Von der Abfallvermeidung zu Zero Waste in der Gastronomie: 4 Beispiele, wie man es macht – Isla Coffee, Stairs Bar, One Trick Pony, In Guter Gesellschaft

von Jan-Peter Wulf

Nachhaltigkeit, Abfallvermeidung, Wiederverwertung, Zero Waste: Ein großes und wichtiges Thema für die Gastronomie. Wer achtsam arbeitet, der leistet nicht nur einen Beitrag für die Umwelt, sondern kann dadurch auch Geld einsparen. Aber wie funktioniert es? 4 Beispiele. 

1. Isla Coffee, Berlin: aus Milchschaum wird Käsekuchen 

Das kleine Café an der Neuköllner Hermannstraße macht zurzeit viel von sich reden. Denn mit ihrem innovativen Kreislaufwirtschaftskonzept, bei dem viele der Lebensmittelreste für neue Produkte genutzt und somit nicht weggeworfen werden, haben Peter Duran und Philipp Reichel den Deutschen Gastro-Gründerpreis 2018 gewonnen.

Wie durchdacht ihre „circle economy“ ist, erkennt man gut, wenn man sich einen Cappuccino und ein Stück Käsekuchen bestellt. Denn die beiden Produkte hängen eng miteinander zusammen.

Cappuccino, das ist Espresso und Milchschaum – und bei der Herstellung von Letzterem bleibt immer etwas übrig im Metallkännchen. Exakt sind es rund zwei Liter am Tag bei zwölf Litern Gesamtverbrauch. Der Milchrest wird gesammelt und gekühlt. Einmal pro Woche wird dann mithilfe von Zitronensäure der Fettanteil von der Molke getrennt. Die Molke verwendet man z.B. für Suppen weiter, aus dem fetthaltigen Überbleibsel wiederum wird mithilfe von Bakterien ein Joghurt hergestellt. Dieser wird für das Müsli, aber auch für den beliebten Käsekuchen, den wir im Isla Coffee Berlin probieren, verwendet – verfeinert beispielsweise mit Feige. Der Boden des Käsekuchens wiederum besteht aus den Resten des Brots, das für die leckeren Sandwiches aufgeschnitten wird – das Dessertprodukt ist somit fast ein 100-Prozent-Recyclingprodukt.

Das alles ist aufwändig, vor allem das Setup, aber es zahlt sich aus: Zwei Minijobber-Stellen können allein mit den Einsparungen durch die Wiederverwertung im „Isla Coffee“ finanziert werden. Und übrigens: Wer sich wundert, dass die Tassen hier so leicht sind, sollte sie sich mal genauer anschauen. Sie bestehen aus altem Kaffeesatz, der zusammen mit recycelten Biopolymeren und Holz von der Firma „Kaffeeform“ zu stabilen, spülmaschinenfesten, lebensmittelechten und formschönen Tassen verarbeitet wird. Raten Sie mal, welches Berliner Café dafür unter anderem seinen Kaffeesatz zur Verfügung stellt …

Es wird viel zu viel weggeschmissen. Wiederverwertung ist super rentabel!

Peter Duran, „Isla Coffee“ Berlin

 

2. Aus wenig Zitronen wird viel Säure: Stairs Bar, Berlin

Der Name ist Programm: In der 2017 in der Berliner Uhlandstraße eröffneten Stairs Bar spielen Stufen, vom Design bis zur sukzessiv aufgebauten Drink-Karte – Klassikversion, Variation, Eigeninterpretation – eine große Rolle. Und ebenso, für den Gast bewusst weniger ins Auge fallend, das Thema Nachhaltigkeit: So werden, bis auf ein paar Gurken, praktisch keine Frischeprodukte verarbeitet, die Säure liefern hausgemachte Zitronen- und Limettenwasser statt frischer Früchte (bei denen im gängigen Barbetrieb bekanntermaßen viel Abfall entsteht).

Statt Eiweiß für die Drinks – auch das Eigelb hat im herkömmlichen Barbetrieb oft ein unrühmliches Ende – nimmt man Aquafaba, das dickflüssige Kochwasser aus der Kichererbsendose. Das produziert stabileren Schaum als Eiweiß, ist günstiger, vegan, lässt sich einfrieren und die Kichererbsen werden zu Hummus verarbeitet (aktuell noch für den internen Gebrauch, aber man arbeitet an Chickpea-Barsnacks).

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Wirft einen Drink: Konstantin Hennrich, Stairs Bar Berlin. Foto: Anna Nesterenko

Wie effektiv sich mit Zitronenabrieb Säure produzieren lässt, hat uns „Stairs“-Bartender Kersten Wruck veranschaulicht:

„Für einen Liter Zitronenwasser benötigen wir gerade mal den Abrieb von zwei Zitronen statt, je nach Saftigkeit, bis zu 25 frische Früchte.“ Zutaten: 940 ml gefiltertes Wasser, 60 Gramm Zitronensäure, 8 Gramm Fructose, 6 Gramm Dextrose und 10 Gramm Zitronenabrieb. Zubereitung: Pulver und Wasser werden vermengt, bis sich Säuren und Zucker aufgelöst haben. Der Abrieb wird hinzugeben, das Ganze zieht rund fünf Minuten. Anschließend filtert Wruck den Abrieb heraus und füllt das Wasser ab. „Das basiert auf der Arbeit von Dave Arnold (US-Mixologe, Anm. d. Red.) und dem Team vom Bonechina um Sven Riebel in Frankfurt.“

