Exklusive Leseprobe aus „Alle ist keine Zielgruppe“

Die Qualitätsmanagerin und Beraterin Ines Emmert hat einen Leitfaden für das Gastgewerbe geschrieben

von Gastautor
Neues Projekt 27 - medien-tools, management, konzepte, gruendung Exklusive Leseprobe aus „Alle ist keine Zielgruppe“

Ines Emmert. Foto: privat

„Wir wollen für alle da sein.“ „Wir sprechen alle an.“ Das sind typische Sätze, denen man bei Gastronomie-Konzepten – neu entwickelten wie bestehenden – immer wieder begegnet. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, ein Ort für möglichst jeden Menschen sein zu wollen. „Love all, serve all“ lautet das (schöne) Motto des weltumspannenden Gastronomiekonzepts Hard Rock Café. Doch ganz gewiss weiß dieses Unternehmen sehr genau, wer seine Zielgruppe ist, und stellt dazu immer wieder Analysen an.

Wer kommt zu mir? Wer soll zu mir kommen? Die Beraterin und Qualitätsmanagerin Ines Emmert aus Bad Rappenau beschäftigt sich mit diesen und ähnlichen Fragen ihrer Kund*innen nicht nur im täglichen Geschäft, sondern hat daraus auch einen Leitfaden gemacht, der den prägnanten Namen Alle ist keine Zielgruppe trägt.

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Wir freuen uns, daraus eine exklusive Leseprobe präsentieren zu können:

ZIELGRUPPENANALYSE

„Alle“ ist keine Zielgruppe. Dies sei vorneweg einmal klargestellt. Es mag sich nach einem langweiligen, trockenen Thema anhören, aber ohne, dass Sie sich ein klares Bild davon machen wen Sie erreichen wollen brauchen Sie nicht weiter vorgehen. Für jedes Unternehmen ist eine Zielgruppendefinition essenziell wichtig.

Dabei geht es zum einen um Absatz, aber auch um die Kostenreduktion. Sie können ja noch so viele Facebook-Anzeigen pro Monat kaufen, erreichen hierbei ein paar Likes mehr, ein paar Views, aber Ihre eigentliche Zielgruppe nutzt diese Plattform vielleicht gar nicht. Bei solchen Streuverlusten kommen schon mal schnell drei- bis vierstellige Summen pro Jahr zusammen, welche Sie sicherlich besser nutzen könnten.

Ein weiterer, für mich wichtiger Aspekt weshalb Sie Ihre Zielgruppe definieren sollten, steht am Anfang Ihrer Unternehmung. Sie haben das Unternehmen aus einer gewissen Vision heraus gegründet, Sie haben einen Bedarf erkannt. Dabei haben Sie sich sicherlich visuell vorgestellt wie dieses Unternehmen aussehen und wirken soll und welche Menschen davon profitieren werden.

Wenn Sie diese Menschen nicht klar und deutlich identifizieren und kennen lernen um sie auch tatsächlich zu erreichen, wird sich ihre Vision verselbständigen bis sie irgendwann nicht mehr die Ihre ist sondern die der am Ende unabsichtlich bedienten Zielgruppe/n. Ihre unternehmerischen Visionen werden, auch wenn es etwas abstrakt klingt, vom Verbraucher überfallen und besetzt. Sie sind nicht mehr „Herr“ Ihrer Unternehmung sondern fremdgesteuert. Was sie anbieten und zu welchem Preis werden Sie nicht mehr in der Hand haben. Es herrscht in gewisser Weise Anarchie. Sie hören mehr auf andere, als auf Ihre eigene klare Linie. Das führt zu immensen personellen Problemen, Umsatzeinbußen, vermehrt unkalkulierbaren Kosten und auch in Ihrem Kopf als Unternehmer, zu einer Form der Frustration. Ich habe diesen Punkt des Kontrollverlustes schon bei vielen Unternehmen, vor allem in der Gastronomie- und Hotellerie gesehen und möchte Ihnen das Bewusstsein dafür vermitteln, dass man etwas dagegen tun kann.

Im Regelfall denken die meisten Unternehmer beim Stichwort Zielgruppe an ihre derzeitigen Kunden oder eben potenzielle Kunden. In diesem Gedankengang liegt der erste Irrglaube. Schon hier sind nämlich zwei unterschiedliche Zielgruppen zu erkennen. Die Bestands- und die Neukunden. Beide haben unterschiedliche Bedürfnisse, welche mit unterschiedlichen Strategien bearbeitet werden müssen. Denken Sie stets auch über den Tellerrand hinaus. Bedienen Sie derzeit als Caterer hauptsächlich Kleinkinder mit einem Mittagsmenü sind diese nicht automatisch Ihre Zielgruppe. Nur weil sie die Abnehmer bzw. Endverbraucher darstellen. Vielmehr sind in diesem Fall die Eltern und vor allem die Kommunen welche solche Aufträge vergeben.

