Digitalisierung in der Gastronomie, Teil 2/5: Mit digitalen Tools Personal für den Restart finden

von Jochen Stähler

In seiner fünfteiligen Serie zeigt Jochen Stähler, Ex-Gastronom und Autor von Gastro.Digital, wie Betriebe ihr eigenes Digitalkonzept erfolgreich auf- und ausbauen. Im zweiten Teil geht es – aus aktuellem Anlass – um das Thema Restart und wie Betriebe mittels digitaler Tools Mitarbeitende finden. 

Vom Fachkräftemangel kann so manches Unternehmen im deutschsprachigen Raum ein Liedchen singen. Die Gastronomie ist von dieser Herausforderung besonders stark betroffen – und nach der Pandemie noch viel mehr. Unsere Branche geht davon aus, dass mindestens 10 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgewandert sind und entsprechend viele Kräfte neu rekrutiert werden müssen.

Umso wichtiger ist es, jetzt die Mitarbeitersuche als ein „Omni-Channel-Business“ zu begreifen und auf allen Kanälen vom Aushang im Laden bis zum Posting auf Karriere-Netzwerken zu bespielen sowie neu hinzukommende Kanäle zu erkennen und zu nutzen.

Außerdem wichtig ist die Erkenntnis, dass sich die Anforderungen der Arbeitnehmer stark auf „hard facts“ fokussieren –  Gehalt, Arbeitszeiten, Arbeitsumfeld oder die Dauer für den Weg zur Arbeit. Die langfristigen Ziele der Arbeitgeber hingegen verlieren für sie deutlich an Bedeutung.

Frische Talente finden

Auf der Suche nach frischen Talenten helfen dir einige digitale Plattformen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammenbringen. Einige Beispiele habe ich dir in diesem Artikel zusammengestellt.

Eins davon ist Gronda aus Österreich (bzw. Gronda App im Google Play Store bzw. im Apple App Store), das sich als „Netzwerk für Inspiration“ versteht, auf dem sich Köche, Pâtissiers, Barkeeper, Baristas und Servicekräfte kreativ austoben: Sie posten Fotos und Videos ihres Schaffens in herausragender Qualität, um ihr Können zu präsentieren, ihrer Leidenschaft Ausdruck zu verleihen und um sich innerhalb der Community auszutauschen. Nachdem Gronda sich als Blog etabliert hatte, gingen Gründer Valentin Schütz und sein Team daran, eine Recruiting Plattform obenauf zu setzen. Schließlich waren authentische Arbeitsproben bereits vorhanden in Form von Posts, auf denen sich User*innen in ihrem Arbeitsumfeld beim Zubereiten und Anrichten ihrer Kreationen fotografieren und filmen lassen.

Das Hamburger Unternehmen shjft (früher: STAFFBOOK) verfolgt zwei Stoßrichtungen. Zum einen wurde ein Netzwerk aufgebaut, auf dem Arbeitnehmende und Arbeitgeber*innen sich umfassend präsentieren und miteinander in direkten Kontakt treten können. Wechselwillige Arbeitnehmer*innen finden in der Kategorie „Jobs“ Stellenangebote, während Arbeitgeber die „Community“ nach frischen Talenten durchstöbern können. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, ein Basispaket zu buchen und ihr Unternehmensprofil selbst pflegen oder alternativ mit dem „Servicepaket“ diese Arbeit an das Team von shjift zu delegieren. Im Servicepaket enthalten ist auch das „Active Sourcing“. Die Idee dahinter ist, dass viele Gastronomen nicht die Zeit haben, Kandidaten zu suchen und anzusprechen. Deswegen platziert shjif Stellenangebote auf einer Vielzahl von Touchpoints außerhalb der eigenen Plattform, um die Reichweite zu steigern und möglichst viele Jobsuchende zu erreichen. Außerdem hilft ein Algorithmus dabei, Jobangebote und Jobsuchende miteinander zu matchen.

Ein weiterer Anbieter ist das Netzwerk Joboo! (früher: Go-Gastro!). Sowohl Arbeitgeber *innen als auch Jobsuchende geben hier jeweils die Suchparameter Tätigkeitsfeld, Arbeitsort, berufliche Erfahrung und zeitlicher Verfügbarkeit ein und erhalten eine Liste mit matchenden Kandidat*innen bzw. Stellenangeboten. Das Ganze funktioniert sehr einfach und die Ergebnisse sind sehr übersichtlich gegliedert. Im Kandidat*innenprofil sehen Arbeitgebende die Tätigkeitsbereiche, Fähigkeiten und Kompetenzen sowie die gewünschten Arbeitszeiten und eine kurze Selbstdarstellung der Jobsuchenden. Die Steckbriefe der Stellenangebote sind ähnlich aufgebaut.