Das Zitronenwasser ist bis zu drei Wochen haltbar, ideal für Premixes und Bottled Cocktails, und es ist transparent, nicht trüb – auch optisch ein Pluspunkt. Der deutlich reduzierte Wareneinsatz an sich ist schon nachhaltig und geldbeutelschonend, aber es geht noch weiter. Die Überbleibsel – in diesem Fall Zitronen- oder Limettensaft – werden geklärt und ebenfalls verwendet. Aus den Kernen kocht man Marmeladen und nimmt sie für Infusionen. Und selbst die Verschnitte der Zitronen und Limetten landen nicht im Abfall: Wruck hat sie aufgehoben, eingefroren und einen Sirup draus gemacht. Mittels Fermentation will man langfristig einen eigenen Wermut aus den Schnittresten gewinnen, um den Gästen dann zum Beispiel eine Abwandlung eines Breakfast Martini servieren zu können.

Nachhaltigkeit ist für uns eine Herzensangelegenheit.

Kersten Wruck, „Stairs“ Berlin

 

3. Mohn-Direktrecycling: „One Trick Pony“, Freiburg

Von wegen ein Pferd, das nur einen Trick drauf hat: Das One Trick Pony vereint viele Qualitäten. Die kreativen „Laborgeeks in Palmenjacken“ mixen Drinks vorwiegend mit regionalen Zutaten, nutzen innovative Zubereitungsverfahren (wie Rotationsverdampfung, enzymatische Klärung und Fermentation) und verbreiten dabei ausgesprochen gute Laune. Gleich dreimal wurde die Bar bei den „Mixology Bar Awards 2018“ ausgezeichnet: Für die „Barkarte des Jahres“, als „Neue Bar des Jahres“ und (mittlerweile ehemaliger, Anm. d. Red.) Barchef Jan Jehli wurde obendrein noch „Mixologe des Jahres“. Nachhaltigkeit wird bei den Freiburgern ebenfalls groß geschrieben.

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Der „Floppy Poppy“. Foto: One Trick Pony

Zum Beispiel bei der Verwendung von Mohn – aus den kleinen Körnern holt man hier alles raus.

Der Blaumohn, den man zuerst zur Aromatisierung von Butter verwendet, wird nach dem Kochen aus der flüssigen Butter herausgefiltert und dann mit Wasser, Zucker und einem Bindemittel sowie der bereits hergestellten Mohnbutter zu Mohnsirup weiterverarbeitet (mit der Mohnbutter wird darüber hinaus auch ein Mohn-Zitronen-Curd hergestellt, die dabei abfallenden Eiweiße nutzt man im Abendservice für die entsprechende Drinks). Nach der Herstellung des „Blaumohnwassers“ für den Sirup werden sie erneut herausgefiltert, getrocknet und dienen dann zum Beispiel als Garnitur für einen Drink, der alle drei Verwendungsformen des Mohns – Sirup, Curd, Garnitur – vereint: der alkholfreie „Floppy Poppy“ mit Crème fraîche, Apfelsaft, Wasser, Curd, Sirup und Mohnkörnern.

Eine Tüte aufreißen kann jeder. Aber wenn ich Müll reduzieren will, muss ich mir Gedanken machen.

Jan Jehli, (ehemals) „One Trick Pony“, Freiburg

 

4. Mandel-Schoko-Creme aus Resten statt Plastik-Nutella: „In Guter Gesellschaft“, Hamburg

Auch im neuen Café In Guter Gesellschaft in Hamburg gibt es in Sachen Nachhaltigkeit, Abfallvermeidung und Zero-Waste-Bestreben keinen erhobenen Zeigefinger in Richtung Gast, dafür aber viele kreative Fingerzeige: Verzicht auf Strohhalme, Verarbeitung von abbaubaren Abfällen zu Dünger, Nutzung wiederverwendbarer Verpackungen und vor allem: So wenig Verpackung wie möglich. Das Gemüse wird lose in Kisten angeliefert, die dann wieder abgeholt werden. Der Käse kommt im ganzen Laib statt stückweise mit Plastik umhüllt. Auch Kaffee, Milch und Orangensaft werden in Mehrweg-Behältnissen angeliefert.

Aus einem Abfallprodukt der aromatisierten Kaffeemilch wird ein Frühstücksprodukt:

Die pflanzliche Milch für den Kaffee, die mit Mandeln und Hafer inhouse verfeinert wird, erzeugt Mandelmus. Der nach dem Blenden und Sieben verbleibende feste Rest wird mit Kakao und Zucker zu einer groben Mandel-Schoko-Creme weiterverarbeitet, in ein kleines Weckglas gefüllt und dient im „In Guter Gesellschaft“ als stilvoller, schmackhafter Ersatz dessen, was im Frühstücksbereich sonst enorm viel Plastikabfall erzeugt: die Kleinstpackung Nuss-Nougat-Creme.

Zero Waste ist Learning by doing. Wir finden immer mehr heraus, wo sich überall Müll vermeiden lässt und produzieren nur noch sehr wenig davon.

Ina Choi-Nathan, „In Guter Gesellschaft“, Hamburg

Dieser Beitrag erschien zuerst in fizzz 5/2018.

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