Hotelbars, die neue Generation: 6 Konzepte aus Berlin

von Jan-Peter Wulf
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Lovis Bar, Foto: Redaktion

 

Absacker war gestern: Hotelbars gewinnen immer mehr an Profil und werden konzeptuell immer eigenständiger. Davon profitieren Hausgäste ebenso wie Bar-Fans. Vom ambitionierten Kartenkonzept über Spirituosen-Schwerpunkte bis zum audiophilen Genuss der Extraklasse – 6 Hotelbars aus Berlin.

Koordinaten-Karte: Lovis Bar

Das Hotel Wilmina in der Charlottenburger Kantstraße befindet sich in einem ehemaligen Frauengefängnis, das aufwändig renoviert (u.a. wurden zwei Zellen aus Komfortgründen jeweils zu einem Hotelzimmer zusammengelegt) und 2022 eröffnet wurde. Gastronomisch angegliedert, jedoch konzeptuell eigenständig – sprich für alle da – sind sowohl das Restaurant Lovis als auch die Bar Lovis. Die Küche steht unter der Leitung von Sophia Rudolph (zuvor im „Panama“), Barchef ist Nils Lutterbach, der aus dem „Galander Kreuzberg“ kam.

Verbunden sind Bar und Restaurant über eine imposante Lounge mit großen Glas- und Spiegelfronten. Dieser Raum kann je nach Auslastung von beiden Gastronomien genutzt werden. Auch konzeptuell baut man eine Brücke: Das aus der gehobenen Restauration und auch hier angewandte Prinzip, Speisen nicht zu benennen, sondern nur ihre Zutaten aufzuführen – ergänzt und erläutert durch Service-Kommunikation – findet hier auch an der Bar statt. Im Rückbuffet stehen hier nicht die üblichen Verdächtigen, sondern ausschließlich Apothekerflaschen, in die Lutterbach und sein zweiköpfiges Team die Spirituosen (vorwiegend von kleinen Produzenten) umgefüllt haben.

Die Karte mit zwölf Drinks (plus vier alkoholfreie) ist ein Koordinatensystem: Auf der X-Achse geht es von leicht nach kräftig, auf der Y-Achse von süß nach trocken. Sie sind nummeriert und lauten z.B. „No. 31 – Steinfrucht, Haselnuss, Brauner Zucker.“ Oder: „No. 43 – Umami, Mineralien, Johannisbeere“. Statt ihre vermeintliche Lieblingsspirituose bzw. ihren Standarddrink zu bestellen, sollen Gäste zum Entdecken von Aromenwelten motiviert werden. Zunächst reicht man einen kleinen Probier-Drink, der Orientierung gibt – passt die Süße, ist es kräftig genug, oder darf es mehr, soll es weniger sein?

Ein aufwändiges, kommunikationsintensives Konzept, das jedoch, so Lutterbach, sehr positiven Zuspruch gefunden hat – selten sagt einem Gast ein gewähltes Getränk nicht zu. Und wenn doch: kein Thema. Und wünscht jemand einen Gin & Tonic – auch nicht. Das Karten-Konzept ist eine Einladung, kein Dogma. 

Drink-Genuss im Gründerzeit-Design: Chateau Royal

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Foto: Felix Brüggemann

Das Chateau Royal öffnete im Herbst 2022 seine Türen – als neuestes und bislang größtes Projekt der „Grill Royal“-Macher um Stephan Landwehr. Für das insgesamt 93 Zimmer umfassende Haus wurden zwei benachbarte Gründerzeit-Gebäude aufwändig renoviert und über einen Innenhof vereint. Auch drinnen grüßt diese Epoche: Die Interiour-Designerin Irina Kromayer ließ Fischgrät- und Quadratparkett verlegen, man sieht viel helle Eiche, farbigen Marmor, glänzenden Messing oder edle Craquelé-Fliesen. Und jede Menge ausgewählter Kunst.

