Geflüchtete eröffnen syrisches Restaurant: Kreuzberger Himmel, Berlin

von Jasmin Tomschi
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© Nils Hasenau

Seit Anfang 2018 hat das Restaurant „Kreuzberger Himmel“ an der Berliner Yorckstraße einen neuen Pächter. Genauer gesagt handelt es sich um ein vielköpfiges Team aus Geflüchteten, die die gastronomische Vielfalt der Stadt um syrische Spezialitäten reicher werden lassen.

Im Lokal neben St. Bonifatius, der katholischen Gemeinde an der Berliner Yorckstraße, harmonieren die schönsten Kontraste miteinander. Schön sind auf den ersten Blick die bunten Deckenleuchten von „Bocci“, die massiven Blumenampeln von „Atelier Haussmann“, Fotokunst von „Camera Work“ und das „Rosenthal“-Geschirr sowieso. Alles für den guten Zweck zur Verfügung gestellt.

Schön ist auch das räumliche Konzept mit der Küche hinter der Barzeile und insgesamt 100 Sitzplätzen davor: an der Tafel entlang einer alten Kirchenbank, an kleineren Tischen und im großen Außenbereich. Am schönsten ist allerdings, dass im Kreuzberger Himmel – einem Restaurant, betrieben von Geflüchteten aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan – vermeintlich unüberwindbare Differenzen kultureller, politischer und religiöser Natur der Vergangenheit angehören.

Vier Religionen unter einem Dach

Hinter dem Projekt steckt der Verein Be an Angel e.V., der sich seit 2015 tatkräftig für die Integration von Menschen engagiert, die aus ihrer Heimat flüchten mussten. Die Unterstützung von Vorstand Andreas Tölke und seinem Team passiert im Zuge dessen auf ganzheitlicher Ebene: Dazu gehören Behördengänge und Asylanträge, Wohnungssuche sowie die Vermittlung von Jobs und Ausbildungsplätzen, ohne denen Geflüchteten sehr schnell die Abschiebung drohen würde.

Als die St.-Bonifatius-Gemeinde an der Yorckstraße 89 zuerst das eigene Gastronomie-Projekt aufgeben musste und danach auch der professionelle Pächter auszog, ging der Zuschlag mit einem Fünfjahres-Vertrag an die Be an Angel Gaststättenbetriebs GmbH. Seit Januar 2018 arbeiten Muslime, Christen, Hindus und Juden miteinander unter einem Dach. Und teilweise sogar mit fachspezifischem Vorwissen, das zum Beispiel ein Mitarbeiter hat, der vor seiner Flucht in Damaskus ein 5-Sterne-Hotel leitete.

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© Nils Hasenau

Die Konstellation mag ungewöhnlich klingen, doch die Zusammenarbeit klappt trotz Barrieren hinsichtlich Sprache, Kultur und Religion. In Krisenmomenten tritt kurzerhand Tölke, der lange als Journalist aktiv war, als Mediator auf: „Das Gemüt des Syrers könnte man mit dem eines Italieners vergleichen, Afghanen verhalten sich eher gesittet und korrekt und den Iraker habe ich als eine Mischform aus beidem kennengelernt,“ lacht er. Überhaupt fällt im Kreuzberger Himmel eine sehr gute Stimmung auf, obwohl die Schicksalschläge von Tölkes Schützlingen unvorstellbar sind und sich ihre Asylverfahren zum Teil schon über viele Jahre ziehen.

Einblick ins Rechtlich-Administrative

„Der Kontakt kommt über die Community“, erklärt Tölke. „Be an Angel hat bis dato um die 1.400 Menschen kurz und langfristig begleitet.“ Wie schwierig es sein kann, in Deutschland eine Unterkunft, einen Job und Anschluss zu finden, lässt Tölke anhand eines Beispiels erahnen: Oda Bashi etwa ist Syrer. Seine Familie war bereits in Berlin, er konnte erst später nachkommen. Das große Problem: In Bulgarien musste Oda Bashi ins Gefängnis und wurde als Flüchtling registriert. Laut Dublin-Verordnung müsste er eigentlich in Bulgarien um Asyl bitten, kam aber nach Deutschland, wurde hier der Behörde Brandenburg zugewiesen und hat somit vor Ort Residenzpflicht.

