Portrait: Max Paarlberg, La Lucha Berlin

von Jan-Peter Wulf
max paarlberg 1 - interviews-portraits, gastronomie Portrait: Max Paarlberg, La Lucha Berlin

Max Paarlberg

Der junge Niederländer Max Paarlberg verkörpert eine neue Betreibergeneration: Er ist weit gereist und international erfahren, hat große Leidenschaft für Qualität, Echtheit sowie guten Service und verlässt sich auf akkurate Kalkulation statt nur aufs Bauchgefühl. Ein Portrait.

Die beiden ein geometrisches Ganzes formenden Tattoos auf den Unterarmen von Max Paarlberg glänzen, so frisch sind sie. „Habe ich mir gestern machen lassen. Es sind meine ersten“, sagt der schlanke junge Mann strahlend. Und dann gleich so flächendeckend – ziemlich mutig. Ein wenig sehen sie nach Selbstbelohnung aus für ein großes erreichtes Ziel, und wenn man sich umschaut hier im La Lucha, dann kann man nur sagen: Hier scheint tatsächlich ein Ziel erreicht worden zu sein, nämlich eines der angesagtesten mexikanischen Restaurants der Stadt eröffnet zu haben.

Ein Vierteljahr ist das nun her, und der Laden brummt. Wer einen Platz reservieren möchte, der sollte sich rechtzeitig drum kümmern, wenngleich ein Teil der insgemamt 93 Plätze im farbenfrohen Interieur und der gut 50 auf der Terrasse am hippen Paul-Lincke-Ufer für Walk-ins vorgesehen sind. Heute Abend aber müssen spontan eintrudelnde Gäste auf den nächsten Abend vertröstet werden, es findet zum ersten Mal ein Firmenevent statt – ein Online-Modehändler hat Blogger zum mexikanischen Dinner eingeladen. „Influencer Relations“ nennt man das heute.

Tägliche Break-Even-Analyse gibt Planungssicherheit

Während um uns herum aus Einzeltischen ein u-förmiges Bankett wird und die Tabletops charmant hergerichtet werden, sprechen wir über Zahlen und Analysen. Denn so trendy, so zeitgeistig und so Kreuzberg 2017 dieses Konzept auch für den Gast wirken mag, es fußt auf einem überaus professionell organisierten Backend. Die wichtigste Kennzahl für Max Paarlberg ist der tägliche Break-Even: Alle Kosten pro Monat, geteilt durch die Öffnungstage. Mit dieser Zahl wisse man, ob man wirklich Geld verdiene oder verliere, so Paarlberg. Den ganz genauen täglichen Break-Even kenne er nach nur einem Quartal am Markt noch nicht, doch man nähere sich dieser Zahl durch täglich mehr Informationen, mit denen man die Exceldateien speist.

la lucha - interviews-portraits, gastronomie Portrait: Max Paarlberg, La Lucha Berlin

Das „La Lucha“ …

Credit Liz Bernatzek3 - interviews-portraits, gastronomie Portrait: Max Paarlberg, La Lucha Berlin

… und seine Sharing-Speisen. Foto: Liz Bernatzek

Eine dieser Dateien ist der tägliche Report. Darin werden unter anderem Durchschnittsbon, Kosten für Verderb/Abfall, Gäste pro Stunde, No-Shows, Bestseller (Speisen, Getränke, Cocktails) und das am schlechtesten verkaufte Produkt eingetragen, aber auch Hinweise der Mitarbeiter – Kundenlob oder -Kritik, Verbesserungsmöglichkeiten sowie Performance im Service und in der Küche. Ein Tool, mit dem Chef und leitende Mitarbeiter Transparenz haben und kurzfristige Anpassungen vornehmen können. „Wir müssen täglich in die Zahlen schauen. Nach einem Monat ist das viel zu spät, weil wir dann nicht rechtzeitig handeln können“, so Paarlberg. Insgesamt ist er jedoch sehr zufrieden. Die Investitionen in Höhe eines mittleren sechsstelligen Betrags ausgeklammert, schreibt das „La Lucha“ vom ersten Tag an schwarze Zahlen.

