3 moderne Fischrestaurant-Konzepte: Underdocks, Funky Fisch und Sardinenbar

von Jan-Peter Wulf

Wie lässt sich das Thema Fisch & Seafood gastronomisch modern inszenieren? Und so umsetzen, dass es Gast und Gastgeber gleichermaßen Freude bereitet? Wir haben uns drei Konzepte in Berlin und Hamburg angeschaut.

Fangen wir in Hamburg an: Das Underdocks im Karoviertel ist sozusagen fangfrisch. Und mit reichlich Vorschusslorbeeren bedacht: Für ihr Konzept einer „Fischbude 2.0“ gewannen Burhan Schawich und Samet Kaplan den „Deutschen Gastro-Gründerpreis 2018“ und erhielten bereits 2017 den von der Bundesregierung ausgelobten Preis für Selbständige „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“.

So viel zur Theorie, doch wie schaut es in praxi aus? „Unglaublich beflügelnd, dass wir jetzt endlich da sind, und gleichzeitig ist die Arbeit richtig hart, nochmal härter als im Pop-up“, berichtet Burhan Schawich.

Denn bevor sich die Türen des stationären Konzepts mit seinen 100 Quadratmetern und 55 Innenplätzen plus 50 im Außenbereich öffneten, testeten die Gründer und Neugastronomen ihre Idee in vivo im „Cookup“ (siehe Video), einem mit dem Kölner „Laden Ein“ vergleichbaren Konzept. „Da kamen wir durch Zufall über eine Empfehlung dran, ich wusste gar nicht, was ein Pop-up ist“, erzählt Schawich lachend. Nach anderthalb Jahren Tüfteln sei es eine gute Möglichkeit gewesen, um zu prüfen: Schmeckt’s dem Gast?

Underdocks: Fischbude 2.0

Denn das, was „Underdocks“ macht, geht vom klassischen Fisch-Tellergericht genauso weg wie von der klassisch-schmierigen Fischbude. Vielmehr reiht es sich in die zahlreichen Streetfood-Restaurantkonzepte ein, die sich in den letzten Jahren in den deutschen Metropolen aufgetan haben: Im „Underdocks“ gibt es „Gourmet Fast Food“, das sich großenteils in die Hand nehmen lässt, zum Beispiel die „Cray Fish Roll“, die „Black Tiger Roll“ oder die Sardinen-Tacos.

Am Backfisch, den man auf ein neues Qualitätsniveau heben wollte, sei man fast verzweifelt, erinnert sich Schawich. Im praktisch letzten Anlauf habe man es geschafft, ihn so zu panieren und zu frittieren, dass er crunchy und nicht pappig (wie meist auf dem Fischmarkt, Meinung der Redaktion) daher kommt.

underdocks - konzepte, gastronomie, food-nomyblog 3 moderne Fischrestaurant-Konzepte: Underdocks, Funky Fisch und Sardinenbar

underdocks food - konzepte, gastronomie, food-nomyblog 3 moderne Fischrestaurant-Konzepte: Underdocks, Funky Fisch und Sardinenbar

Überhaupt: Fisch anders darzustellen, weg vom Stück plus Beilage, hin zum verbastelten, trendigen Streetfood-Snack zu gehen, sei ein großer Schritt gewesen. In dessen Zuge man sich auch von einem beratenden Koch trennen musste: Geht nicht, war dessen Meinung.

Gourmet Fast (Fish) Food

Geht doch, findet Schawich: „Jedenfalls dann, wenn man Kreativität zulässt und sich vom klassischen Gedankengut löst. Dann kannst du auch Garnelen und Jalapeños auf die Pommes geben.“ Eine Herausforderung, die dieser innovative Ansatz mit sich bringt ist, dem Gast die Preise plausibel zu machen: Nur, weil es sich um Fisch im Brot handelt, ist es noch kein Fischbrötchen, sondern etwas ganz eigenes – „Gourmet Fast Food“, wie schon gesagt.

Welches seinen Preis hat und diesen auch wert ist. „Viele sehen das Brot im Vordergrund“, so der Gründer. Und manche seien dann irritiert, dass 21 Euro für eine Lobster Roll aufgerufen werde. „Hummerkenner hingegen sagen uns: So gut und günstig kriegt man den sonst in Hamburg nirgends.“ Der Verkauf von Getränken ist im Restaurant ja immer wichtig, hier aber besonders, um den hohen Wareneinsatz für die Qualitätsprodukte (Lieferant: Deutsche See) wirtschaftlich gut abzufedern.

