„Delivery-Essen muss speziell für die Lieferung designt sein“ – wie Gastronomen beim Liefertrend mitmischen

von Laura Klingenberg

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Das Leben, vor allem in Großstädten, erscheint jedes Jahr stressiger und unübersichtlicher zu werden. Nach der Devise „höher, schneller, weiter” hetzen alle von Tag zu Tag und sehnen sich nach dem wohlverdienten Wochenende. Kein Wunder, dass sich viele Menschen nach getaner Arbeit nach einem sicheren, ruhigen und harmonischen Rückzugsort sehnen: dem Zuhause. In der Wissenschaft wird dieser Trend als „Cocooning” oder auch „Homing” bezeichnet.

Pech für die Gastronomie? Oder lauert Zusatzgeschäft? Laut dem GDI (Gottlieb Duttweiler Institute) in Zürich sieht die Branche einer Zukunft entgegen, in der Digitalisierung, Delivery-Food-Dienste und High-Tech immer stärker aufeinander treffen werden. Dass dieses nicht nur für den Handel relevant ist, zeigen Beispiele wie die der Unternehmer Benjamin Brudler und Beschir Hussain. Auf Basis gastronomischer Konzepte leiten sie zwei florierende Food-Delivery-Unternehmen in Berlin.

Ben Brudlers Konzept California Soul Kitchen steht für eine qualitativ hochwertige, gesunde, kalifornische Küche. Zusammen mit der erfahrenen Gastronomin Anahita Alizadeh („CouCou“, „Sabzi“) gründete der promovierte Betriebswirtschaftler Anfang 2018 sein Unternehmen „Foodmatics“, die „California Soul Kitchen“ ist das erste Outlet. Ein Restaurant ohne Gastraum, ein „Ghost Restaurant“ – die Speisen werden ausschließlich über gängige Lieferdienste zugestellt. 

Beschir Hussain ist Geschäftsführer von „Vertical Food“, das Marken wie Vadoli und Fresh’s, ebenfalls ein „Ghost Restaurant“, führt. Dank einer speziellen Induktions-Technologie werden die Vadoli-Pizzen frisch aus einem mobilen Ofen in die eigenen vier Wände geliefert.

Laura Klingenberg hat mit den Food-Unternehmern darüber gesprochen, was notwendig ist, um Delivery erfolgreich aufzubauen und zu betreiben. 

Ben, welche Schritte sind für die Gründung eines Liefergeschäfts wichtig?

Ben: Zuerst muss das Konzept stehen. Das heißt, es muss geklärt werden, in welcher Küche was, wo und für wen gekocht wird. Dann spielt der Vertrieb eine wichtige Rolle, also: Über welche Kanäle wird wie verkauft? Nach dem Launch begannen wir sofort mit der kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen und Rezepten.

Könntet ihr nicht einfach das leckere Essen von „CouCou” und „Sabzi” ausliefern lassen?

Ben: Nein. Wir halten das klassische Restaurant und den Lieferdienst streng getrennt. Sonst fehlt bei beidem der Fokus. Was natürlich hilft, ist Anahitas Netzwerk an Lieferanten, Zugang zu gutem Personal und generell die langjährige Gastro-Erfahrung. Was wir immer wieder sehen: 99 Prozent der klassischen Restaurants packen für die Lieferung ihr normales Essen in eine Plastikschale. Das funktioniert einfach nicht! Delivery-Essen muss speziell für die Lieferung designt sein, damit es gut ist.

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Foto: California Soul Kitchen

Beschir, stimmst du Ben zu, dass Restaurants ihr Inhouse- vom Lieferservice-Geschäft trennen sollten? 

Beschir: Ja, ein Food-Unternehmen sollte sich fokussieren und sich für einen Absatzkanal entscheiden. Diese Entscheidung beeinflusst nämlich nicht nur das Design der operativen Prozesse in der Küche, sondern auch die Wahl der Zutaten und Verpackungen. Ich glaube nicht an Modelle, bei denen Restaurants einen Lieferservice zusätzlich zum Dine-In-Geschäft erfolgreich aufbauen und skalieren können.

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Vertical Food hat eine eigene Flotte …

Du hast zusätzlich zu deinem Lieferservice ein „Flagship-Restaurant“. Warum?

Beschir: So können Gäste den Zubereitungsprozess vor Ort miterleben. Diese Erfahrung schafft Vertrauen und eine emotionale Bindung. Dadurch verzeichnen wir deutlich geringere Akquisitionskosten im Marketing.

Ben, welche Vorteile und Nachteile siehst du im Liefergeschäft gegenüber einem Restaurant?

Ben: Zum einen spart man die Miete für Spitzenlagen, hochwertiges Interieur, Geschirr und Service-Personal. Zum anderen ist es viel einfacher, neue Trends zu testen. Aber wir investieren dafür viel in die Rezeptentwicklung, die Präsenz auf den entsprechenden Online-Plattformen und in hochwertige Verpackungen. Weitere Herausforderungen sind das fehlende direkte Kundenfeedback, das ein Gastwirt bekommt – wir haben „nur“ die Lieferungen. Bestellt an einem heißen Sommertag niemand, können wir das nicht durch unser stationäres Geschäft ausgleichen.

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… und das „Flagship-Restaurant“ in der Kantstraße. Fotos: Vertical Food

Beschir, du beschreibst dein Unternehmen als „vertikal integriert”. Was bedeutet das?

Beschir: Es bedeutet, dass wir die einzelnen Schritte des Lieferprozesses selbst verwalten, steuern und kontrollieren. Wir haben unsere eigenen Bestellplattformen, ein eigenes, auf unsere Bedürfnisse programmiertes Kassensystem und eine eigene mobile Applikation für das Tracking von Bestellungen. Wir sind so gesehen ein Software-Unternehmen, ein Food-Unternehmen und ein Logistik-Unternehmen.

Über welche Kanäle vertreibst du die Produkte?

Wir genieren 75 Prozent des Umsatzes über Online-Plattformen, 20 Prozent sind Abholungen und 5 Prozent Partnerschaften, wie zum Beispiel mit Hotels. Außerdem beliefern wir Großkunden und verkaufen unsere Gerichte auch über Lunch- und Dinner-Popups in Bürogemeinschaften.

Partnerschaften mit Hotels? Haben die nicht ihren eigenen Room Service?

Viele Hotels haben keinen. Im Rahmen einer solchen Partnerschaft verwalten wir vollständig den Zimmerservice für die Hotels. Der Gast ruft an der Rezeption an und gibt seine Bestellung auf. Die Rezeption hat ein von uns gestelltes Interface, in das die Bestellung eingegeben wird. Sie kommt automatisch bei uns im System an und wir liefern die Gerichte aus. Wir arbeiten vor allem mit der Intercontinental Hotels Group stark zusammen. 

Vielen Dank für eure Antworten! 

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1 Kommentar

Hans Grubmüller 28. April 2020 - 21:15

Ich stimme zu, dass Restaurants auch liefern sollen können, solange das möglich ist. Das hilft kleineren Restaurants, noch mehr erfolgreich zu sein. Als Kunden wollen wir auch Restaurants, die einen Lieferservice haben.

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