Dustin Dankelmann: „Was wir in unserem Garten anbauen, gibt es in keinem Supermarkt und bei keinem Lieferanten zu kaufen“

von Antje Urban
dustin dankelmann - interviews-portraits, gastronomie, food-nomyblog Dustin Dankelmann: „Was wir in unserem Garten anbauen, gibt es in keinem Supermarkt und bei keinem Lieferanten zu kaufen“

Dustin Dankelmann (rechts) und sein Geschäftspartner Martin Schneider. Fotos: privat

Dustin Dankelmann hat bei den ganz Großen der Branche gelernt. Nachdem er sein Biologie-Studium für eine Kochlehre schmiss, begann er mit einem Praktikum bei Drei-Sterne-Koch Juan Amador. Von da an war das Ziel für ihn klar: Sternekoch werden. Es folgten Lehrjahre in den Zwei- und Drei-Sterne-Häusern von Yannick Alléno, Nils Henkel, Stefan Steinheuer und Klaus Erfort.

Als er von dort als Küchenchef ins Restaurant 959 nach Heidelberg wechselte, wurden Medien und Gastrokritiker schnell auf ihn aufmerksam. Der Unternehmer und Ehemann von Schwimmlegende Franziska van Almsick hatte das Restaurant 959 erst 2018 eröffnet. Erstaunlicherweise erhielt Dankelmann seitens des Eigentümers nicht den Auftrag, einen Stern für das 959 zu erkochen. 2019 wurde er aber „die Entdeckung des Jahres im Gault&Millau“. Von da an war das Interesse an dem jungen Koch noch größer.

Im letzten Jahr übernahm Tristan Brandt als Geschäftsführer das „959“, nachdem er das Restaurant „Opus V“ in Mannheim (zwei Sterne) verlassen hatte – wir berichteten. Kurz darauf schied wiederum Dankelmann aus dem „959“ aus, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. Eine davon führte ihn unter anderem zum Obst- und Gemüseanbau. Eine weitere bringt ihn demnächst in den IHK-Prüfungsausschuss. Spannende neue Herausforderungen, über die Antje Urban mit dem 28-Jährigen gesprochen hat.

Hallo Dustin, einen Namen hast du dir mit deiner Küche im Restaurant 959 gemacht – jetzt findet man dich vorwiegend auf dem Acker. Wie ist es dazu gekommen? 

Bereits in meiner Kindheit hatte ich daheim im Garten meiner Oma einen riesigen Gemüsegarten, den ich mit allerhand verschiedenen Pflanzen bewirtschaftet habe. Leider konnte ich die letzten Jahre zeitbedingt dieser Leidenschaft nicht mehr nachgehen, bis uns Anfang 2020 eine Idee kam. Also haben wir schon mit einigen Köchen noch im „Restaurant 959“ den ersten Lockdown genutzt und uns in Kooperation mit dem Projekt „Mikrolandwirtschaft“ einen 200 Quadratmeter großen Acker mit über 100 verschiedenen Gemüsesorten angelegt. Darunter waren allein etwa 30 verschiedene Tomatensorten. Wir haben ziemlich schnell begriffen, was dies für ein Potenzial birgt. Von einem Heidelberger Unternehmer haben wir nun in Heidelberg-Kirchheim ein etwa 1.700 Quadratmeter großes Grundstück zur Verfügung gestellt bekommen, auf dem sich bereits viele über 50 Jahre alte Obstbäume befinden.

Was genau habt ihr damit vor?

Hier legen wir aktuell einen Garten an, mit dem wir unser zukünftiges Restaurant versorgen möchten – ergänzt durch Produkte von nachhaltigen Produzenten aus der Region. Angefangen bei vergessenen Kartoffelsorten, wie „Angeliter Tannenzapfen“ oder „Ballwitzer Rotwalze“ über Erdbeerspinat und Spargelsalat bis hin zu alten Tomatensorten, wie „German Gold“ oder „Königin der Nacht“. Gegärtnert wird nach der Natur, nicht gegen sie, Spritzmittel sind tabu und Insekten sind herzlich willkommen. Selbst einige Bienenvölker haben wir auf unserem Acker und können unseren eigenen Honig verarbeiten! Weiterhin planen wir die Haltung einiger Hühnerrassen, um somit unsere eigenen Eier zu verarbeiten.

Was genau begeistert dich denn so daran, selbst Gemüse anzubauen?

Was wir in unserem Garten anbauen, gibt es in keinem Supermarkt und bei keinem Lieferanten zu kaufen. Die Welternährung hängt an der Vielfalt der Nutzpflanzen, es gibt viele alte regionale Sorten, die von unseren Vorfahren gezüchtet wurden, aber viele sind bereits auch schon verschwunden. Und das ist meiner Meinung nach schlecht. Leider setzt die landwirtschaftliche Massenproduktion nur auf wenige spezielle Hochleistungssorten. Uns geht es um die Vielfalt, wir sehen den Acker durchaus als eine Art Erhaltungsprojekt für vergessene Gemüsesorten. Und das Spannende ist eben gerade der Geschmack, der sich in solchem Gemüse entwickelt.