Hohe Ansprüche an den Service

Zurzeit dreht man an der Stellschraube Personalkosten, indem man von fünf auf sieben Öffnungstage hochfährt und somit die anteiligen Personalnebenkosten senkt. „Momentan ist das Verhältnis von Personalkosten zum Umsatz noch zu hoch“, so Paarlberg. Gleichzeitig ist das Team elementare Ressource für das Konzept: Die Speisen wie der (sensationelle) „Beef Brisket Burrito“, die Hühnchen-Enmolada oder das „Pescado Al Pastor“ müssen Neugästen am Platz vorgestellt und erklärt werden, ebenso das Sharing-Prinzip, denn man bestellt sich idealerweise vier bis fünf kleine Speisen zusammen. Da sind Kompetenz, Freundlichkeit und Schnelligkeit gefragt, nur wenige Minuten nach der Bestellung sollen die ersten Speisen auf dem Tisch stehen, weitere werden nach und nach gereicht. Paarlberg: „Von zehn Leuten, die eine Probeschicht machen, stellen wir aktuell maximal eine Person ein. Da können wir keine Kompromisse eingehen.“ Muss man anscheinend auch nicht, Bewerber hat das „La Lucha“ zurzeit mehr als genug.

Das mit dem genauen Blick in die Zahlen kennt Paarlberg aus der Hotellerie: Bevor er nach Berlin kam, war der Anfang-Dreißigjährige zunächst Assistant Manager im Glasgower Outlet und später Food- und Beverage-Manager der Design-Budget-Hotelgruppe „citizenM“, verantwortete von London aus dessen Speisen- und Getränkekonzept „canteenM“ mit hohem Selbstbedienungs- und Takeaway-Anteil. Viele Produkte müssen sich hier aufgrund des reduzierten Personalanteils quasi von selbst verkaufen, Paarlberg versah die Snack Bites und Frischsäfte von Londoner, Amsterdamer oder Glasgower Manufakturen und Foodhändlern mit individuellen Beschreibungen und sorgte für eine Aufwertung der Verkaufsoptik.

Er sei eigentlich eher der Typ, dem es wichtig ist, dass das Essen gut aussehe, sagt er (die Speisen im „La Lucha“ sind nicht nur lecker, sondern machen sich auch auf Instagram sehr gut). „Ich sehe den angerichteten Teller, mein Vater die Umsatzerhöhung auf bestehender Fläche“, sagt er lachend. Max Paarlberg kommt aus einer Gastronomenfamilie, Paarlberg senior betreibt in Amsterdam das Sterne-Restaurant „Tante Koosje“ und das „Hotel 717“, er ist Juniors Mentor. „Wir telefonieren fast täglich miteinander“, erklärt Max.

Tänzchen mit Beyoncé

Er hat einen niederländischen Pass und fühlt sich nach eigenem Bekunden auch als Niederländer, gelebt hat er dort aber nie länger, sondern ist in London aufgewachsen. Ab dem 19. Lebensjahr hat er quasi auf der ganzen Welt gelebt, gearbeitet und gelernt hat: Im „Hilton“ in Amsterdam und Brüssel und im „Sandy Lane“ auf Barbados („da habe ich 30 Sekunden mit Beyoncé getanzt!“) lernte er das Hoga-Business von der Pike auf. In Thailand arbeitete er in einem Waisenhaus und gab Kindern Englischunterricht. In Buenos Aires entwickelte er das Lunchkonzept für eine Cocktailbar. Und eröffnete dort anschließend, das war 2011, sein erstes eigenes Unternehmen: „Max’s Supper Club“, ein Pop-up-Restaurant in Kunstgalerien und Museen: 

Paarlberg: „Es war super, aber wegen der damaligen Hyperinflation in Argentinien konnte ich meine Preise den Kosten nicht schnell genug anpassen, deswegen musste ich das Pop-up bald wieder einstellen.“

Peru, USA, Mexiko

Die große Liebe zur mexikanischen Küche entfachte während eines Praktikums im Auslandssemester seines „International Business und Entrepreneurship“-Studiums, welches er in Guadalajara verbrachte und anschließend im örtlichen „Hilton“ in Küche, Bar und Restaurant praktizierte. „Die beste Zeit meines Lebens. Der Humor, die Freundlichkeit und Wärme der Menschen und natürlich das Essen“, schwärmt Paarlberg.

