#restartgastro 2021, Teil 1: 12seasons, Berlin

von Jan-Peter Wulf
12 seasons team - management, gastronomie #restartgastro 2021, Teil 1: 12seasons, Berlin

Tim Hansen, Kamel Haddad und Vitali Müller. Foto: Redaktion

2020 haben wir nach dem Lockdown die Reihe „#restartgastro“ mit der Idee ins Leben gerufen, zu fragen: Wie geht’s? Den Gastronomien und den Menschen, die sie machen? Aus bekannten Gründen legen wir diese Reihe 2021 erneut auf. Wir beginnen mit dem „12seasons“, das einen ganz besonderen Restart hat. Einen Re/Start sozusagen. 

Es war ein langer Weg bis hierher an die schöne Bar des 12seasons. Damit ist weniger unser Weg von Alt-Treptow in die Giesebrechtstraße in Charlottenburg gemeint, vielmehr die Zeit. In einer anderen Welt könnte jetzt erst November 2020 sein und nicht schon Frühsommer 2021. Doch wir wissen: Es kam alles anders im vergangenen Jahr und das neue Restaurant hat es wirklich voll erwischt – Ende Oktober war es fertig für die Eröffnung, doch statt Opening kam der Lockdown.

Zusammen mit einer Handvoll anderer Berliner Restaurants, u.a. dem Brikz und Tante Fichte kann das „12seaons“ nun für sich das Kuriosum verbuchen, mitten in einer landesweiten Schließung der Gastronomie eröffnet zu haben. Natürlich erst einmal nur mit Außer-Haus-Geschäft. So bot das Team an den Wochenenden mit dem Markt12 hausgemachte Feinkost zum Abholen an, später Lockdown-Menüs, im April machte man das Pop-up Tarteletterie 12. Das Finanzielle sei dabei nachrangig gewesen, wie Vitali Müller, der das „12seasons“ zusammen mit Tim Hansen betreibt, erklärt. Jedoch habe man sich und seine Produkte der Nachbarschaft so bereits vorstellen können – und die kommt jetzt, wo endlich geöffnet werden durfte, zum Essen. Die Terrasse der Location ist am frühen Abend gut gefüllt.

12 seasons kueche 2 - management, gastronomie #restartgastro 2021, Teil 1: 12seasons, Berlin

Auf beiden Seiten der offenen Küche können Gäste sitzen und dem Küchenteam zuschauen.

12 seasons boden - management, gastronomie #restartgastro 2021, Teil 1: 12seasons, Berlin

Hingucker: der Boden aus recyceltem Fischernetz

Wir sitzen wie gesagt drinnen und erkennen vom Vorgänger, viele Jahre war hier die Bar „Julep’s“ zu Hause, nix wieder (ein paar Eindrücke gibt es hier noch). Der Raum wurde komplett neugestaltet. Die Location ist sehr stimmungsvoll geworden, dunkel mit Lichtakzenten und Details aus besonderen Materialien – zum Beispiel Wandverkleidungen aus spanischen Keramik-Kacheln in Riffelblech-Optik. Der Sitzbereich rechts neben dem Eingang ist leicht erhöht. So sitzen die Gäste auf Augenhöhe mit jenen am umlaufenden Tresen, und irgendwann sollen hier auch kleine Konzerte oder Lesungen stattfinden können. Der Boden besteht aus recycelten Fischernetzen, je nach Lichteinfall tritt sein Regenbogen-Farbeffekt mehr oder weniger stark hervor. „So ziemlich der teuerste Boden, den man zurzeit kriegen kann“, sagt Müller lachend.