Du willst jetzt aber kein Landwirt werden?

Nein, das nicht. Ich freue mich sehr, dass ich nun diese Leidenschaft wieder verfolgen kann, aber langfristig möchte ich mich schon wieder auf die Küche konzentrieren. Letztendlich bin ich ja Koch und möchte jetzt nicht im Garten rumspringen, nur weil es gerade in Mode ist. Ich finde es einfach wichtig, sich mit den Lebensmitteln auseinander zu setzen. Wenn man einmal den Geruch eines frisch abgeernteten Kartoffelfeldes in der Nase hatte, da bekommt man einen ganz anderen Bezug zu den Lebensmitteln. Letztendlich arbeiten wir auf unserem Acker mit einigen lokalen Landwirten zusammen, die uns mit Rat und Tat zur Seite stehen und uns unterstützen. Langfristig möchten wir auch einen Gärtner einstellen, sobald wir dann wieder in einer Küche stehen können.

Im Moment versorgt ihr euch mit dem Gemüse nur selbst?

Ja, seit wir unser eigenes Gemüse ernten, brauche ich nur noch selten in den Supermarkt gehen, weil ich mich komplett selbst mit unseren eigenen Lebensmitteln versorgen kann. Da wird das einfach auch ein Stückweit zur Lebenseinstellung, sich für gute Lebensmittel einzusetzen. Ich mag auch keine Tomaten mehr im Supermarkt kaufen, weil ich jetzt weiß, wie unsere selbst angebauten Tomaten schmecken.

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Warum bist du eigentlich direkt, nachdem Tristan Brandt das „959“ als Geschäftsführer übernommen hat, weg gegangen?

Es wäre sicherlich eine spannende Zusammenarbeit geworden. Allerdings sollten in diesem Zusammenhang im Unternehmen viele Strukturen in eine Richtung geändert werden, die mit meiner Philosophie nicht in Einklang zu bringen waren. Daher habe ich mich dazu entschieden, das Unternehmen zu verlassen und eine Fortbildung zum Küchenmeister an der Hotelfachschule Heidelberg zu absolvieren.

Warum bist du in der Rhein-Neckar-Region geblieben?

Ich habe tatsächlich mein Herz in Heidelberg verloren, wie man hier so schön sagt. Dadurch, dass man als Koch in seinen Lehrjahren eigentlich keinen festen Wohnsitz hat und von einem Restaurant zum nächsten wechselt, habe ich natürlich in den letzten Jahren sehr viele Umzüge gehabt, von Neuss nach Bonn, Bergisch-Gladbach, dann nach Bad-Neuenahr, über Paris nach Saarbrücken, bis ich dann nach Heidelberg gekommen bin. In Heidelberg war aber alles anders. Ich habe mich einfach wunderbar aufgenommen gefühlt hier in der Region und habe viele tolle Menschen kennengelernt, die mir sehr ans Herz gewachsen sind. Es ist einfach wunderschön hier in der Region und die Nähe zur Pfalz ist für mich als Weinliebhaber natürlich auch verlockend.

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Mit dem von euch geernteten Gemüse habt ihr in Kooperation mit einem Caterer zu den Osterfeiertagen fertig vorbereite Kochboxen angeboten. Hat sich das gelohnt?

Gelohnt hat sich das Projekt definitiv, wenn auch nicht unbedingt finanziell. Wir haben schnell gemerkt, was für ein ungeheurer Aufwand dahinter steckt, ein Menü in eine Box zu packen. Allein das Abfüllen in kleine Gläser, das Beschriften, Etikettieren und Verpacken, das nimmt schon mal schnell die Hälfte der Vorbereitungszeit ein. Das Kochen wird schnell zur Nebensache. Und dann ist ja am Ende der Gast auch nicht bereit, den normalen Menüpreis eines Menüs im Restaurant zu bezahlen, weil es ja doch noch zuhause fertig gestellt werden muss. Auch wenn dieser Preis letztendlich verlangt werden müsste.

Allerdings war es trotzdem ein voller Erfolg dahingehend, dass wir endlich mal wieder etwas für unserer Gäste machen konnten. Auch wenn es natürlich ein anderes Erlebnis ist, eine Box zuzubereiten, war es eine große Freude und Motivation für uns, gerade in diesen Zeiten zu sehen, wie groß die Sehnsucht bei den Gästen ist!

Mit dem was und wie du es tust, verkörperst du eine neue Generation von Köchen. Was, glaubst du, zeichnet dich in diese Richtung aus?

Nun ja, an sich habe ich ja eine sehr klassische Ausbildung in den Französischen Gourmetrestaurants absolviert. Hier wurde mir vor allem Zielstrebigkeit und Perfektion eingedonnert – im Akkord, anders kann man das nicht formulieren. Ich habe mir sehr schnell viele Gedanken darüber gemacht, ob das klassische Gourmetrestaurant noch zeitgemäß ist, und fange an, vieles zu hinterfragen: Zum Beispiel ist es noch zeitgemäß, Speisen mit Unmengen an Kaviar, Gänsestopfleber und Trüffel zu kreieren? Ich denke nicht, es sollte zunächst mal das Produkt und das Handwerk im Vordergrund stehen. Da ist es meiner Meinung nach egal, ob es sich um ein Luxusprodukt oder eine Karotte handelt.

