Der Streetfood­court: das Kantini im Bikini Berlin

von Jan-Peter Wulf
kantini berlin 690x460 - streetfood, gastronomie, food-nomyblog Der Streetfood­court: das Kantini im Bikini Berlin

Das Kantini. Foto: Bikini Berlin

13 permanente Gastromieter, zwei Food-Pop-ups, 400 Plätze und 1.800 Quadratmeter Gesamtfläche: Das ist das neue „Kantini“ in der hippen Shopping-Mall „Bikini Berlin“ in Zahlen. Aber wie fühlt sich der neue Ort an? 

Den Urvater der Shopping-Malls, den österreichischen Architekten und Planer Victor Gruen, umtrieb bei seinen Projekten – die er vor allem in den USA realisierte – die Vision des „perpetual spring“, des immerwährenden Frühlings: Unter dem vor Wind und Wetter schützenden Dach, bei milden Temperaturen, umgarnt von Pflanzen und Blumen, sollten die Menschen in den Malls sich wohl fühlen – und deswegen gerne das Portemonnaie zücken.

Gruen starb 1980. Würde er heute noch leben, er würde sich hier, an diesem neu geschaffenen Ort sicher wohl fühlen. Denn das „Kantini“, der neue „Streetfoodcourt“ des „Bikini Berlin“ am Berliner Bahnhof Zoo, zwischen Gedächtniskirche und dem Zoologischen Garten, ist gestalterisch eine Erfüllung seiner Vorstellungen: Viele Grünpflanzen ranken aus Töpfen herab, helle und bunte Farben, von den Stühlen bis zu den Tabletts, zeichnen den Raum bunt, es gibt filigrane Formen und eine 13 Meter lange und acht Meter hohe Panoramafensterfront, die viel Licht hereinlässt und einen direkten Blick auf die Vogelvolière des Zoos mit seinen Tieren erlaubt.

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Foto: Bikini Berlin

„Palm Springs“ ist eines der Stichworte, das der mit der Gestaltung beauftragte Designer Werner Aisslinger (er gestaltete u.a. das „25hours Hotel Bikini“ und „The Michelberger“ in Berlin) beim Pressetermin in den Mund nimmt, um das visuelle Konzept des neuen „Kantini“ zu beschreiben – der Gast soll sich hier fühlen dürfen, als sei er gerade im sonnigen Süden Kaliforniens unterwegs.

Schönes Design allein sei aber nicht genug, betont Aisslinger: „Es geht darum, Räume anders aufzuladen.“ Die digitale Welt sei im Vormarsch, online zu ordern sei für Konsumenten oft praktischer – und deswegen bestehe für reale Orte die Herausforderung, eine „Experience“ zu schaffen, wie er es nennt, um zu einem Ort der Zusammenkunft, zu einem realen sozialen Ort zu werden. Und einem Ort, an dem man gerne auch mal einen Selfie macht.

Handel im Wandel – beflügelt durch Gastronomie

Gastronomie bietet einen hervorragenden Ansatz, um Orte emotional aufzuladen – das erkennt auch der stationäre, durch das Onlinegeschäft unter Konkurrenzdruck geratene Handel immer mehr: Schon jetzt, so berichtet „Bikini Berlin“-Geschäftsführerin Antje Leinemann, seien rund 30 Prozent der Flächen in den Shopping-Malls weltweit Gastroflächen. Tendenz steigend: „Gastronomie ist der auf den Flächen am stärksten wachsende und nachgefragte Sektor.“

Als Trendgeber der deutschen Malls wolle man auch bei diesem Thema Taktgeber sein und eine neue Form des Foodcourts etablieren, der sich von üblichen Verdächtigen ab- und hippen, urbanen Konzepten, die dem Streetfood nahestehen, zuwendet, erklärt sie. Inspiriert hat man sich deshalb nicht in anderen Einkaufszentren (logisch), sondern vor allem in den Markthallen und auf Streetfoodmärkten von Berlin, London, Lissabon und anderen Städten. Und im Rahmen der „Berlin Food Week“ sammelte das „Bikini Berlin“ mit eigenen Streetfood-Events bereits ein bisschen Erfahrung mit dem Thema.

Shoppen und schnabulieren 

Ein Streetfoodmarkt ist das „Kantini“ aber nicht, sondern ein Foodcourt mit Streetfood-Kompetenz, ein „Streetfoodcourt“: Konkret sind es 13 feste Mieter, die man für den Launch kuratiert hat, aus ihnen ergibt sich für den Gast im Gesamten eine globale kulinarische Vielfalt aus der er schöpfen und essen beziehungsweise „schnabulieren“ kann, wie man es hier nennt. Das Spektrum reicht von israelisch-levantinischer Küche (Djimalaya) über Koreanisches (Bibimix), Mexikanisches (Chaparro) und Italienisches (Terramare) bis zu südafrikanischen Desserts (Talking Beans).