Es ist wirklich eine Menge Arbeit und Liebe in das Restaurant hineingegangen, das sieht man. Die ungeplante Zwangspause wurde auch genutzt, um Details noch mehr auszuarbeiten. Ganz der Baumarkt-Werbung nach war eigentlich immer was zu tun. Müller: „Wir hatten eine ganz normale Fünf-Tage-Woche und Arbeitsalltag.“ Zwar nicht täglich und immer acht Stunden, aber man hat viel selbst gebaut und renoviert. „Für das Team war die Beschäftigung sehr wichtig. Wir sind eine eingeschworene Truppe.“

12 seasons vorspeise - management, gastronomie #restartgastro 2021, Teil 1: 12seasons, Berlin

Saibling mit Spargel, Quinoa, Erdbeere und Tomate

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Extravagant: Kalbsfilet mit grünem Spargel, Navette, Blütenpollen, Johannisbeere und Lakritz

Und das schon ab 2019: Da nämlich änderten Müller und Hansen das kulinarische Konzept des Restaurants „Neumond“, das sie zuvor in Mitte betrieben. Zusammen mit ihrem neuen Küchenchef Kamel Haddad zogen sie 2020 nach Charlottenburg um, als „12seasons“ wollte man mehr oder minder direkt durchstarten. Tja. Glück im Unglück: Weil es sich technisch betrachtet um einen Umzug (mit Namenswechsel) und keine Neueröffnung handelt, konnte man die Umsätze der Vorjahres-Bezugsmonate für die Überbrückungshilfen ansetzen. Auch deswegen hat man den Lockdown gleich zum Start an neuer Stelle den Umständen entsprechend gut überstehen können. Wovon auch die beiden Auszubildenden des Hauses profitieren, die vor allem dem Küchenchef tatkräftig zur Seite stehen.

Im Juli startet die Bar des 12seasons

Nomen est Omen: Jeder Monat im „12seasons“ ist eine neue Saison und eine neue Karte. Es ist zum Besuchszeitpunkt noch Juni, auf dem Speiseplan stehen unter anderem Saiblingskaviar, mit Quinoa und Erdbeeren, Blumenkohl mit Brokkoli, Maracuja und Buchweizen, Kalbsfilet mit grünem Spargel, Navette, Blütenpollen und – Aroma-Überraschung – Lakritz. Die Küche ist facettenreich, kombiniert die Region mit Europa und der Welt, geschmacksintensiv und spannend. Während der Monat sich dem Ende neigt, schreibt man schon an der neuen Karte – für August. Der Juli ist bereits „programmiert“.

Der Weinbegleitung Tim Hansens, der auf deutsche und europäische Weine setzt, darf man volles Vertrauen schenken. Wer indes lieber eine Flasche zum Menü möchte, lässt sich zum großen Weinregal im hinteren Bereich führen und sucht sich was Nettes aus. Oder wählt einen Cocktail: Mit Claire Josephine Rödel übernimmt im Juli ein echter Profi die hauseigene Bar, man darf auf die flüssigen Kreationen gespannt sein. Und ab August kommen auch monatliche Küchenpartys, bei denen das neue Menü vorgestellt wird, dazu.

Also, wie geht’s? „Eigentlich echt gut“, so Vitali Müller. „Wir sind halt immer noch im Soft-Opening-Modus.“ Heißt: Vorerst bleibt es eine kleinere Karte, man platziert maximal 25 Gäste am Abend – die Qualität soll passen, alles soll sich gut einstellen. Denn trotz des guten halben Jahres Vorlaufzeit: Es macht einen Unterschied, ob Gäste da sind oder eben nicht. Abläufe, Laufwege und Co. lassen sich ohne Publikum zwar ein Stück weit einüben, aber es ist eben doch nicht dasselbe, live ist live. Doch dafür sieht es ehrlich gesagt schon recht routiniert aus, das Juni-Menü überzeugt, die so hart vermisste Atmosphäre, sie ist da. Dieses je-ne-sais-quoi aus so vielen sinnlichen Eindrücken.

Wie schön ist es, drinnen sitzen zu dürfen, am Tresen, und der Gastronomie dabei zuzuschauen, wie sie passiert und wieder lebt.

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