Man tut es nicht nur in Kombination mit dem Food, sondern in Kürze sogar als Standalone: Die imposante Bar des Restaurants will man zum eigenen Profit Center hochschrauben und nach Schließung der Küche am späten Abend diverse Drinks anbieten, an der Karte wird in Zusammenarbeit mit Bartendern bereits gefeilt.

Und überhaupt: Was spricht gegen einen Gin and Tonic zu Sardellen und Chips? Nichts.

Bewusst komplex: Funky Fisch

Reichlich Getränke zu verkaufen, damit die Kalkulation stimmt, das ist auch die Maxime von The Duc Ngo aus Berlin, der 2017 das Funky Fisch eröffnet hat. Dabei setzt man vor allem – klassisch – auf Wein mit Schwerpunkt Deutschland. Sonst ist hier aber wenig klassisch – weder das lichtdurchflutete Interieur mit Sichtbeton und bunten Neonröhren, noch das Angebot: „Sharing is caring“ lautet die Devise.

Idealerweise bestellen sich die Gäste eine Auswahl aus den leckeren Vorspeisen wie Thunfisch-Tartar, Backfisch-Buns, Bacalhau-Kartoffelpüree oder diverse Tempura-Kreationen zum Teilen, dazu Beilagen und Saucen. Fisch und Meeresfrüchte gibt es je nach aktuellem Angebot – Fang des Tages – nach Gewicht (100-Gramm-Einheiten) berechnet.

funky fisch 690x460 - konzepte, gastronomie, food-nomyblog 3 moderne Fischrestaurant-Konzepte: Underdocks, Funky Fisch und Sardinenbar

fisch sharing 690x460 - konzepte, gastronomie, food-nomyblog 3 moderne Fischrestaurant-Konzepte: Underdocks, Funky Fisch und Sardinenbar

„Funky Fisch“: Ein kommunikatives Foodkonzept – und ein preislich im höheren Bereich angesiedeltes. Was in der Natur der Sache liegt, erklärt der Betreiber: „Fisch ist einfach um ein Vielfaches teurer als Fleisch. Das muss ich weiterreichen.“ Um das tun zu können, helfe ein gutes Standing in der Stadt.

Das hat der Multigastronom zweifelsohne, und mit dem „Madame Ngo“, dem „Kuchi“ und dem „Next To Kuchi“, dem „893“ und seinem jüngsten Opening, dem veganen „Toki“ führt er allein am Standort nun gleich ein halbes Dutzend Konzepte. Dadurch liegen Verbundeffekte vor, die sich auch im Wareneinsatz positiv niederschlagen: Abschnitte beispielsweise können weiterverwendet und Fische auf diese Weise komplett verwertet werden – das ist nachhaltig und wirtschaftlich.

Trotzdem: Es ist ein komplexes Unterfangen, ein szeniges Fischrestaurant zu machen. „Wir machen es uns aber auch komplizierter, als wir müssten“, so The Duc Ngo schmunzelnd.

Der Mittelmeerfan will seinen Gästen eine große Auswahl bieten, wie er es aus seinen Urlauben kennt, und das kombiniert mit dem Sharing-Prinzip, wie es in der asiatischen Welt Usus ist. „Es wäre auch nicht so spannend, wenn wir es machen würden wie andere – Süppchen vorweg, Salat dazu, einer steht den ganzen Abend am Fischgrill.“

Zumal diese Art von Fischkonzept fest in türkischer bzw. deutschtürkischer Hand in Berlin ist: Günstige, gute Fischgrills, die gibt es schon in der Hauptstadt, in punkto Restaurants sieht es indes anders aus.

Als Zusatzgeschäft will das „Funky Fisch“ einen Außer-Haus-Verkauf von frischem Fisch, inklusive Beilagen und Rezeptanleitungen, auf den Weg bringen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.

Funky Dosenfisch: Sardinen.Bar

Ein paar Kilometer vom „Funky Fisch“ entfernt hat Ende 2016 ein Restaurant eröffnet, das auch „Funky Dosenfisch“ heißen könnte, es heißt aber charmant Sardinen.Bar und ist eines der ersten Restaurants hierzulande, das Fisch aus der Dose zum Zentrum des Konzepts gemacht hat.