Hier hört die Definition aber nicht auf. Es gibt in Ihrem Umfeld eine Vielzahl an so genannten „Stakeholder“. Stakeholder, davon spreche ich viel lieber als von Zielgruppen, sind alle Personen bzw. Beteiligten die von Ihren unternehmerischen Aktivitäten berührt werden. Sie werden zu deutsch auch „Anspruchsgruppen“ genannt. Diese können sowohl
intern als auch extern existieren.

Ziele und Strategie Ihrer Unternehmenskommunikation sollten also auf die Bedürfnisse dieser Stakeholder abgesteckt sein. Beispiele für mögliche Anspruchsgruppen wären:

Im internen Umfeld
Mitarbeiter
Manager
Geschäftsführende Inhaber/Gesellschafter

Im externen Umfeld
Kunden
Presse
Geldgeber (Banken, stille Gesellschafter, Aktionäre)
Lieferanten
Verbände/ Vereine (DGE, DEHOGA, u.ä.)
Behörden (Gesundheitsamt, Hauptzollamt usw.)

Natürlich ist für Sie zu Beginn wichtig die relevanteste Anspruchsgruppe die der „Kunden“
zu kennen, da Sie unabdingbar für den wirtschaftlichen Erfolg Ihrer Unternehmung sind. Gerade aber im „War of Talents“ welcher auf dem Arbeitsmarkt herrscht und den genannten Fakten hinsichtlich der Fluktuation sind Ihre derzeitigen und zukünftigen Mitarbeiter eine Anspruchsgruppe welche Sie ebenfalls kurz- bis mittelfristig in Ihre Unternehmenskommunikation mit aufnehmen sollten. Nach der Covid-19 Pandemie umso mehr.

Widmen wir uns hier aber zunächst den Kunden. Um Ihre später folgende Botschaft entsprechend genau platzieren zu können, und auch um ggf. herauszufinden wie Sie sich bestmöglich zu platzieren haben, um für Ihre Zielgruppe relevant zu sein, müssen Sie sich wieder einmal einige Fragen beantworten. Fangen Sie an Ihre Anspruchsgruppe „Kunden“ zu definieren, indem Sie folgende Kategorien und Merkmale unterscheiden:

Privatkunden
Demografische Merkmale (Alter, Geschlecht, Familienstatus, Wohnort)
Sozioökonomische Merkmale (Bildungsstand, Gehalt bzw. Netto zur freien Verfügung, Beruf)
Psychografische Merkmale ( Einstellung, Motivation, Meinung)Kaufverhalten (Preissensibilität, Konsumreichweite, Qualitätsempfinden, Involvement)

Businesskunden
Organisatorische Merkmale (Unternehmensgröße, Unternehmensform, Standort, Marktanteil)
Ökonomische Merkmale ( Umsatz)
Kaufverhalten ( Auftragsvergabe durch Pitches oder Ausschreibungen?)

Um es plastischer werden zu lassen: Wer sind Ihre Kunden, bzw. welche Art der Kunden möchten Sie ansprechen? Schreiben Sie es auf. Visualisierung hilft zu verstehen.

  • Für welche Altersgruppe ist Ihr Angebot interessant?
  • Ist das Geschlecht relevant?
  • Spielt der Beruf eine Rolle? Wenn ja, an welche Berufe denken Sie?
  • Über welches Nettoeinkommen verfügt Ihre Zielgruppe? Und wie viel von diesem können diese monatlich für Leistungen wie Sie sie anbieten ausgeben? Beachten Sie hier auch die Preissensitivität der potenziellen Kunden. Nicht alle Menschen welche über ein hohes Einkommen verfügen, geben dieses auch freigiebig aus.
  • Wie wichtig ist Ihrer Zielgruppe die Beschaffenheit der Produkte, Qualität der Rohstoffe und die Herstellungsmethoden?
  • Trendsetter oder nicht? Beschäftigen sich Ihre Zielpersonen ausführlich mit den von Ihnen gebotenen Themen, so geht man von einem hohen Involvement aus und einer hohen Fachkenntnis. Z.B. Hobbyköche mit eigenem Blog, Weinclubs, Fitnessgurus etc.)
  • Legt Ihre Zielgruppe Wert auf Äußerlichkeiten wie Design, Interieur sowie Foodstyling oder sind sie eher pragmatisch in dieser Sache? Das ist wichtig hinsichtlich der späteren visuellen Kommunikation. (Die letzten drei Fragen schließen sich im Übrigen gar nicht gegenseitig aus. Trendsetter und Freunde hochwertiger Qualität müssen nicht unbedingt auf Fine Dining eingestimmt sein, sondern gehen auch gerne in urige Kneipen, wenn diese besondere Trendprodukte – oder Techniken verwenden, oder eben um etwas Bodenständiges zu fühlen).
  • Wo und wie wohnt Ihre Zielgruppe? Geht es um Menschen in der Nachbarschaft oder durchaus auch Menschen die mehrere Kilometer entfernt wohnen und zu Ihnen kommen weil Sie einen besonderen Erlebnischarakter bieten oder ein Ausflugsziel in der Nähe haben? Vertreiben Sie nur in einem lokalen Shop oder auch online?
  • Welche Hobbys und Interessen hat Ihre Zielgruppe?
  • Welche Marken konsumiert Ihre Zielgruppe noch?
  • Vor welchen Problemen/Frustrationen/ inneren Konflikten steht Ihre Zielgruppe?
  • Welche Werte verfolgt Ihre Zielgruppe?
  • Welche Medien glauben Sie nutzt Ihre Zielgruppe (Machen Sie sich hier vorab auch schon Gedanken wann und wo Sie selbst die entsprechenden Medien nutzen)?

