gefüttert wird. Sie macht daraus quasi über Nacht hochwertiges Substrat, das man – Stichwort Kreislaufwirtschaft – wieder für die Düngung der Hochbeete und neuer Kräuter und Salate nutzen kann.

Nachhaltigkeits-Pionier

Nachhaltigkeit wird bei „FLORIS Catering“ ohnehin schon lange gelebt. Schon vor zwölf Jahren begann man in Zusammenarbeit mit der Hamburger Klimaagentur KlimaInvest den ökologischen Fußabdruck zu messen und die „Schuhgröße“ Schritt für Schritt zu verkleinern. Es sind viele kleine Dinge, die ein großes grünes Ganzes ergeben: Bewegungsmelder sorgen dafür, dass nur Licht brennt, wenn sich jemand im Raum befindet. LED-Technik spart Energiekosten und amortisiert sich, hat man ausgerechnet, am neuen „FLORIS“-Standort nach vier Jahren. Der Strom ist zu 100 Prozent echter Ökostrom.

Wasserspardüsen, eine Waschmaschine, die Wassermenge und Spüldauer selbst berechnet, modernisierte Kombidämpfer, die bei gleicher Leistung weniger Wasser und Strom verzehren, gehören dazu. Den Müll sortiert man in acht Kategorien und unter jedem Arbeitsplatz stehen zwei Tonnen – eine für organischen Müll, eine für Papier. Und auch den Kunden bzw. Gast bezieht man mit ein: Gegen einen Aufpreis von 1,20 Euro pro Gast kann die gesamte Cateringleistung innerhalb der Stadt komplett klimaneutral dargestellt werden – dafür erhält der Kunde ein Zertifikat und kann, wenn er möchte, die Maßnahme auch für sein Marketing nutzen. Der Aufpreis kommt Projekten von KlimaInvest zugute und geht zum Beispiel in Windparks in der Ägäis oder in den Austausch von Kochöfen in Uganda, die weniger Brennholz benötigen und so die klimaschädliche Abholzung stoppen helfen.

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Aus Gemüseresten wird Zauberstreu

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Die Beste-Reste-Box von Greentable kommt auf Floris-Events zum Einsatz

Für das vorbildliche Nachhaltigkeitskonzept erhielt man schon diverse Auszeichnungen, zuletzt 2019 Gold vom DEHOGA Umweltcheck als bislang einziger Caterer und 2020 den 2. Platz beim METRO Preis für nachhaltige Gastronomie. Das über 60 Kriterien umfassende Nachhaltigkeitszertifikat des Landes Berlin, das man 2020 erwarb, erfüllte man auf Anhieb und wird auf Level 4 von 5 bzw. als high performer eingestuft. „Das Zertifikat Sustainable Meetings Berlin leitet uns zu einer noch größeren unternehmerischen Nachhaltigkeit und verankert einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess in unserem Unternehmen“, erklärt Geschäftsführerin und Inhaberin Kerstin Vlasman.

Neue Geschäftsfelder erschlossen

Dass man auch bei Einwegware sowie bei der Verpackung auf Plastikalternativen geht, von Papier und Pappe über PLA-Behälter bis zu Eiweißchips, ist da schon fast selbstverständlich.

Und mit dem Verpacken hat man nun jede Menge zu tun: Während das Eventgeschäft brach liegt, florieren bei „FLORIS“ der Versand von Boxen und der Verkauf eigener Produkte. Allein im Geschäft vor Weihnachten brachte man rund 4.000 Food- und Präsentboxen auf den Weg in 28 Länder, großenteils individualisiert mit bis zu zehn Items pro Box von der Gänsekeule bis zum Wein. Das eigene Team konfektioniert, verpackt und organisiert Verkauf und Versand – vom Veranstalter ist man zum Online-Feinkoster geworden.

„Keiner tut bei uns zurzeit mehr das, was er eigentlich tut“, so Vlasman. Auch die Foodfotos macht man jetzt selbst. Insbesondere für den Webshop, ein weiteres „Corona-Baby“. Verkauft werden: Lunch- und Dinnertüten mit regionalen Speisen, Bowls und Salate, Fingerfood und andere Snacks sowie ganze Menüs und Arrangements, die verzehr- bzw. regenerierfertig und in nachhaltigen Behältnissen wie Gläsern verschickt werden. Abnehmer sind zum Beispiel Firmen für ihre Mitarbeiter im Heimbüro oder für digitale bzw. hybride Events – wer am Jahres-Kickoff oder an der Vertriebstagung ganztägig vor dem Laptop teilnimmt, wird so unternehmensseitig mit qualitativ hochwertigen Speisen und/oder Getränken versorgt – optional sogar im Branding und mit Anschreiben des Kunden.

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Team Oranje: Floris Vlasman ist in Amsterdam geboren

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Aber auch das Endkundengeschäft hat man angekurbelt, so insbesondere mit dem Launch einer eigenen Produktlinie: LieblingsFOOD by FLORIS umfasst bereits rund 20 Produkte vom Karamell-Salz-Streich über die vegane Berliner Currywurst-Tunke und eine eigene Nussmischung bis zum Hausmarken-Sekt aus Riesling und Silvaner. Und im „Gemüse-Zauberstreu“ für Brühen, Suppen und Co. vergegenständlicht sich das Nachhaltigkeitsprinzip in Idealform: Abschnitte und Gemüsereste kommen in den neu angeschafften Dörrautomaten, werden granuliert, ins Schraubglas verpackt und mit quasi null Wareneinsatz verkauft.

„Wir verkaufen Emotionen“

Der Hauptstadt-Caterer erweist sich als enorm anpassungsfähig an die aktuellen Gegebenheiten, und doch – das Herzstück fehlt. „Wir verkaufen Emotionen und leben von der Begegnung“, so Floris Vlasman, der auch das Kochen im Düsseldorfer „Interconti“ lernte, bevor er nach Paris ging und beim legendären Koch und Konditor, Gastronomen und Caterer Gaston Lenôtre arbeitete.

Vlasman glaubt an eine notwendige, allerdings nicht vollständige Rückkehr zur alten Normalität des Eventgeschäfts mit allem, was dazu gehört. Das geringere Volumen – eventuell weniger Veranstaltungen und kleinere Kapazitäten – soll der neue Zweig kompensieren: Catering für Digital- und Hybridformate sowie Onlineshop, aber auch Ernährungsberatung für Schulen und andere Einrichtungen. „Auch hier werden wir Emotionen hineinbringen“, so Vlasman. Und vielleicht helfen dann schon bald Berliner Schulkinder mit, die Hochbeete vor der „FLORIS Factory“ in Schuss zu halten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in Cooking + Catering Inside, Ausgabe 1/2 2021.

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