Food Trends 2018: Trend­prognosen aus Hanni Rützlers Food Report

von Gastautor

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Jedes Jahr kündigt Hanni Rützlers Food Report die Branchentrends für das kommende Jahr an, so auch 2017 für 2018. Hierbei fasst die Ernährungswissenschaftlerin zusammen, was schon seit Längerem in der kleinen, individuellen Food- und Gastronomielandschaft keimt und das Potenzial hat, groß aufzusprießen.

Stefanie Rothenhöfer hat sich den aktuellen Food Report 2018 angeschaut. 

Aus einem fachlichen, kulturellen, sozialen und nicht zuletzt kulinarischen Blickwinkel nimmt Hanni Rützler die verschiedenen Bewegungen unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Zukunftsträchtigkeit. So dient dieser Trendreport nicht zuletzt als Orientierungshilfe für die Lebensmittelindustrie, die es zunehmend schwerer haben wird uns ihre industriell verarbeiteten Nahrungsmittel zu verkaufen.

Warum? Weil sich unsere Gesellschaft in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess befindet. Bei der Wahl der Lebensmittel spielen mehr denn je ethische, ökologische, soziale, kulinarische und gesundheitliche Kriterien eine Rolle und somit Produkteigenschaften, die die Industrie uns so (noch) nicht liefern kann.  

Die Trends, die Rützler herausgearbeitet hat, im Einzelnen:  

1. „Meet {your} food“

„Fass dein Essen mal wieder an!“ lautet der Slogan des Berliner Ein-Sterne Restaurants Nobelhart & Schmutzig, in dem seit über zwei Jahren in einer offenen Küche „brutal lokal“ gekocht wird. Genau darum geht es: Gäste und Konsumenten haben anonyme Deklarierungen und (verbotene) Zusatzstoffe satt und interessieren sich stärker als je zuvor dafür, woher ihr Essen kommt, wie es sich zusammensetzt, verarbeitet und zubereitet wird. Dafür werden sie selbst aktiv. Denn mit der Zunahme der Styroporpackungen in den Supermärkten, in denen einzeln verpackte Fleischteile zum Kauf angeboten werden, ist das Wissen über Herkunft und Zusammensetzung unserer Lebensmittel und nicht zuletzt unser natürliches Qualitätsempfinden verschwunden.

Dieses Qualitätsempfinden kommt laut Rützler 2018 wieder zurück: Der Konsument wendet dem Generalisten (Supermarkt) den Rücken zu und kauft vermehrt beim Spezialisten (Bäcker, Fleischer, Winzer). Hier kann er schauen, riechen und probieren und bei einer Führung durch die gläserne Manufaktur, im Rahmen eines Wurstworkshops, in einem Kochkurs bei einem der zahlreichen Food-Festivals ganz nebenbei seinen Wissensdurst stillen. 

2. „Female Connoisseurs – Frauen entern die Food-Branche“

Wo Frauen zunehmend in „Männerdomänen“ vorpreschen, heißt der sich dahinter verbergende Megatrend „Gender Shift“. So preschen Frauen auch in der F&B-Branche vor. Rützler schreibt, dass Frauen sich nicht nur zunehmend als Winzerinnen und Sommelière behaupten, sondern sich auch immer mehr weibliche Küchenchefs in der (noch) männlichen Domäne behaupten. Ein Beleg dafür sei, dass die von San Pellegrino herausgegeben Liste „the World 50 best“, nun um eine Kategorie „World Best Female Chefs“ ergänzt wurde. Letzteres sollte allerdings nicht als Beweis gesehen werden, sondern vielmehr als neue Form der Diskriminierung.

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Hanni Rützler im Podiumsgespräch „Delicate Discourses“ mit Christian Gentemann (Bar am Steinplatz Berlin), Jan-Peter Wulf (nomyblog) und Nils Wrage (Chefredakteur Mixology)

Die internationale Food-Blogger-Szene ist bereits fest in weiblichen Händen, hierzulande kommen Frauen oft als studierte Quereinsteiger in die Branche. Laut einer amerikanischen Studie ist zudem der Anteil an „female entrepreneurs“ in den USA in den letzten neun Jahren in den Kategorien „Accommodation“ und „Food Service“ um 62 Prozent gestiegen. Dabei widmen sich Frauen „typisch weiblichen Ernährungsthemen“ (sic!) wie Prenatal Food, gesunde Kinderernährung und lenken die Lebensmittel- und Ernährungsbranche in Richtung Gesundheit, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz.

Auch wenn Frauen laut Rützler in der Food- und Beverage-Branche Spitzenpositionen wie die Chefredaktion des Österreichischen Gault Millau und leitende Positionen beim Branchenmagazin Rolling Pin schneller erobern als die Küche, so bleibt festzuhalten: Frauen sind in den Branchenmedien und auf den Panels der Fach-Symposien noch immer unterrepräsentiert und werden als Speaker oft nicht eingeladen. 

3. The New Breakfast

Der englische Hashtag #Breakfast verzeichnete 2016 mehr als 43 Millionen Fotos oder Links und spiegelt so die große Beliebtheit des „New Breakfast“, bei dem internationale Frühstücks-Kreationen im Mittelpunkt stehen. Dabei geht es um das Zelebrieren der ersten Mahlzeit des Tages, bei der zeitliche und kulinarische Grenzen fließend in einander übergehen und bei der es vor allem um eins geht: gemeinsam zu essen. Gemeinsames Frühstück in diesem Sinne bedeutet vor allem Genuss und soziale Interaktion auf leckere, unkomplizierte und gemütliche Art zu verbinden und passt damit perfekt in unser Community-Zeitalter (mehr zum Thema neues Frühstücken hier, Anm. d. Red.). 