Eyecatcher der l-förmigen Bar im Entrée: ein kunstvoll gestalteter Kakadu aus weißem Stein, der auf dem Blatt sitzt – so, als würde er sich jederzeit über Gesellschaft freuen. Ein Farbenspiel besonderer Art bietet die Abschlusswand des Rückbuffets, in das Quader aus buntem, beleuchtetem Dallglas eingesetzt wurden.

Die Bar leitet Matteo Vacca. Er war zuvor Barmanager im „Soho House“. Seine Karte ist mit zwölf Drinks (drei davon ohne Alkohol) bewusst schmal gehalten. Serviert werden unter anderem ein „Chateau Express“ mit Gin, weißem Wermut, Sencha, Minze, ein Sous-Vide-Negroni oder ein „Oyster Eau Martini“ mit Wodka-Amalfi-Zitrone und Austernwasser. Natürlich kann die Meeresfrucht auch zum Essen dazu bestellt werden, und das gerne gleich im Dutzend. Außerdem: Jahrgangssardinen, Sandwiches oder eine Käseauswahl.

High Volume: Root Bar

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Foto: Florian Gröhn

Auch den bekannten Berliner Gastronomen Roland Mary („Borchardt“, „Café am Neuen See“) zog es, wie die „Grill Royal“-Macher, in die Hotellerie: Als Teilhaber und Mitgründer des Telegraphenamts am Monbijoupark zeichnet er u.a. für das gastronomische Angebot des rund 100 Zimmer umfassenden historischen Hauses verantwortlich. Einst befand sich hier eine der größten und modernsten Kommunikationszentralen Europas. Nach rund zehn Jahren Planung und Sanierung eröffnete das Haus im Stile eines Grand Hotels 2022.

Gastronomisches Herz sind das auf Sushi und panasiatische Speisen ausgerichtete Restaurant „Root“ sowie die „Root Bar“, die sich in einem eigenen, großen und hohen Raum zwischen Lobby und Restaurant befindet. Sie wurde als Insel um zwei tragende Säulen herum errichtet. Die Spirituosen stehen auf einem umlaufenden Holzregal, das von der Decke herabhängt. Die Dimensionen der „Root Bar“ sind zweifellos auf ein hohes Volumen ausgelegt – dazu trägt auch das DJ-Pult gleich hinter der Bar bei, an dem auch unter der Woche DJs stehen und die Regler hochdrehen, je später der Abend bzw. die Nacht wird.

Einen Head-Bartender gibt es hier übrigens nicht – das Team arbeitet auf Augenhöhe und serviert seinen Gästen klassische und moderne Drinks à la Pornstar Martini oder Gin Basil Smash, dazu können Barsnacks (wie Tatar, Yakitorispieße oder Papayasalat) geordert werden. Interessant: Neben einigen Drinks steht ein Uhrsymbol als Hinweis, dass die Zubereitung etwas länger dauern kann – gerade dann, wenn der Bär hier steppt.

Für Agaven-Afficionados: Amigo Cohen

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Foto: Jens Bösenberg

Der Berliner Multi-Hotelier Ariel Schiff legte schon immer viel Wert auf moderne Gastronomie in seinen Häusern. Vor fast 15 Jahren lancierte er mit der „Amano Bar“ sogar die erste Hotelbar neuer Generation in der Stadt: kein müder Absacker-Ort nur für Hotelgäste, sondern trubeliger Szenetreff, in den das lokale Publikum strömt. Seitdem sind diverse Hotels und Hotelbars unter der „Amano“-Flagge hinzu gekommen – mittlerweile sogar in London.

Das Romy by Amano eröffnete 2021 gleich gegenüber vom Hauptbahnhof, das Restaurant Amigo Cohen startete wegen des Personalmangels in der Branche erst im Frühjahr 2023. Dafür umso fulminanter – als Hybrid aus israelischer und mexikanischer Küche unter dem Motto „Tulum trifft Tel Aviv“. In der ans Restaurant angeschlossenen, elegant gestalteten Bar steht die Agave im Zentrum der Aufmerksamkeit: Über 80 Tequilasorten werden hier angeboten, dazu 20 Mezcales und sogar der seltene Sotol aus wilder Agave, die teils als Shot und teils sogar flaschenweise geordert werden können.

