„Die Standortfrage neu denken“ – Cafépreneur Frankfurt unterstützt Gastro-Gründer*innen und sagt: Jetzt ist eine gute Zeit um zu starten

von Jan-Peter Wulf

Elisabeth Marcard und Götz Lindenmayer sind privat wie beruflich ein Paar, haben viel Erfahrung in der Gastronomie und im Marketing und bieten ihr Know-how jetzt Gastro-Gründer*innen an: Mit ihrem im vergangenen Jahr gestarteten  Beratungsunternehmen Cafépreneur unterstützen sie in der Standortberatung, in der Konzeptausarbeitung und in der Finanzierung. Aber auch emotional – was in Zeiten wie diesen vielleicht wichtiger ist denn je. Warum das Jahr 2021 trotz Corona-Lockdown ein gutes ist, um den Traum vom eigenen Café, Restaurant und Co. zu verwirklichen und worauf es dabei ankommt, darüber haben wir uns mit den Frankfurtern unterhalten.

Herr Lindenmayer, Sie haben selbst 2009 ein Café eröffnet, „Brot und seine Freunde“. Angenommen, die Gründung fiele in dieses Jahr: Was würden Sie heute anders machen, auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen der vergangenen Monate?

Götz Lindenmayer: Seit 2009 sind ja nun fast schon zwölf Jahre vergangen und natürlich hat sich innerhalb eines ganzen Jahrzehnts sehr viel bewegt. Unsere Gesellschaft befindet sich in einem massiven Wandel, das betrifft auch die Gastronomie. Spätestens jetzt kommt keiner mehr um Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit herum. Gründer*innen empfehle ich insbesondere die Standortfrage neu zu denken.

Aufgrund des stetig wachsenden Onlinehandels und des wachsenden Anteils von Angestellten, die von zu Hause arbeiten, wurden die Innenstädte schon seit Jahren immer weniger frequentiert. Corona beschleunigt diese Entwicklung um ein Vielfaches. Daher würde ich heute bei meiner Standortwahl nicht unbedingt eine Innenstadtlage bevorzugen. Mein Konzept würde ich von Anfang an noch stärker auf die Zielgruppe anpassen, die sich für eine gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensweise interessiert.

Unser Konzept war von Anfang an stark auf das To-go-Geschäft ausgerichtet, was heute definitiv von Vorteil ist. Wahrscheinlich würde ich mich generell noch etwas breiter aufstellen. Denn was wir heute beobachten ist, dass Konzepte, die auf mehreren Säulen stehen, sich flexibler an neue Gegebenheiten anpassen.

Außerdem gab es viele der heute gängigen Social-Media-Kanäle oder Online-Portale 2009 schlicht und einfach noch nicht. Diese günstigen Möglichkeiten des Imageaufbaus und der Vermarktung zu nutzen, lohnt sich allemal. Ganz zu schweigen von denen im Vergleich zu früher sehr einfachen Möglichkeiten, sein (Handels-)Sortiment auch online zu vermarkten – wobei auch die gestiegene Akzeptanz der Verbraucher*innen eine große Rolle spielt. Es gibt also einiges, was unter den heutigen Vorzeichen anders als noch vor zwölf Jahren ist. Mit dem Wissen von heute würde ich tatsächlich einiges anders angehen.

Sie schrieben uns: „Jetzt ist die richtige Zeit für Gründer, um die kreativen Lösungen, die viele Gastronomen bereits während der Krise entwickelt haben, auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen und daraus innovative Konzepte zu entwickeln.“ Warum ist jetzt eine gute Zeit für Gründer*innen?

Elisabeth Marcard: Im Vergleich zu den Gastronom*innen, die jetzt mit der Corona-Krise kämpfen, haben Gründer*innen einen riesigen Vorteil: Sie müssen (noch) keine Fixkosten tragen. Sie können in Ruhe das Know-how erwerben, das sie für einen Start in der Gastronomie benötigen. Sie können ihre Konzepte schärfen und auf die neuen Gegebenheiten anpassen. Für viele lohnt sich auch ein genauerer Blick auf die Möglichkeiten der Digitalisierung: Was passt zu mir? Welche Lösung benötige ich wirklich? Jetzt ist Zeit genug, um ausgiebig zu vergleichen.