Das alte Berlin repräsentiert die Berliner Curry Company mit Premium-Currywurst, unter anderem in einer Dry-Aged-Variante, das neue Berlin repräsentiert zum Beispiel Duc Nguyen, der mit gleich zwei Gastronomien, seinem etablierten vietnamesischen Streetfood-Konzept Royals & Rice und dem neuen hawaiianischen Poké-Konzept Sons of Mana auf der Fläche vertreten ist. „Für mich ist das Kantini der Anschluss an den Berliner Westen, der endlich wieder ein kulinarischer Mittelpunkt in Berlin wird. Die Synergien, die wir als Gastronomen hier haben, ist einzigartig, wir werden sicher gegenseitig befruchten“, so der junge, im Berliner Westen aufgewachsene Gastronom. Zwei wechselnde Pop-ups, zum Start waren es eine Rawfood-Bar und ein Fischkonserven-Konzept, komplettieren das Angebot.

Das Frai, ein Foodkonzept des Ex-Werbers Sebastian Jerez und der Gastronomin Jelena Braun, dürfte zum Avantgardischsten zählen, was der Foodcourt eines deutschen Einkaufszentrums (was das „Kantini“ trotz seiner konzeptuellen Abgrenzung davon vom Betriebstyp her ist und bleibt) je gesehen hat: Hier stellt sich der Gast nach seinen Ernährungspräferenzen – vegan, Paleo, eiweissreich und mehr – seine Speisen aus diversen Basen, Proteinen, Beilagen, Saucen und Dressings individuell zusammen. Innovativ: Die Nährstoffe jedes Gerichts werden – neben dem Preis – auf der Rechnung aufgelistet. Wem das Bausteinprinzip zu kompliziert ist, wählt einfach eine der „vorformatierten“ Bowls aus, die „hangry“ oder „low carb fiesta“ heißen. Damit spreche man vor allem Shopper und Touristen an. Mit der Zeit will Frai aber eine Zielgruppe aufbauen, die gezielt und regelmäßig kommt, weil sie hier ihrem Ernährungsplan folgen kann.

Auch Zielgruppe: Berufstätige in der City-West

Im direkten Umfeld des Standorts, so schätzt man seitens der Centerverwaltung, arbeiten rund 10.000 Menschen, das gastronomische vor-Ort-Angebot in der City-West für Frühstück, Mittag und Kaffee erfülle jedoch weder quantitativ noch qualitativ die Ansprüche. „In Mitte ist das Verhältnis von Gastronomie zu Retail eins zu vier oder eins zu fünf, am Ku’damm sind es nur vier oder fünf Prozent Gastronomie und 96 Prozent Retailfläche“, erklärt Bora Özbek, der das Bikini Berlin bei der Auswahl der Mieter berät, früher diverse Berliner Markthallen für die Stadt Berlin managte und zudem mit zwei Specialty-Coffee-Shops (Refinery) selbst als Gastronom tätig ist. Um jenes Portfolio an hippen Gastronomien, das den Gast im Kantini erwartet, zusammenstellen zu können, hat sich der Vermieter schon ins Zeug gelegt: Ausbau, Trennwände und Lüftung leistet das Bikini Berlin, um den Invest für die Mieter – hinter denen keine großen Systeme stehen – niedrig zu halten. Auch die monatliche Miete inklusive der Betriebskosten ist so kalkuliert worden, dass es sich die „Kleinen“ leisten können.

Guter erster Eindruck

Unser erster Eindruck des „Kantini“ ist durchweg positiv: Hier wurde ein gastronomisches Angebot geschaffen, das sich von gängigen deutschen Foodcourts abhebt und in der City-West die bisher klaffende Lücke zwischen Schnellimbiss und Fast Casual auf der einen sowie alteingesessenen, höherpreisigen Restaurants auf der anderen Seite spannend schließt. Jetzt kommt es auf das an, auf das es an Orten wie diesem immer ankommt: Frequenz, Frequenz, Frequenz.

Kantini im Bikini Berlin
Größe: 1.800 Quadratmeter
Kapazität: 400 Personen
Angebot: 13 feste Gastro-Mieter, 2 Pop-ups
Budapester Straße 38-50
10787 Berlin

Editierte Version des zuerst in FIZZZ 2/2018 erschienenen Beitrags.

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1 Kommentar

Ulrik 23. März 2018 - 11:42

Sieht ganz lecker aus. Dort müssen wir auch hin :-)

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