Außerdem beachtenswert ist Xing (bzw. Xing App im Google Play Store bzw. im Apple App Store). Das Netzwerk gehört zu den Generalisten, die grundsätzlich alle Berufsgruppen und Branchen ansprechen, hat aber auch eine Gastro-Community, die sich dort intensiv austauscht. Die Gastro-Foren und -Gruppen auf Xing befassen sich sehr stark mit gesamtunternehmerischen und strategischen Themen sowie mit Entwicklungen aus dem Branchenumfeld. Wenn du Menschen mit internationalem Hintergrund ansprechen möchtest, könnte auch LinkedIn eine interessante Plattform sein. Das Netzwerk funktioniert ganz ähnlich wie Xing, ist aber deutlich internationaler ausgerichtet und deswegen bei Personen, die erst seit kurzem im deutschsprachigen Raum leben, möglicherweise bekannter als die hiesigen Plattformen.

Weniger hip und cool kommt die JOBBÖRSE der Bundesagentur für Arbeit daher. Das Stellenportal von Vater Staat ist sehr nüchtern aufgebaut, andererseits für Arbeitgeber kostenlos. Nachdem während der Pandemie Paketdienstleister, Versicherungen und der Lebensmittelhandel viele wertvolle Arbeitskräfte aus der Gastronomie abgeworben haben, bietet die JOBBÖRSE ein Umfeld für die Gastronomie, nun umgekehrt Kräfte aus anderen Bereichen für sich zu gewinnen. Wenn sich der Staub rund um Kurzarbeit, Aussetzen der Insolvenzanmeldungen und pandemiebezogene Kurzzeit-Jobs gelegt hat, ist mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu rechnen. Hier liegt eine echte Chance für die Gastronomie, denn die Agentur für Arbeit betreibt ebenfalls „Matching“ und schlägt Arbeitssuchenden aktiv offene Stellen vor. Das Potenzial, tüchtige Menschen zu finden, die sich in Service, Küche oder in der Verwaltung von Gastronomiebetrieben einarbeiten und einbringen wollen, sollte definitiv nicht links liegen gelassen werden.

Sehr häufig sieht man auch Stellenanzeigen auf Facebook– und Instagram-Profilen von Restaurants, Bars und Cafés. Zusätzlich bietet dir die Mitgliedschaft in einer der vielen Gastro-Gruppen auf Facebook die Möglichkeit, deine offenen Stellen in einem breiteren Umfeld zu annoncieren. Die Idee ist dieselbe wie beim Aushang im Lokal: Diejenigen Menschen anzusprechen, die Fans deines Betriebes sind und sich nicht nur gerne als Gast bei dir aufhalten, sondern auch mitarbeiten möchten.

Vorteile der digitalen Mitarbeitersuche

Das digitale Recruiting eröffnet dir, analog zu deinen Online Marketing Aktivitäten, zusätzliche Touchpoints, um deine Reichweite zu erhöhen und neue Zielgruppen zu erschließen. Durch geschickte Bearbeitung dieser Touchpoints steigerst du deine Chancen, frische Talente für dein Unternehmen zu gewinnen. Im Vergleich zu herkömmlichen Anzeigen oder Aushängen funktioniert der Austausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schneller, umfassender, direkter, und einfacher:

  • Sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer können ihre Profile selbst erstellen und anschließend sofort mit der Suche online beginnen.
  • Bilder und Videos bieten das perfekte Medium für die Präsentation der eigenen Kompetenzen und Arbeitsweisen und erlauben eine Selbstpräsentation, die mit schriftlichen Stellenanzeigen oder Aushängen nicht möglich sind. Zusätzlich helfen Algorithmen bei der Suche, indem sie beiden Seiten „Matches“ vorschlagen.
  • Die Kontaktaufnahme gelingt ganz leicht per Swipe, Touch oder kurzer Nachricht. Das macht es für beide Seiten leicht, den Erstkontakt herzustellen.
  • Gerade Unternehmen profitieren vom digitalen Recruiting, weil sie sich in den Communities der Karriere-Netzwerke aktiv nach Talenten umschauen können. Sie sind nun nicht mehr dazu verbannt, nach dem Schalten einer Stellenanzeige passiv darauf warten zu müssen, bis sich Kandidaten bewerben.