Viele Gastronom*innen haben in den letzten paar Monaten Unglaubliches geleistet. Wer gedacht hat, die Gastronomie sei eine zähe Branche, wurde schnell eines Besseren belehrt. Da wurden in Windeseile To-go-Konzepte geschaffen und erweitert, Verpackungskonzepte so ausgearbeitet, dass sie sowohl dem Bedürfnis der Gäste nach nachhaltigen Materialien und Müllvermeidung als auch dem Wunsch nach einem besonderen Erlebnis – das ja nun gerade nicht inhouse geboten werden darf – gerecht werden. Die Unboxing-Erfahrung der Kund*innen zu Hause hat sich für manche zu einem USP entwickelt und Handelsware erhält eine ganz neue Bedeutung, online sowie offline.

Wie sieht das denn konkret aus, können Sie uns ein paar Beispiele geben?

Elisabeth Marcard: Einige Gastronom*innen hatten nach der Wiedereröffnung im Frühjahr letzten Jahres ihre Öffnungszeiten reduziert und berichten von positiven Effekten: Es sparte nicht nur Kosten, sondern schafft Zeit für andere umsatzbringende Aktivitäten. Gleichzeitig sorgt es für mehr planbare Freizeit für Angestellte und Betreiber und damit für mehr Zufriedenheit im Team.

Einige bieten ihr Angebot nun auch auf Wochenmärkten an oder halten Online-Workshops, zum Beispiel zum Thema Kaffeezubereitung oder bei Biertastings. Vor der letzten Schließung gab es auch Ideen, Plätze in Cafés an diejenigen zu vermieten, denen zu Hause aufgrund von Home-Office die Decke auf den Kopf fällt. Gründer*innen müssen nicht das Rad neu erfinden, sondern tun gut daran, sich die Ideen anzuschauen, die sich nun bewähren und bereits in ihr Konzept einzuarbeiten.

Gründer*innen, die bis zum Ende der Krise am Start sind, werden den positiven Schub, der im Außer-Haus-Markt unseres Erachtens kommen wird, vollumfänglich nutzen. Wir sind daher überzeugt, dass jetzt die beste Zeit für alle ist, die schon lange davon träumen, ein eigenes Café oder kleines Restaurant zu eröffnen, es konkret anzupacken.

Wie unterscheidet sich eine Gründung 2021 denn von einer Gründung vor Corona?

Götz Lindenmayer: Wir sehen uns mitten in einer Zeitenwende. Generell sehen wir die größten Verschiebungen bei Neugründungen in den Bereichen „Konzept“ und „Standort“. Zum Thema Konzept haben wir schon einiges erzählt. Alles, was noch vor Corona als Garant für Frequenz und somit Laufkundschaft galt, ist jedoch gerade hinfällig: Tourist*innen bleiben aus, weil niemand reist. Büros stehen größtenteils leer und die öffentlichen Verkehrsmittel werden weniger genutzt.

Es gibt für die Menschen derzeit fast keinen Grund, die Innenstädte aufzusuchen. Da diese Entwicklung unserer Meinung nach nur teilweise zurückgedreht werden wird, gewinnen Lagen in den Stadtteilen, im kleinstädtischen sowie ländlichen Umfeld wieder an Bedeutung. Also dort, wo sich die Menschen nun tagsüber aufhalten.

Das klingt plausibel. Sie legen viel Wert auf ökonomische Nachhaltigkeit bei den Konzepten, die sie beratend begleiten. Was genau bedeutet dies für Sie, können Sie es vielleicht einmal an einem Beispiel erklären?

Götz Lindenmayer: Für uns hat das Wörtchen „nachhaltig“ zwei Bedeutungen: Einerseits denken wir, dass das Thema Nachhaltigkeit im laufenden Betrieb für höhere Umsätze sorgen kann, weil Gäste bereit sind, mehr Geld für Produkte auszugeben, die ihren sozialen und ökologischen Ansprüchen genügen. Dafür muss der Gastronom bzw. die Gastronomin aber hinter dem Thema stehen, es in sein Konzept einbetten und nicht nur zu Marketingzwecken nutzen – das kann schnell nach hinten losgehen.

