Mit Getränken verdient die Gastronomie das meiste Geld: Merksatz oder Mythos?

Die perfekte Preisgestaltung in der Gastronomie, Teil 3

von Uwe Ladwig

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Energiekosten, Personalkosten, Inflation und und und: Die Gastronomie-Branche steht vor enormen finanziellen Herausforderungen. Preisanpassungen sind unumgänglich, aber: Wie macht man sie clever? Fair? So, dass es Gäste nicht verschreckt und am Ende positive Effekte hervor bringt?

Im dritten Teil unserer Reihe zur zeitgemäßen Preisgestaltung in der Gastronomie geht es um eine weit verbreitete Meinung, nämlich dass die Branche ihr Geld mit Getränken verdient. Stimmt das? Und macht es Sinn, sein Konzept auf den Getränkeverkauf zuzuschneiden? Unser Autor ist der Experte Uwe Ladwig von F&B Support aus Willich: Konditor, Koch und Küchenmeister, Foodstylist, Trainer, Betriebsberater – und Zahlenjongleur.

Kennen Sie auch den Mythos „mit Getränken verdient die Gastronomie das meiste Geld?“

Doch die Realität sieht so aus:

Die Gäste trinken zu wenig, um den Service ausreichend bezahlen zu können …
Der Getränkeumsatz in der klassischen Gastronomie ist zu gering …
Der mit Getränken erwirtschaftete Deckungsbeitrag reicht nicht aus …

… um die Servicefachkräfte ausreichend zu bezahlen. Das wird die nächsten Jahre so bleiben, wenn keine Maßnahmen zur Erhöhung des Deckungsbeitrages bei Getränken und Serviceleistung ergriffen werden. 

Wenn es gut läuft, liegt der Getränkeanteil im Durchschnitt bei 35% bis 40% des Food- und Beverage-Gesamtumsatzes. Wenn es eher schlecht läuft, sind es unter 30% Getränkeanteil am Gesamtumsatz. Dafür gibt es zwei Hauptgründe.

Der erste Grund ist die Reduzierung der Mehrwertsteuer bei Speisen von 19% auf 7%. Das ist ein schöner Grund, weil mehr Deckungsbeitrag (12%) bei Speisen für den Betrieb übrig bleibt, natürlich nur unter der Voraussetzung, dass der Gastronom seine Preise bei der Senkung der Mehrwertsteuer nicht reduziert hat.

Der zweite Grund teilt sich, zum einen trinken die Gäste nicht mehr so viel, zum anderen werden den Gästen nicht mehr genug Getränke angeboten, weil einfach die Servicefachkräfte für einen proaktiven Verkauf fehlen.

Eine typische Aussage von Gästen und Mitarbeitern der Gastronomie lautet „Mit Getränken verdient der Gastronom das meiste Geld“ bzw. „Mit den Getränken machen wir den meisten Umsatz.“ Doch ist das wirklich so? Was heißt Geld verdienen in der Betriebswirtschaft? Am besten prüfen Sie es einfach selbst. Wie, wird im Folgenden kurz beschrieben. 

Schritt 1: Ermittlung des Umsatzverhältnisses in % zwischen Speisen und Getränken 

Mit folgender Formel können Sie das mit den Zahlen aus Ihrem Betrieb durchführen:

Getränkeumsatz x 100 / Gesamtumsatz F&B

Beispiel: 649.000 € x 100 / 1.578.000 € = 41,1% (guter Getränkeanteil)

Bei jedem Ergebnis zwischen 30 bis 35% oder niedriger besteht das Potenzial, durch Erhöhung der Verkaufskontakte den Getränkeanteil und die Marge zu erhöhen.

Schritt 2: Beantwortung der Frage: Womit verdient unser Restaurant mehr Geld – Getränke oder Speisen?

In dem Bereich, wo der Deckungsbeitrag 1 (DB 1, auch Rohgewinn genannt) höher ist, verdienen wir mehr Geld. Den DB 1 können wir ganz einfach mit folgender Formel errechnen:

Umsatz netto – Wareneinsatz netto = DB 1 

Die benötigten Zahlen zur Ermittlung des DB 1 (Nettoumsatz Speisen, Nettoumsatz Getränke, Wareneinsatz Speisen, Wareneinsatz Getränke) besorgen Sie sich aus der Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) oder Ihrem Controllingsystem. 

Übrigens: Das Finanzamt oder der Steuerberater nennt den DB 1 auch Rohgewinn. Daraus ergibt sich die Richtwertkennzahl Rohgewinnaufschlagssatz (RGAS). Ist der RGAS des Betriebes niedriger als die Richtwertkennzahl vom Finanzamt, kann es ggf. zu einer Betriebsprüfung kommen. Daher ist die regelmäßige Kontrolle, ob der RGAS passt = hoch genug ist, ganz wichtig.

Beispiel zur Ermittlung des DB 1:

Umsatz netto Getränke – Wareneinsatz netto Getränke = DB 1 Getränke
649.000 € – 79.000  € = 570.000 €

Umsatz netto Speisen – Wareneinsatz netto Speisen = DB 1 Speisen
929.000 € – 295.000 € = 634.000 €

In diesem Beispiel ist der DB 1 für Speisen höher. In diesem Restaurant wird also mit Speisen mehr Geld, werden mehr Euros verdient. Weshalb schreibe ich hier extra Euros? Weil ganz viele Gastrokollegen und Berater leider immer noch zu viel in Prozenten anstatt in Euros denken. Prozente können nicht zur Bank gebracht werden.

Ganz wichtig ist es, diese Berechnungen für den eigenen Betrieb durchzuführen und alle Mitarbeitenden, die auf den DB 1 einen Einfluss haben, darüber zu informieren und trainieren.

Jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter: Wir errechnen den DB 2. Wir wollen herausfinden, welche Abteilung mehr DB 2 erwirtschaftet. Diese Information ist entscheidend für weitere, notwendige Maßnahmen zur Verbesserung des Betriebsergebnisses.

Einen besseren DB 2, auch operatives Abteilungsergebnis genannt, benötigen wir zwingend, um in den nächsten Jahren die anstehenden Herausforderungen wie mehr Fachkräfte, Azubis, Verdienst, Liquidität, Automatisierung, Digitalisierung, Verbesserung der Produktivität, Weiterbildung zur Qualifizierung der Mitarbeiter u.v.m. bezahlen zu können.

Beispiel zur Ermittlung des DB 2:

Umsatz netto Getränke – Wareneinsatz netto Getränke – Personalkosten Service = DB 2 Getränke
649.000 € – 79.000 € – 307.000 € = 263.000 €

Umsatz netto Speisen – Wareneinsatz netto Speisen – Personalkosten Küche = DB 2 Speisen
929.000 € – 295.000 € – 264.000 € = 370.000 €

Umsatz netto F&B – Wareneinsatz F&B – Personalkosten F&B = DB2 F&B
1.578.000 € – 374.000 € – 571.000 € = 633.000 €

In diesem Beispiel aus einem klassischen gastronomischen Betrieb ist der DB2 in der Küche höher als im Service. Diese Analyse öffnet so die Augen für die richtigen Maßnahmen, um den DB 2 zu erhöhen. 1.) Zahlen 2.) Kopf und 3.) Bauch ist die Reihenfolge für eine erfolgreiche Verbesserung. Mit dem Gesamt DB 2 müssen alle Kosten wie Pacht, Energie, Verwaltung, Marketing, AfA, GWG, Zinsen und der Unternehmergewinn gedeckt werden. Aus dieser Systematik ist der Begriff Deckungsbeitrag entstanden.

Das Ergebnis dieses gastronomischen Betriebes beim DB 1 und DB 2 ist kein Einzelfall. In vielen Restaurants wird zu wenig getrunken oder es werden zu wenige Getränke verkauft, um die Dienstleistung Service bezahlen zu können bzw. fehlende Servicemitarbeiter zurückzugewinnen. Es kommt auch in Betrieben nicht selten vor, dass der Deckungsbeitrag 2 im Service an Tagen minus ist. Doch leider weiß es keiner. Frei nach dem Motto „was ich nicht weiß macht mich nicht heiß“. Den DB 2 nicht täglich zu wissen, halte ich für sehr sehr sehr gefährlich.

Neben dem Mehrverkauf von Getränken und Umstellung auf Deckungsbeitragskalkulation ist die Anwendung von Getränke- und Servicepauschalen eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung des DB. Bei Feierlichkeiten werden mit Getränke- und Servicepauschalen oder den All-Inklusiv-Feiern (das Rundum-Sorglos-Paket) bereits beste Ergebnisse erzielt. Ich bin überzeugt, dass diese Maßnahmen für die Zukunft sogar zwingend erforderlich sind. Ansonsten werden die Probleme Fachkräftemangel, geringer Verdienst und geringe Liquidität in der Gastronomie niemals gelöst. 

Die Möglichkeiten zur Erhöhung des DB für Getränke auf einen Blick:

  1. Getränkekalkulation auf Deckungsbeitrags Preispolitik umsteigen
  2. Die Mitarbeiter im Service auf Mehrverkauf trainieren
  3. Einsatz von Getränke- und Servicepauschalen bei Veranstaltungen
  4. Verkaufskontakte durch das Serviceteam erhöhen

Stellen Sie sich doch einmal diese Fragen:

In welchem Bereich liegt der prozentuale Anteil des Getränkeumsatzes am Gesamtumsatz F&B in Ihrem Betrieb?

  • größer 40%
  • zwischen 35% – 40%
  • kleiner 35%

Gibt es in Ihrem Betrieb bei Feierlichkeiten und Veranstaltungen das Angebot der Getränke- und Servicepauschalen?

  • Ja
  • Nein

In welchem Bereich ist der Deckungsbeitrag 1 höher?

  • Speisen
  • Getränke

Profis haben immer eine Lösung. Amateure lösen ihre Probleme immer nach dem Motto „Wir brauchen mehr Fachkräfte.“ Immer wieder will die Hotellerie und Gastronomie ihre Probleme anscheinend immer nur durch mehr Mitarbeiter lösen (die vorhandenen zu trainieren findet immer noch viel zu wenig statt). Mehr Mitarbeiter als Lösung wird es aber in absehbarer Zukunft nicht mehr geben. Nur mit der richtigen Denkweise der Preisgestaltung, Automatisierung und Digitalisierung können wir die Herausforderung der nächsten Jahre lösen.

 

Uwe Ladwig ist Fachbuchautor, Dozent, Trainer und Inhaber von F & B Support in Willich. Er trainiert und unterstützt Gastronomen bei betriebswirtschaftlichen Herausforderungen wie, Kalkulation von Speisen, Getränke und Veranstaltungen, Preisgestaltung, Speisendiagnose – Menu Engineering, Speisekartengestaltung, Erfolgskennzahlensysteme, Budgetierung, Mitarbeitereinsatzplanung mit Umsatzprognose und Kennzahlen u.v.m. Er bietet zahlreiche Onlinekurse und Komplett Kalkulationspakete für den Einsatz in der Gastronomie an. Ebenso einen Gratis Gastro-Workshop für „Die perfekte Preisgestaltung für die Gastronomie“ für die praktische Umsetzung im Betrieb.

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