 

4 Kernelemente der zeitgemäßen Mitarbeitersuche

  1. Überlege dir, wo du neue Talente abholen kannst

Hier sind wir wieder beim Touchpoint-Management, das wir schon vom Marketing her kennen: Die beste Nachricht nützt nichts, wenn sie auf Kanälen gesendet wird, auf denen deine Zielgruppe nicht unterwegs ist. Lege ein kleines Profil an, in dem du Fähigkeiten und Charaktereigenschaften zusammenträgst, die dein/e Wunschkandidat*in erfüllen sollte und schau dann auf verschiedenen Plattformen nach (das können Online-Netzwerke genauso sein wie Orte im realen Leben), ob diese Personengruppe dort unterwegs ist. Wenn du mit den digitalen Netzwerken noch nicht so vertraut bist, dann nimm dir die Zeit, diese kennenzulernen – oder beauftrage eine Person aus deinem Team mit dieser Aufgabe, die dich beim Recruiting unterstützen kann und die eine Affinität zu digitalen Medien hat.

  1. Online-Recruiting ist eine Zweibahn-Straße

Auf Karriere-Netzwerken bist du nicht mehr dazu verdammt, eine Stellenanzeige zu platzieren und zu warten, bis sich jemand bewirbt, sondern kannst auch selbst auf die Mitglieder der Communitys zugehen. Nutze diese Chance!

Nach Analysen von Gronda schauen sich 80 Prozent der Mitglieder in den Communitys nicht aktiv nach einem neuen Arbeitsplatz um, 60 Prozent sind jedoch aktivierbar, also offen für interessante Offerten. Es zahlt sich also aus, wenn du den ersten Schritt machst und Personen mit spannendem Lebenslauf kontaktierst. Und zwar nicht nur, weil du dir – Fachkräftemangel hin oder her – aussuchen kannst, mit wem du arbeitest, sondern auch, weil du einen Schritt gemacht hast, den andere Betriebe aus Unkenntnis oder Bequemlichkeit nicht gemacht haben.

  1. Die wirklich wichtigen Inhalte der Stellenbeschreibung

Auch wenn es hart klingt: Wie lange die Tradition eines Unternehmens zurückreicht, dass eine stolze Familie hinter dem Betrieb steht, dass es flache Hierarchien gibt oder ob Aufstiegschancen gewährt werden –all diese „soft facts“ und indirekten Benefits stehen für Bewerber*innen nicht im Vordergrund.

Was bei den Fachkräften in der Gastronomie vor allem zählt, ist die Frage: „Was kriege ich morgen, wenn ich heute bei dir unterschreibe?“ Das heißt, Interessenten wollen harte Fakten wissen:

  • Welches Gehalt wird gezahlt?
  • Welche Boni und Nebenleistungen gibt es, wie werden Trinkgelder verteilt?
  • Was sind meine Aufgaben?
  • Wie sind die Arbeitszeiten?
  • Mit wem arbeite ich zusammen und wie ist der Team Spirit?
  • Wie sieht das Arbeitsumfeld aus?

Diese Punkte sollten in der Stellenbeschreibung im Vordergrund stehen, damit sie überhaupt gelesen wird. Neben der schriftlichen Unternehmenspräsentation solltest du auf jeden Fall auch gute Fotos und, falls vorhanden, Videos in die Stellenbeschreibung aufnehmen.

Wie der Begriff Personalmarketing darlegt, geht es jedoch auch beim Werben um neue Mitarbeiter*innen darum, dass Unternehmen sich von ihrer besten Seite zeigen und die Interessen der Arbeitnehmer*innen adressieren:

  • Firmenprofile müssen vollständig ausgefüllt sein, Rechtschreib- und Grammatikfehler sind tabu.
  • Grafische Elemente müssen in ausreichender Auflösung verwendet werden.
  • Wo möglich, integriere gut gemachte Bilder und zwar aus allen Bereichen deines Betriebes. Für Talente ist der Blick hinter die Kulissen mindestens ebenso spannend wie die Eindrücke vom Front of the House.
  • Stelle die Benefits in den Vordergrund, die für Mitarbeiter besonders wichtig sind. Hier ein paar Beispiele:
    • Als Kantinenbetreiber*in kannst du mit geregelten Arbeitszeiten und freien Wochenenden glänzen.
    • Liegt deine Bezahlung über Tarif, hast du bei einem der wichtigsten Argumente für die Betriebswahl viel zu bieten.
    • Wird bei dir auf hohem Niveau gekocht und dein Team nimmt an internationalen Wettbewerben teil, lockst du mit einem wirklich spannenden Arbeitsumfeld.
    • Wenn dein Team seine Schichten selbst organisiert, bist du als flexibler Arbeitgeber attraktiv, der seinen Mitarbeitern selbständiges Arbeiten erlaubt.
  • Schreibe nur, was in deinem Betrieb auch wirklich gelebt wird. Werden falsche Erwartungen geweckt, war die ganze Mühe umsonst und der oder die neue Mitarbeiter*in ist schnell wieder weg.
  1. Denke langfristig