Andererseits kann, egal welche*r Unternehmer*in, nur sinnvoll ökologisch und sozial wirtschaften, wenn er ökonomisch auf gesunden Füßen steht. Einen mehr als fairen Lohn an seine Mitarbeitende zu zahlen oder die nachhaltigere und etwas teurere Verpackungsvariante im Einkauf zu wählen, ist möglich, doch das Unternehmen muss sich dazu wirtschaftlich tragen. Dafür muss schon während Planung gut gerechnet werden, die Finanz- und Liquiditätsplanung muss von Anfang unter Berücksichtigung vieler weiterer Faktoren auf belastbaren und realistischen Zahlen beruhen. Dann ist ein Café auch langfristig, sprich „nachhaltig“ erfolgreich.

Stichwort Liquidität: Wir befinden uns gerade in einer bleiernen Zeit. Viele Betriebe haben immer noch keine oder nur Anzahlungen der Hilfsgelder bekommen, Wiedereröffnungs-Perspektiven sind noch fern. Sie unterstützen ja auch emotional. Wie genau sieht das aus und was können Gastronom*innen Ihrer Meinung nach aktuell tun, um auch mental gut durch diese schwierige Phase zu kommen?  

Elisabeth Marcard: Unsere Gründer*innen haben immer den direkten Draht zu uns, wir arbeiten sehr eng und persönlich miteinander. In Phasen, in denen etwas nicht rund läuft – ehrlicherweise gibt es diese während jeder Gastrogründung – kann Überforderung schnell lähmend wirken. Wir haben in diesen Momenten nicht nur ein offenes Ohr, sondern behalten aufgrund unserer Erfahrung den Überblick, geben Struktur und dadurch Sicherheit und Zuversicht für den weiteren Weg.

Allen Gastronom*innen, die jetzt mental an ihre Grenzen kommen, können wir nur raten, ihre Resilienz weiter zu stärken und sich ein hohes Level an Frustrationstoleranz zuzulegen – und vor allem den Optimismus nicht zu verlieren. Raus ins Grüne lautet unsere eigene Devise, um den Kopf frei zu bekommen. Ein langer Spaziergang im Wald wirkt auf uns wie eine Therapie. Die freigewordene Zeit dafür zu nutzen, um die Beziehungen zu Freund*innen und der Familie zu stärken, halten wir ebenfalls für eine sehr gute Idee. Denn schließlich sind es genau diese Menschen, von denen wir uns wünschen, dass sie auch in Zukunft in schwierigen Phasen für uns da sein werden.

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Sie bieten auch Onlinekurse an. Welche Inhalte vermitteln Sie dort?

Elisabeth Marcard: Unser Onlineangebot entwickeln wir für Gründer*innen, die punktuelle Hilfestellung für bestimmte Themengebiete suchen und in ihrem eigenen Tempo lernen möchten. Dabei konzentrieren wir uns inhaltlich zuerst auf die drei Bereiche, die unserer Meinung nach die Grundpfeiler des späteren Erfolgs sind: Standort, Konzept und Businessplan.

Bisher haben wir einen Kurs zur Standortanalyse veröffentlicht, der gut angenommen wird. Gerade überarbeiten wir diesen Kurs und passen ihn auf die veränderte Situation an. Die anderen Themen werden wir nach und nach entsprechend aufbereiten und als Onlinekurse oder Onlineworkshops anbieten. Den Themenkomplex „Konzept“ möchten wir didaktisch so aufbereiten, dass die Teilnehmenden nach Abschluss des Kurses in der Lage sein werden, selbstständig ein tragfähiges Konzept zu entwickeln. Beim Businessplan wird ein Schwerpunkt unter anderem auf der Deckungsbeitragsberechnung liegen.

Irgendwann wird es ja wieder einen Gastro-Restart geben. Den zweiten. Beim ersten Mal gab es schon ein Gefühl von Erleichterung und Aufbruch. Was glauben Sie, wie es beim nächsten Mal sein wird – und wie rüstet man sich dafür?

Götz Lindenmayer: Natürlich wird eine gewisse Unsicherheit bleiben, ob die nächste Öffnung auch tatsächlich für immer ist. Dennoch gehen wir davon aus, dass der Gastronomie nach dem Ende der Corona-Krise ein Aufschwung bevorsteht und sich gerade für Gründer*innen echte Chancen bieten.