Dieses Produkt genießt in Deutschland bekanntlich ein fast schmuddeliges Image à la „wenn gar nichts anderes mehr im Haus ist, dann eben Fisch in Tomatensauce“.

Doch in Portugal und Frankreich sieht das ganz anders aus – viele Restaurants haben eine Sardinen auf der Karte, und dabei handelt es sich um Edelfischkonserven: Sardinen aus kleinen Betrieben, fangfrisch verarbeitet und nicht schockgefroren, von Hand eingelegt, mit Olivenöl besonders hoher Qualität, Zitrone, Muscadetwein, schwarzer Olivenpaste oder Schinken aus Bayonne verfeinert – 80 unterschiedliche Sardinen (inklusive der besonders dicken, fetten und hochwertigen Jahrgangssardinen) und 40 weitere Deluxe-Dosenfische finden sich auf der Karte.

Sardinenbar Berlin 690x460 - konzepte, gastronomie, food-nomyblog 3 moderne Fischrestaurant-Konzepte: Underdocks, Funky Fisch und Sardinenbar

sardinenbar berlin 690x460 - konzepte, gastronomie, food-nomyblog 3 moderne Fischrestaurant-Konzepte: Underdocks, Funky Fisch und Sardinenbar

Auch Dosenfisch aus der Ostsee ist im Programm: „Hiddenseer Kutterfisch“. Der vor der Küste Rügens bzw. Hiddensees in Stellnetzen gefangene Fisch wird neuerdings auch in der Konserve verkauft. Bückling in gut geht zum Beispiel so: Heringe werden filetiert, in kleinen Mengen wie in alten Zeiten über Buchenspäne geräuchert, dann in Rügener Rapsöl eingelegt und mit Pfeffer verfeinert. Die Dosen von „Hiddenseer Kutterfisch“ leisten auch einen Beitrag dazu, dass dieses bedrohte Berufsbild Fortbestand hat. Und ganz nebenbei schmeckt der Ostsee-Dosenfisch absolut klasse.

Nichtsdestoweniger ist eine offene Fischdose auf einem Holztray nebst Brot, Salat und Wasser für (neue) Gäste, die es nicht aus dem Urlaub kennen, erklärungsbedürftig. „Wir nehmen uns immer die Zeit, den Aufbau unserer Karte zu erklären. Mein Personal ist gut trainiert, wir kosten alles gemeinsam durch, damit alle wissen, worüber sie sprechen“, erklärt Betreiber Thomas Vetter.

Der gelernte Koch kam bei Portugal- und Frankreichreisen auf die Idee mit dem Sardinenrestaurant. Korrespondierende Weine aus den beiden Weinländern lassen die Fische schwimmen, eine kleine Wurst- und Rohmilchkäse-Selektion flankiert die Kernkompetenz. Mittlerweile gibt es auch eine Extrakarte mit Fischpasteten, Mousse und saisonalen Salaten sowie ein Degustationsmenü mit Weinbegleitung.

Edelfischkonserven: Zusatzprodukt für Restaurant und Weinbar?

Dennoch bleibt das Konzept der „Sardinen.Bar“ zweifellos ein spezielles und nischiges: Fisch ist schon ein herausforderndes Verkaufsprodukt, Dosenfisch – so edel er sein mag – erst recht.

Was aber nicht heißt, dass sich daraus nicht etwas für andere Betriebe ableiten ließe. Im Gegenteil: Denn Konserven haben eine sehr lange Haltbarkeit, brauchen wenig Lagerfläche und die Zubereitungszeit ist ebenfalls kurz, Salat und Brot als Beilagen lassen sich gut vorbereiten.

So empfiehlt sich das Ganze ohne großes Risiko als potentielle Position im Restaurant oder der Weinbar, man braucht nicht mal eine richtige Küche. Vetter: „Grundsätzlich sollte man sich überlegen, ob man die Gäste dafür hat und woher die Fischkonserven kommen. Man kann nicht irgendeine Discounterware nehmen, die billig und industriell hergestellt wurde. Der Gast würde den Unterschied sofort erkennen.“ 

Dieser Beitrag erschien zuerst in Fizzz 8/2018.

Auch interessant sind diese beiden Fischrestaurant-Konzepte: 

Seaside – Fish & Seafood, Berlin

Fisherman’s, Bremen

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.