„Oda Bashi kam in den Kreuzberger Himmel für die betriebliche Einstiegsqualifizierung, die Vorbereitung zur Ausbildung mit Sprachunterricht. Das wiederum muss über die Industrie- und Handelskammer zu Berlin (IHK) sowie die Ausländerbehörde genehmigt werden”, so Tölke. Es kam zum Umverteilungsantrag, damit Oda Bashi in Berlin leben darf. Das Resultat? Zwei Ausländerbehörden – die in Brandenburg und die Berlin – müssen zu seinen Gunsten entscheiden.

Parallel dazu wird geklagt: gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vor dem Verwaltungsgericht, um Bashis Abschiebung nach Bulgarien zu vermeiden. Alles, während sich der Geflüchtete, nachdem er sich bei der Bundesagentur für Arbeit als arbeitssuchend registriert hat, auch noch Zeit für das JobCenter und Landesamt für Flüchtlingsangelegenheit aufwenden muss. Und ja: „Das ist ein normaler Fall”, gibt Tölke zu bedenken.

Typisch syrisch: frisch und fein

Die vielseitige Auswahl auf der Speisekarte des Kreuzberger Himmels ist das Resultat von regem Austausch innerhalb des multikulturellen Teams. Das Prädikat, mit dem sich die syrische Küche mitunter am besten beschreiben lässt: fein. Die Köche achten besonders auf die Verarbeitung frischer Produkte und nicht zu vergessen sind die speziellen Gewürze, die in Berlin etwa auf der Sonnenallee in Neukölln ausfindig gemacht werden können.

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© Nils Hasenau

Was macht die Küche noch so besonders? „Man schmeckt die lange Vorbereitung”, so Othman Achiti, der in Syrien als Chefkoch mit einem Team von 32 Mitarbeitern tätig war. Alle Gerichte werden täglich frisch zubereitet, und schon ab 12 Uhr mittags wird mit der Vorbereitung für das Abendgeschäft begonnen. Das Ergebnis ist sehr empfehlenswert, obwohl man es als syrischer Koch in Deutschland nicht immer leicht hat: „Viele Produkte gibt es in Berlin nur in speziellen Läden. Zum Beispiel Lume – getrocknete Zitronen, die mit dem Reis gekocht werden und ein feines, bitteres Aroma haben”, so Achiti.

Die Mutter des Sharing-Konzepts

Im Kreuzberger Himmel wird, wie im syrischen Zuhause, alles Bestellte in der Mitte des Tisches verteilt. Man reicht den Löffel von Gast zu Gast und nimmt sich, was und so viel man davon will. Zuerst eine Mischung aus köstlichen Vorspeisen mit Baba Ganoush, Mtabal und Mhamra. Danach erfrischendes Humus Bzet mit Kichererbse, Petersilie, Tomate, Knoblauch, Tahin und Zitrone. Oder Fatteh Dgag mit Hähnchenbrust, Brotchips, Joghurt, Knoblauch, Petersilie und Granatapfel als Garnitur. Und dazu vielleicht einen Weißwein aus dem Libanon oder doch lieber Bier aus der Klosterbrauerei Andechs?

Neben dem Restaurantbetrieb gibt es übrigens auch einen Private-Dining-Room für bis zu 30 Personen und einen Cateringservice. Das konkrete Angebot wird zukünftig immer wieder wechseln, im Kreuzberger Himmel will man stets offen für Neues bleiben. Demnach könnte die somalische Köchin, die bald im Restaurant beginnen wird, ein kulinarisches Special inspirieren.

Kreuzberger Himmel
Yorckstraße 89
10965 Berlin

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