Casual Fine Dining, zu zweit gemanagt: Kitchen Library Berlin

Zu Gast im Restaurant von Daniela und Udo Knörlein

von Jan-Peter Wulf
Kitchen Library Udo und Daniela Knoerlein quer ©Joerg Lehmann - personal, management, konzepte, gastronomie Casual Fine Dining, zu zweit gemanagt: Kitchen Library Berlin

Udo und Daniela Knörlein. Foto: Jörg Lehmann

In personalknappen Zeiten entwickeln manche Gastronomien ja regelrechte Patch-Work-Modelle, um ihren Bedarf einigermaßen zu decken: Vollzeit und Teilzeit, stundenweise, aushilfsweise und so weiter. Die 2016 eröffnete „Kitchen Library“ in Berlin-Charlottenburg, ein Casual-Fine-Dining-Restaurant, fährt ein besonders spezielles Personalkonzept: Es gibt gar keine Mitarbeitenden.

Richtig gelesen. Während in anderen Restaurants dieser Art oft gleich mehrere Mitarbeitende die vielen Handgriffe, die bei gehobener Restauration eben so anfallen, erledigen, macht das Betreiberduo der Kitchen Library alles alleine. Und das bis auf eine kurze Zeit zu Beginn, als es noch eine Aushilfskraft gab, nun bereits im achten Jahr. Udo Knörlein steht in der Küche, seine Frau und Geschäftspartnerin Daniela ist Gastgeberin. Udo hat einen klassischen Branchen-Werdegang, er absolvierte seine Ausbildung zum Koch im „Hotel Villa Geyerswörth“ in seiner Heimatstadt Bamberg, danach war er u.a. im berühmten „Hotel Traube Tonbach“ und dann lange in der Schweiz tätig. Von dort kommt auch Daniela, aus dem Kanton Basel. Sie ist Quereinsteigerin, gelernte Erzieherin und arbeitete sogar noch eine Weile parallel in diesem Beruf, als die beiden 2016 mit ihrem Restaurant in Berlin starteten.

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Fotos: Redaktion

Aber mal ehrlich: Geht das denn überhaupt, zu zweit? Ohne sich dabei komplett zu zerreiben? „Es geht“, antwortet Daniela, und ihr Mann bestätigt es. Ein entscheidender Grund: Es gibt kein À-la-carte-Angebot, bei dem Gäste wild durcheinander bestellen, sondern eine feste Menüfolge – und die für maximal 15 Gäste. Wahlweise fünf, sechs oder sieben Gänge bietet man an, dazu auf Wunsch Weinbegleitung oder Getränke by the glass (or the bottle). Die kuratiert Daniela, sie  bildet sich aktuell zur Sommelière weiter und hat eine große Leidenschaft für kleine Weingüter in Deutschland, aber auch viel Osteuropa – Ungarn, Tschechien, Slowenien, Polen. Ein paar Positionen aus der Schwyz sind auch dabei. Bier spielt eine Nebenrolle, aber kommt – natürlich – aus Udos Heimat Franken, von wechselnden Brauereien. Auswahl gibt es dort beneidenswerter Weise ja genug und die Familie bringe bei Besuchen immer mal wieder ein paar Kästen mit, erklärt der Chef.

Seine Küche ist französisch geprägt, das ist klar der Ausbildung geschuldet oder sagen wir lieber zu verdanken, denn die Küche ist großartig – Udo hat über die Jahre eine eigene Handschrift entwickelt und lässt zu Verfeinerung viel Internationales wie Regionales einfließen. Chimichurri-Pulpo, Hirschrücken mit Brioche oder Shortribs aus fränkischem Wagyu stehen auf der aktuellen Karte, zwischendurch gibt es auch eine zünftige (kleine) Brotzeit. Dass zu vielen Gängen Eingelegtes/Fermentiertes/Gepickeltes gereicht wird – die Technik lernte er schon bei der Oma –, ist nicht nur ein geschmacklich erfreulicher Punkt, sondern mag dem Solisten in der Küche im Handling ein wenig helfen, weil es sich relativ gut vorbereiten lässt.

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Dass viele Gänge in aufmerksamkeitsstarken Tabletop-Stücken kommen, macht die Sache eher nicht leichter – sei es die riesige Bowl, in der ein Gericht mit Tomate, Fichtensprosse, Büffelmozzarella und Getreide dargereicht wird, oder die sensationelle „Salty Tea Time“ mit Bisque, die in Sammeltassen kommt, oder der Pulpo auf edlen, schweren Tellern mit welliger Fahne – sehr schön, doch das Zeug muss transportiert und will ja auch noch gespült werden? Es geht, geht alles, wird uns versichert. „Udo ist sehr strukturiert. Er hat viele Listen, setzt sich abends oft noch einmal hin und plant den nächsten Tag“, klärt uns Daniela zudem auf.

Vier Tage pro Woche ist das Restaurant geöffnet, zwei Tage arbeitet man hinter geschlossenen Türen für die Öffnungstage vor, einen Tag immerhin gönnt das Paar sich fürs Privatleben. Ist eine*r der beiden krank, bleibt die „Kitchen Library“ eben zu. Wie kürzlich, als der Rücken des Kochs Zicken machte. Zum Glück nur kurz. Und zum Glück sei dies überhaupt bislang nur sehr selten vorgekommen, erfahren wir. Und wir merken: Die beiden sind anscheinend happy so, wie es gerade ist. Es gibt keine Pläne, Personal zu suchen und einzustellen. Die „Kitchen Library“ ist so gesehen ein (sehr) kleines gastronomisches Familienunternehmen – und mit persönlichem, familiärem Touch in Wohnzimmer-Atmosphäre. Ein Wohnzimmer mit angeschlossener Privatbibliothek wohlgemerkt. Denn die beiden haben hier über die Jahre mehr als 800 Kochbücher zusammengetragen, die in Regalen über den ganzen Gastraum verteilt sind – vom ultrahippen Noma-Fermentationsguide bis Kochbüchern für die Hausfrau, skurrilere Grüße aus (gar nicht mal so) alten Zeiten. In den Büchern darf gerne gestöbert werden. Abgesehen von der Raritätensammlung im Regal hinten links, davon sind manche Werke ergriffen oder streng limitiert und teils Tausende Euro wert.

Wer auf diesen Link klinkt, sieht nicht nur, welche Bücher hier stehen, sondern bekommt nebenbei vielleicht auch eine Ahnung, dass man es ernst mit dem strukturierten und listenbasierten Arbeiten nimmt. Also alles eine Frage der Organisation? Ja, aber auch der Faktoren Qualität und Gastfreundschaft. Und die kommen bei diesem denkbar kleinen Team ganz groß raus.

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