Gute Mitarbeiter*innen sind oftmals genau in dem Moment rar, in dem sie gebraucht werden. Wenn du gut vernetzt bist, steigerst du deine Chancen, aus diesem Netzwerk im Bedarfsfall tüchtige Kräfte für dich zu gewinnen. Networking und Kontaktaufbau kannst du auf Karriere-Plattformen ganz einfach vom Smartphone aus betreiben. Es reicht schon, wenn du regelmäßig reinschaust, mit der Community in Interaktion trittst und Neuigkeiten austauschst.

Auch dein Firmenprofil „reift“ mit der Zeit – es bleibt dankt regelmäßiger Pflege und Updates aktuell, es erhält User-Bewertungen, die Interessent*innen als Orientierung dienen, und last but not least lernt der Algorithmus dein Unternehmen besser kennen und wird im „Matching“ mit potenziellen Mitarbeiter*innen treffsicherer.

Nicht vergessen: Die Digitalisierung kann dich auch dabei unterstützen, deine Mitarbeiter*innen zu halten

Die Abwanderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stoppen, ist jetzt, wo es wieder losgeht, ebenfalls ein ganz wichtiges Ziel. In diesem Zusammenhang gewinnt die Attraktivität der Aufgaben und Abläufe on the Job an Bedeutung. Die Digitalisierung liefert an dieser Stelle wertvolle Beiträge, um durch Automatisierung Lücken in der Personaldecke langfristig abzufedern und den Mitarbeitenden langweilige Handgriffe abzunehmen. Zusätzlich hilft sie Unternehmen dabei, die Schichtplanung flexibler an die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innn anzupassen und die Selbstbestimmung der Teams zu fördern.

Daten schließlich sorgen für Transparenz und verbessern die Objektivität in der Bewertung der Mitarbeiter*innenperformance, damit jede*r Einzelne und das Team als Ganzes ein konstruktives und positives Feedback erhält und sich gemeinsam weiterentwickelt.

Selbstverständlich geht der Chef/die Chefin bei der Initiierung der Digitalisierungsstrategie voran, aber er/sie braucht auch kluge Köpfe im Team, die mit ihm gemeinsam die Inhalte erarbeiten und die Umsetzung qualifiziert vorantreiben. Bei der Implementierung der strategischen Maßnahmen und der Installation der entsprechenden Tools sollten alle Mitarbeitenden einbezogen werden, damit sich alle im Team mit den Innovationen im Betrieb auseinandersetzen können. Das steigert die Akzeptanz, ermöglicht eine steile Lernkurve und sorgt last but not least auch für mehr Abwechslung und Freude am Arbeitsplatz.

Wie du auch in den anderen Bereichen deines Betriebs die Chancen der Digitalisierung nutzen kannst, welche Tools und Anbieter dich unterstützen und wie du dich vor Fehlinvestitionen und Gefahren wirksam schützt, erläutere ich dir in meinem Buch GASTRO.DIGITAL. Der systematisch aufgebauten Ratgeber mit vielen Praxisbeispielen ist in der dfv Mediengruppe Fachbuch erschienen. Du bekommst ihn im Buchhandel, bei Amazon oder im dfv Shop (Link: https://www.dfv-fachbuch.de/e-commerce/4976-gastrodigital.html) für € 29,90.

Wie sieht es bei dir aus – suchst du gerade aktiv Mitarbeiter*innen? Oder bist du vom „brain drain“ in der Gastro bisher weitgehend verschont geblieben? Wo seht ihr die größten Herausforderungen der kommenden Monate? Mach mit bei unserer Umfrage – sie dauert nur 2 Minuten. Einfach hier klicken.

Was hast du davon? Nachdem du deine Antworten gegeben hast, kannst du sofort die Antworten der anderen User sehen. Die komplette Auswertung nach Abschluss der Befragung findest du auf meinem Blog digygastro.de. Du kannst die Ergebnisse perfekt zum Vergleich deiner Situation mit der in anderen Betrieben nutzen. Außerdem hilfst du mit deiner Einschätzung dabei, das Informations- und Beratungsangebot bedarfsgerecht auszubauen. Denn die Infos fließen auch in die Themenauswahl auf meinem Blog ein.

In den kommenden Wochen wird es weitere Beiträge von mir zum Thema Digitalisierung auf nomyblog.de geben – mit den folgende Themen:

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