Wenn Sie anhand der genannten Fragen Ihre Zielgruppe/n ausmachen konnten wird Ihnen vielleicht selbst auffallen, dass selbst innerhalb der großzügig definierten Anspruchsgruppe noch Spielraum für eine präzisere Definition des Einzelnen ist. Vielleicht können Sie sich nun aber schon eine ganz bestimmte Person X ,Y und Z innerhalb Ihrer Zielgruppe vorstellen und so genannte „Buyer Persona“ erstellen.

Diese soll Ihnen verdeutlichen, für welche Person/en konkret Ihre Kommunikation gestalten werden soll. In dieser Buyer Persona beschreiben Sie den Grundcharakter der Person, welchen Beruf sie z.B. ausübt, was Ihre Beweggründe sind und welche Bedürfnisse sie haben. Geben Sie dieser tatsächlich auch einen fiktiven Namen und ein Bild welches Ihnen das Erscheinungsbild deutlicher macht.

Erstellen Sie diese Buyer Persona bestenfalls im Team. Sie sind vielleicht einer ganz anderen Ansicht, als Ihre Mitarbeiter welche täglich mit den Kunden zu tun haben oder selbst welche sind? In der gemeinsamen Erarbeitung kann sich auch bereits herauskristallisieren, ob Ihre Mitarbeiter Ihre Vision und ihre Wunschrichtung verstanden haben oder ob Korrekturen in der Definition notwendig sind.

Ein kleiner Tip. Wenn Sie bereits über Daten von bestehende Kunden verfügen, z.B. über ein CRM Programm oder Analyse Tool auf Ihrer Homepage, sollten Sie diese dringend nutzen. Wie im Kapitel „Entwicklung der Markenkommunikation“ beschrieben, werden die Kundendaten eine wichtige Rolle im Rennen um Aufmerksamkeit in einer digitalisierten Welt spielen. Beachten Sie dabei auch die bereits genutzten Social Media Kanäle. Wer sind Ihre Follower. Welche Interessen verfolgen diese sonst noch im Web? Betreiben Sie hier ruhig etwas Profilstalking.

Sollten Sie zudem schon ein laufendes Geschäft haben und Sie möchten diesem einfach den nötigen Push, geben lege ich Ihnen auch ans Herz Ihre Kunden zu befragen. Es stimmt zwar, dass die meisten Befragten gerne auf Missstände hinweisen, aber stellen Sie darum Ihre Fragen explizit auch danach was den Menschen besonders an Ihrem Unternehmen gefällt und wie ihr Unternehmen wahrgenommen wird. Über Social Media geht dies heutzutage leicht und kostengünstig.

In der später folgenden Strategiefindung ist es effizienter sich auf die positiven Aspekte Ihrer Arbeit zu konzentrieren. Wie die SWOT Matrix schon zeigt, sollen Ihre Stärken dabei helfen, Marktchancen zu nutzen und Ihre Schwächen abzumildern sowie Risikofaktoren auszuklammern.

 

 

Das Buch Alle ist keine Zielgruppe: Markenbildung für Gastronomie, Hotellerie und Hospitality Branche. Die Anleitung wie Sie Ihr Unternehmen zu einer sichtbaren und wertebasierten Marke machen hat 134 Seiten, Selbstverlag, und kostet 13,80 Euro.

Die von Ines Emmert und Nadine Emmert-Braun geleitete Consultingagentur Emmert Braun bietet maßgeschneiderte Qualitätsmanagement- und Positionierungsberatung an. Den Gründerinnen ist das wichtigste Anliegen, kein Copy-Paste an Konzepten zu betreiben, sondern „jeden unserer Kunden zu analysieren und passende und machbare Lösungen für die Menschen hinter der Identität des Unternehmens zu gestalten. Bestmöglicher Stakeholder Ansatz für den Kunden, aber auch für uns“.

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