Erstens wird die Bewegung, die zwangsläufig in den Markt kommen wird, Platz für Neues machen, das besser wahrgenommen werden kann. Zweitens vermissen wir alle das gesellige Beisammensein, wir möchten uns wieder unbeschwert treffen und dabei nicht an Abstand, Masken und Desinfizieren denken. Wir lechzen nach gemeinsamen Erlebnissen und kleinen Auszeiten mit unseren Freund*innen und unserer Familie – und das am liebsten beim Genießen von leckeren Speisen und Getränken.

Ich hoffe, dass die Krise ein Umdenken bewirkt und die Menschen gutes Essen und guten Service sowie die viele Arbeit, die dahinter steckt, wieder mehr wertschätzen und honorieren werden. Nach dem Ende der Spanischen Grippe folgten die Goldenen Zwanziger. Wenn sich die Geschichte wiederholt, können wir schon einmal den Champagner kalt stellen und uns auf die kommende Zeit des Aufbruchs freuen!

Sie bieten das Konzept von „Brot und seine Freunde“ als Lizenzmodell an. Wie genau sieht das Konzept aus und wie kann man Partner*in werden?  

Götz Lindenmayer: „Brot und seine Freunde“ war zehn Jahre lang ein stationäres Konzept in der Frankfurter Innenstadt direkt zwischen den Banktürmen und ist heute in Leipzig zu finden. Es ist inspiriert von amerikanischen Coffeeshops, französischen Patisserien und traditionellen deutschen Cafés und Bäckereien und vereint diese internationalen und nationalen Einflüsse zu einem Gesamtkonzept.

Die Grundidee, um die sich alles dreht, ist das gute alte Butterbrot, das wir 2009 neu interpretiert haben: Die Stullen sind mit handgerührten Frischkäse-Kreationen bestrichen und reichlich belegt. Anschließend werden sie auf dem Grill kurz angeröstet und warm serviert. Natürlich gibt’s auch leckeren Kuchen, Croissants und ausgesuchten Kaffee. Das Konzept ist auch nach 12 Jahren noch nicht überholt. Im Gegenteil, es entwickelt sich in Leipzig, Start September 2020, gerade sehr ordentlich.

Wer sich für eine Lizenz interessiert, darf sich gerne direkt an mich wenden. Dann sollten wir uns kennenlernen, denn ich arbeite gerne mit Menschen zusammen, die zu mir und meinen Werten passen. Wenn ich mir mit eine*r Anwärter*in einig werde, bekommt diese*r jegliche Unterstützung, die wir auch unseren Kunden von Cafépreneur bieten, plus das fertige Konzept, das komplette Branding und zu Beginn Unterstützung bei der Pressearbeit und dem Marketing.

„Brot und seine Freunde“ hat sich in Leipzig bereits für Quereinsteiger bewährt. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass jeder, der sich von uns beraten lässt, das Konzept annehmen muss. Im Gegenteil, die Gründer und Gründerinnen müssen voll und ganz hinter einem Konzept stehen, wenn sie es erfolgreich auf den Markt bringen und langfristig betreiben wollen.

Und es gibt auch einen Online-Shop von Brot und seine Freunde. 

Götz Lindenmayer: Der ist mein eigenes Projekt und nicht an die Lizenz gekoppelt, obwohl einzelne Produkte daraus als Handelsware in Leipzig stationär verkauft werden. Im Online-Shop dreht sich alles um die Themenfelder Abendbrot und Frühstück. Das Sortiment an feinen Fruchtaufstrichen, Marmeladen, Relishs und Chutneys wird künftig von weiteren Delikatessen und allem ergänzt, was zu einer guten Brotzeit nötig ist: Holzbrettchen, nostalgische, Geschirrtücher, Besteck etc. Ich kenne bisher alle Hersteller*innen persönlich und lege besonderen Wert auf Transparenz. Mir ist wichtig, wer hinter einem Produkt steckt, was genau drin ist und wie es produziert wird. Ich bin außerdem ständig auf der Suche nach hochwertigen Produkten, um die ich den Shop ergänzen kann.

Langfristig freue ich mich darauf, weitere „Brot und seine Freunde“-Shops in Deutschland zu sehen und meine Handelsware aus dem Onlineshop auch als B2B-Sortiment an Unternehmen zu verkaufen.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute! 

www.cafepreneur.de
Hörtipp: Ein sechsteiliges Special rund um die Café-Eröffnung mit Cafépreneur gibt es im Gastro-Podcast 9bar. Hier anhören.

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