An jedes Produkt mit dem selben Anspruch ranzugehen, das ist mein Ziel. Was meine Generation allerdings auch auszeichnet ist, denke ich, das Miteinander. In den klassischen Häusern gibt es noch ganz hierarchisch aufgebaute Strukturen. Oben steht der Küchenchef, dann kommt der Stellvertreter und die Postenchefs und alle, die dahinter kommen sind eigentlich nichts wert und werden nur als Arbeitstiere angesehen. Das ist einfach ein veraltetes Denken!

Gab es denn während deiner Zeit als Küchenchef im „959“ keine Hierarchien?

Wir hatten ein sehr junges Team, ich selbst war zuletzt 27 Jahre, der älteste Mitarbeiter der neun Köche war zu dem Zeitpunkt 28 Jahre alt. Es gab kaum eine Hierarchie, jeder war ein wertvolles Mitglied und konnte sich gleichermaßen einbringen. Ich glaube, das war auch letztendlich der Punkt, der uns sehr schnell mit unserer jungen, modernen Art zu kochen, Erfolg gebracht hat. Die Branche nach vorne zu bringen, das geht nur gemeinsam.

Als ich nun vor einigen Monaten meine Fortbildung zum Küchenmeister absolviert habe, war ich erschrocken, wie veraltet viele Ansichten und Lehrinhalte noch sind. Ich denke gerade hier, bei der Ausbildung unseres Nachwuchses, muss etwas getan werden, sonst gibt es bald keinen Nachwuchs mehr. Daher werde ich mich ab Sommer kommenden Jahres auch im IHK-Prüfungsausschuss engagieren. Ich habe die Hoffnung, gemeinsam die Strukturen modernisieren zu können für die künftigen Generationen von Gastronomen.

Aktuell suchst du nach einem geeigneten Restaurant, das du mit deinem Kollegen Martin Schneider eröffnen möchtest. Wie sieht das Konzept genau aus, wenn du dich selbständig machst?

Wir haben tatsächlich gemerkt, dass es gar nicht immer Fleisch oder Fisch sein muss. Wie einfach es doch ist, darauf zu verzichten, wenn man die Vielfalt nutzen kann, die die Natur hergibt. So ist uns die Idee gekommen zu einem Restaurantkonzept gekommen, welches sich vollkommen der Vielfalt eines Gartens widmet. Mit selbst angebautem Gemüse und Obst. In einer Dimension, wie es bisher kein anderes uns bekanntes Restaurant in Deutschland macht. Wir planen etwas völlig Neuartiges! Die Grundidee ist eine Reise durch den Garten. Ein Menü mit allerhand vegetarischen Speisen. Wer allerdings nicht auf Fisch und Fleisch verzichten möchte, muss das auch nicht. Zusätzlich kann ein fisch- oder fleischhaltiger Gang dazu gebucht werden, in der Regel Nose-to-Tail verarbeitet. Ich möchte unseren Gästen bewusst machen, dass es sich dabei um Lebewesen handelt und diese in Maßen verzehrt werden sollen. Außerdem beschäftige ich mich schon seit langer Zeit mit dem Thema: Wie können wir mit unserer Art zu kochen auch junge Menschen begeistern?

Wir haben uns dazu entschieden, dass wir mit unserem Restaurantkonzept alle Klischees der Sterneküche widerlegen möchten. Das klassische Gourmetrestaurant, wie auch die Häuser, in denen ich mein Handwerk gelernt habe, sind oft steife Sternerestaurants, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind. Wir sind ein sehr junges Team und haben keinesfalls vor, eine elitäre Sternegastronomie zu machen, sondern möchten unseren Gästen vermitteln, wie viel Spaß Essen in einem entspannten Rahmen machen muss.

Wie sieht denn eure Traum-Lokalität aus?

Wir stellen uns ein kleines Restaurant mit etwa 20 bis 40 Sitzplätzen vor und benötigen unbedingt einen Außenbereich sowie eine ausreichend große Küche. Die Lage ist erstmal zweitrangig. Uns ist vor allem wichtig, ein Objekt zu finden, mit dem wir uns wohlfühlen. Wir sind aktuell in der ganzen Rhein-Neckar-Region auf der Suche. Toll wäre natürlich, einen alten Bauernhof o. ä. zu finden, auf dem wir unsere Küche umsetzen können. Allerdings wird es dann sicher hohe Investitionskosten geben, die sich für mich als Jungunternehmer in einem überschaubaren Rahmen halten müssen.

Dann wünschen wir dir ganz viel Glück, dass du diese Lokalität auch findest und freuen uns schon auf das, was wir zukünftig von dir hören. Alles Gute!

Auf dem Instagram-Account _Quuerbeet_ gibt es Fotos frisch von Dankelmanns und Schneiders Feld.

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