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Blick in den Trendreport: So sieht neues Frühstücken aus

4. Fleisch ist die neue Beilage

Es ist an sich nichts Neues, dass gemüse- und pflanzenbasierte Küchen auf dem Vormarsch sind und Fleisch auf dem Teller zurückdrängen. Wo zuvor noch das Wissen fehlte wie vegetarische Gerichte schmackhaft zubereitet werden können, haben wir unter Anleitung Yotam Ottolenghi und Jamie Oliver gelernt, wie das geht. So erfreut sich die vegetarische Küche zunehmend großer Beliebtheit, deren Zutaten auf lokalen Erzeugermärkten gekauft werden und wo in den Gerichten die ganze Pflanze „von der Schale bis zum Kern“ zum Einsatz kommt. Vorgeschnittenes und gewaschenes Obst und Gemüse erobern außerdem die Supermarkt-Regale und wir Konsumenten bauen wieder selbst an: Gartencenter verzeichnen immer höhere Umsätze mit Samen und Sprösslingen für essbare Nutzpflanzen.

Der nächste Schritt in Richtung vegetarische Zukunft wird vor allem davon abhängig sein, in wie weit wir uns mit den Gärtnerinnen und Gärtnern vernetzen und mit ihnen experimentieren, damit der Gartenbau uns schon bald neue Gemüsesorten, Kultivierungstechniken und Zubereitungsarten liefern kann.

5. Die neue Küche der Levante

Die Fusion aus arabischer und israelischer Küche mit frischen Zutaten und spannenden Gewürzen, kombiniert mit einem unkomplizierten Ess-Stil nach Sharing-Prinzip, bei dem viele kleine Gerichte am großen Tisch miteinander geteilt werden, macht die Levante-Küche hierzulande so beliebt. Wo in der Realität zwischen den Ländern klare Grenzen gezogen werden, lebt die levantische Küche von ihrer grenzüberschreitenden Offenheit und einem jungen, kreativen Zugang, Gerichte zuzubereiten. Nicht zuletzt unterstützen die in den Gerichten vielfach verwendeten Hülsenfrüchte und Gewürze auf perfekte Weise den Trend einer gesunden und schmackhaften vegetarischen und veganen Küche (ein Restaurant, das sich dieser Küche verschrieben hat, ist das Kanaan in Berlin, Anm. d. Red.)

6. De-Processing

Die Industrialisierung unserer Nahrungsmittel brachte uns (mikrobische) Sicherheit, ganzjährige Verfügbarkeit aller Produkte, Zeitersparnis und Produktvielfalt – und hat uns Massentierhaltung, synthetische Zusatzstoffe und vor allem die Standardisierung unseres Geschmacks gleich mitgebracht. Damit ist jetzt Schluss: Vor allem für die Generation Y zählen die oben genannten Vorteile nicht mehr, für sie ist Lebensmittelqualität Ausdruck von Lebensqualität, sie fordert frische und unbehandelte Lebensmittel, die frei von künstlichen Zusatzstoffen, gesund und nährstoffreich sind und aus regionaler Herstellung stammen. Vor allem möchten Millennials Geschmack – und genau das macht es für die Industrie schwierig. Die Dickschiffe der Ernährungsbranche reduzieren zwar bereits den Zucker- und Salzgehalt sowie die E-Nummern ihrer Produktportfolios und entwickeln neue Linien für Allergiker und Veganer, doch die Verbraucher bleiben skeptisch.

Es gilt daher, vermehrt neue, einzigartige Produkte zu schaffen, die mit handwerklichem und technologischen Wissen hergestellt sind und die Nährstoffe schonend verarbeiten sowie Ressourcen effektiv einsetzen. Bis das gelingt, können die vielen Start-Ups von ihrem Vorsprung profitieren, die auf natürliche Zutaten ohne Zusatzstoffe setzen und den Konsumenten an ihrer authentischen Story teilhaben lassen. Wie beispielsweise Bone Brox, das Rützler als Best-Practice-Beispiel aufführt.

Fazit 

Wer die Branche aufmerksam verfolgt oder gar aktiv mitgestaltet, mag in Hanni Rützlers Trendreport weniger Neues finden; die Trendprognose dient dann vielmehr als Spiegel der eigenen Arbeit und ist die logische Zusammenfassung der gegenwärtigen Strömungen, deren Taktgeber die Foodlandschaft nachhaltig verändern werden. Für die Industrie aber ist der gegenwärtig stattfindende tiefgreifende Veränderungsprozess, der damit einhergehende Wertewandel und die neuen Bedürfnisse und Ansprüche der Konsumenten eine der größten Herausforderungen überhaupt. Sie braucht deshalb Anhaltspunkte und klare Handlungsanweisungen, die sie in Hanni Rützlers Food Report 2018 für erschwingliche 125 Euro durchaus findet.  

Stefanie Rothenhöfer ist Gründerin des Food Entrepreneurs Club, einer Plattform für junge, qualitätsgetriebene Food Unternehmer. Sie hält außerdem Vorträge zu Foodtrends und neuen Konzepten und berät Destinationen und Gastronomien in zukunftsweisenden konzeptionellen Fragen.

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