Natürlich gibt es auch Gemixtes, neben diversen Margarita-Kreationen, Palomas und Micheladas zum Beispiel den „Hibiscus“ mit Reposado-Tequila, Mezcal, rotem Wermut und Bitters oder die „Mezcalita“ mit Islay-Whisky, Mezcal, Agave und Limette. Israelisch-mexikanische Tacos und weitere Kleinspeisen dürfen gerne an der Bar verputzt werden.

Listening-Hotelbar: Anima

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Foto: Redaktion

„Kissas“ nennt man in Japan Bars, in denen das Musikhören ganz groß geschrieben wird: Jazz, Chansons, Klassik und Co. kommen auf die Plattenspieler und werden durch außergewöhnliche High-Fidelity-Systeme und High-End-Boxen in den Raum geschallt. Ein bisschen nach diesem Vorbild wurde die erst Ende August eröffnete Hotelbar Anima konzipiert: Sie befindet sich im neuen Locke at Eastside Gallery, dem ersten Berliner Outlet der Apartment-Hotelkette aus London, die auch in München bereits eine Dependance hat.

Das gastronomische Konzept in der Location direkt an der Spree ist komplett eigenständig: Thibaut Machet und Robin Causse, die seit vielen Jahren als Musiker, DJs und Veranstalter unterwegs sind, haben hier einen Raum geschaffen, der tagsüber als Lobby und Coworking-Space fungiert und sich gen Abend hin zur Listening-Bar wandelt. Dann werden Platten aus der eigenen großen Sammlung, die im Rückbuffet steht, gespielt – oder Gäste legen ihr mitgebrachtes Vinyl auf. Das Hi-Fi-System ist eine Maßanfertigung von „H.A.N.D.hifi“ aus Berlin, in welches japanische Horn-Lautsprecher aus den 1970er-Jahren integriert wurden.

Ergebnis ist eine angenehm raumgreifende, aber nicht überpräsente, sehr balancierte Akustik. Auf der kleinen Drink-Karte stehen Klassiker à la Paper Plane, Negroni oder Espresso Martini, dazu Highballs und Weine. Dazu werden Snacks und Bites serviert: Pickles, Melone mit Schinken, Beef Tartar, Brioche mit Sardinen und mehr.

Mehr zu Listening-Bars hier.

Be- und Entschleunigung: Berta Bar(s)

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Foto: Vision Photos

Der Levante-Foodtrend reißt nicht ab – ganz im Gegenteil: Das Restaurant „Berta“, das der israelische Starkoch Assaf Granit im 2022 eröffneten Hotel Precise Tale Berlin Potsdamer Platz betreibt, hat sich schnell einen Namen in der Stadt gemacht.

Bars gibt es hier gleich zwei: Eine kleine befindet sich mitten im Restaurant. Hier werden speisenbegleitende Drinks gemixt, die sich an den fünf Geschmacksrichtungen orientieren. „Melucha“ mit Maraschino, Salz und pinken Pfefferkörnen ist ein (salziger) Margarita-Twist, „Merira“ ist Gurken-infusioniertem Wodka, Bitters, Wermut und Tonic betont bitter, und herzhaft wird’s beim „Amamit“: Gin, mit Wakame-Algen infusioniert, Grüntee, Wermut, Olive. Die zweite Bar, die eigentliche Berta Bar mit separatem Eingang, fungiert als Gegenpart zum lebhaften Restaurant mit seiner Partymusik und dem extrovertierten Service: die Atmosphäre ist entspannt und entschleunigend.

„Berta“-Barchefin Noa Kadim mixte u.a. in der angesagten Bar des „Hotel Montefiori“ in Tel Aviv und arbeitete für die „Precise Tale“-Hotelgruppe in Paris. Zurzeit arbeitet das Team an einem neuen Konzept für die Bar – von der Getränkekarte bis zu Events –, das in Kürze gelauncht wird.

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