Ein mexikanisches Restaurant eröffnen: sein lange gehegter Traum. Doch bevor er ihn hier in Berlin, seiner neuen Heimat, in die Wirklichkeit umsetzen sollte, tat er es erst einmal mit zwei anderen amerikanischen Konzepten: Zum einen wirkte er bis zur Eröffnung am peruanischen Restaurant „Chicha“ mit, dessen Interieur und Speisenkonzept deutlich seine Handschrift tragen, zum anderen machte er aus dem Kreuzberger Bar-Club „Locke Müller“ das „Bourbon Dogs“, eine Mischung aus Bar und Imbiss mit Fokus auf Bourbon-Whiskey und artisanale, wahnsinnig leckere, aufgrund ihrer reichhaltigen Bestückung ohne Kleckern nicht in den Mund zu kriegenden Hotdogs.

bourbon dogs - interviews-portraits, gastronomie Portrait: Max Paarlberg, La Lucha Berlin

Cooles, aber unwirtschaftliches Konzept: das Ex-„Bourbon Dogs“ von Max Paarlberg

Nischig, witzig, cool. Und überhaupt nicht wirtschaftlich. „Davon konnte ich nicht leben“, sagt Max lachend, „mit Hotdogs und Whisky sprichst du nur Männer an, du brauchst aber auch Frauen in einer Bar“, weiß er jetzt. Und auch, wie leer Berliner Bars vor allem in den Sommermonaten sind: „In London sind sie 365 Tage im Monat voll, hier vielleicht die Hälfte des Jahres.“

Einen Tequila und ein Hotel, bitte!

Durch das „Bourbon Dogs“-Intermezzo lernte er Richard Kirschstein („Beuster Bar“) kennen, der ihm als Co-Betreiber des ehemaligen „Locke Müller“ seinerzeit die Location überließ. Er wurde sein guter Freund und wird jetzt sein Geschäftspartner: Nichts Kleineres als ein Hotel mit 150 Zimmern und ausgefeiltem gastronomischem Konzept wird man gemeinsam eröffnen, um 2020 herum, irgendwo in Kreuzberg, zurzeit ist man an den Verträgen dran. Vorher ist aber noch ein anderes Projekt in der Pipeline: Am Tag nach unserem Interview bricht Paarlberg gen Mexiko auf, um in die Welt der Agavenbrände einzutauchen und mit Produzenten zu sprechen. Denn schon bald soll nicht nur in der Bar des „La Lucha“, sondern auch anderswo Paarlbergs eigene Tequilamarke stehen.

Editierte und aktualisierte Version des zuerst in FIZZZ 10/2017 erschienenen Beitrags.

 

Max Paarlberg – ausgewählte Projekte

2006-2010: Arbeit in Hotels in Amsterdam, Brüssel, in Guadalajara und auf Barbados
2011-2012: Pop-up-Restaurant „Max’s Supper Club“, Buenos Aires
2012-2014: F&B-Manager und Assistant Manager, Hotelgruppe „citizenM“
2014-2015: Konzeptentwicklung und Geschäftsführung „Chicha“, Berlin
2015-2016: „Bourbon Dogs“, Berlin
seit 2017: „La Lucha“, Berlin
2018: Launch der eigenen Tequila-Marke 

Tipp: Workshop für Gastronomen: Finanzmanagement
Max Paarlberg gibt sein Wissen an Kollegen weiter: Für den „Food Entrepeneurs Club“ in Berlin führt er Workshops mit Benchmark-Analysen, Tipps für das Inventarmanagement, Indikatoren fürs tägliche Finanzcontrolling und vielen weiteren Themen durch. Der nächste (englischsprachige) Workshop findet im Februar 2018 statt. Mehr Informationen hier

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.