Fabio Haebel, Hamburg: „Ich bin einfach gerne Gastronom“

von Redaktion
fabio haebel - interviews-portraits, gastronomie Fabio Haebel, Hamburg: „Ich bin einfach gerne Gastronom“

Koch, Gastronom, Positiv-Denker: Fabio Haebel. Fotos: Wim Jansen

Zwei Restaurants, eine Mini-Weinbar, Catering und jede Menge Pläne: Koch, Gastgeber und Unternehmer Fabio Haebel lässt sich von Corona nicht kleinkriegen. Der Hamburger mit badischen Wurzeln setzt auf Qualität, Nachhaltigkeit und Kreativität – und blickt zuversichtlich in die Zukunft. 

„Ich habe keine Lust auf schlechte Stimmung. Dann verliere ich meine Kreativität“, sagt Fabio Haebel und lächelt. Etwas erschöpft, aber keineswegs gequält. Der Mann strahlt Zuversicht aus. Er hätte allen Grund, weniger gut gelaunt zu sein an diesem nasskalten Nachmittag in Hamburg. Tags zuvor war entschieden worden, dass die Gastronomie in Deutschland pandemiebedingt zum zweiten Mal schließen muss. Also auch seine Betriebe, das 2017 eröffnete Fine-Dining-Restaurant hæbel und die Anfang 2020 gelaunchte XO Seafoodbar.

Direkt vor unserem Treffen (Ende Oktober 2020, Anm. d. Red.) fand ein Team-Meeting statt; alle müssen wieder in Kurzarbeit, wie beim letzten Mal wird Haebel das Gehalt seiner mittlerweile 24 Mitarbeiter*innen auffüllen. Man wird weiterarbeiten: Im ersten Lockdown engagierte die Crew sich zusammen mit anderen Hamburger Gastronom*innen tatkräftig in der Graswurzel-Initiative Kochen für Helden, auch jetzt sind Charity-Kochaktionen geplant. Die ans „hæbel“ angeschlossene Mini-Weinbar La Cave, in der man wegen ihrer geringen Fläche schon seit Monaten keine Gäste mehr platzieren konnte, wird im November-Lockdown zu einem „Tante-Emma-Laden“ gehobener Kategorie: Neben Cocktails in Flaschen und Wein verkauft man auch Trüffel, Grünkohl, Wildgulasch und Wildschweinbratwurst außer Haus.

Vom sonnigen Süden in den kühlen Norden

Wild steht zusammen mit vegetarischen Speisen im Zentrum des überarbeiteten Foodkonzepts des „hæbel“. Zuvor war es ein Mix aus nordischer und französischer Küche gewesen, was viel mit Haebels Biographie zu tun hatte: Aufgewachsen ist er nämlich auf der anderen Seite Deutschlands, am sonnigen Kaiserstuhl. Frankreich ist in Sichtweite, die Esskultur des Nachbarn prägt die Region. Ein Teil von Haebels Familie kommt aus Schweden, dort verbrachte er viele Urlaube – und so entstand die nordisch-französische Achse des „hæbel“, mit der er sich landesweit Aufmerksamkeit erarbeitete.

Mindestens lokal bekannt gewesen war er schon zuvor, mit der 2011 gestarteten „Tarterie St. Pauli“ auf der selben Fläche in der Paul-Roosen-Straße 31 betrieben hatte. „Die könnte ich jederzeit wieder aufmachen, würde sofort wieder funktionieren“, ist er sicher. Strebt er mit dem aktuellen kulinarischen Kurs nicht eher den Sternen entgegen? Haebel: „Ich liebe Fine Dining. Aber ich bin kein klassischer Koch, der schon immer eine bestimmte Richtung hat. Ich liebe auch Tartes, Flammkuchen und bodenständige Fischküche. Ich bin einfach gerne Gastronom!“

Ein Gastronom, der schon in vielen Bereichen der Branche tätig war: Er caterte selbständig und für „Nord Event“, kochte auf Bandtourneen und mixte Drinks in der Kultbar „Luba Luft“. Gelernt hat er den Beruf des Kochs im französischen Restaurant „La Rotonde“ in Freiburg, zudem ist er ausgebildeter Hotelfachmann – er ist also alles andere als ein Quereinsteiger. Doch das Quer- und Neudenken treibt ihn nichtsdestoweniger an.

Die Transformation von der „Tarterie St. Pauli“ zum „hæbel“ etwa kam dadurch, dass Stammgäste zu fragen begannen: Können wir auch Austern bekommen? Einen halben Hummer? Drei Gänge? Vier? Haebel hätte sie, auf sein Konzept pochend, in eins der vielen gehoben-französischen Restaurants an der Elbe schicken können. Statt dessen nahm er den Impuls auf – und aus dem Tarte-Laden wurde ein Fine-Dining-Konzept. „Unsere offene Küche war hierbei ganz wichtig. Wir zeigen, was wir tun“, erklärt er. Transparenz ist ein ebenso bedeutsamer Wert für ihn, wie es Herzlichkeit ist: „Ich bin ein guter Gastgeber, weil ich es so gerne bin. Im Restaurant wie im Privaten. Da kann ich noch so einen Scheißtag gehabt haben: Wenn Gäste da sind, bin ich gut drauf.“

„Essen muss preis-werter werden“

Gut drauf ist Haebel auch in besch…eidenen Zeiten wie diesen. Siebenstellig werde der Umsatzverlust am Ende des Jahres 2020 wohl sein. Reduzierter Restaurantbetrieb, ein implodiertes Catering-Geschäft – früher hatte man in der Regel ein Event pro Woche mit bis zu 150 Personen Das Jahr habe er abgehakt, so Haebel. In Zukunft werde man in der Branche noch genauer kalkulieren müssen, findet der Unternehmer: „Im europäischen Vergleich sind wir immer noch wahnsinnig günstig. Essen muss preis-werter werden“, findet Haebel.

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Fabio Haebel: „Wir verstehen Nachhaltigkeit ökologisch, ökonomisch und sozial“

Was er damit meint, verstehen wir spätestens beim privaten Dinner mit Freunden in der „XO Seafoodbar“ zum Ausklang des Tages. Es ist viel los, viele wollen nochmal genießen, bevor der zweite Lockdown kommt. Die Preise sind hoch, doch jede Position ist absolut ihren Preis wert. Denn jeder Gang ist ein kleiner Knaller, von den wilden Nordsee-Austern aus der niederländischen Provinz Groningen über den Saibling mit Chicorée und Walnuss bis zum sensationellen japanischen Sando-Sandwich mit frittierter Sardine und XO-Mayonnaise. Da lässt so mancher Gast den Durchschnittsbon von zurzeit 67 Euro schnell hinter sich.

„Du kannst in Hamburg viel billiger Fisch essen. Aber wir haben eben herausragende Qualität.“ Lieferant Lars Bäumer von Frisch Gefischt holt seine Ware dreimal die Woche direkt vom Kutter und beliefert ausgewählte Betriebe. „Wir könnten auch den großen Teller mit Garnelen aus Vietnam für zwölf Euro anbieten, Lachsseiten und Thunfischsteak bei XY bestellen und ein paar leckere Saucen dazu, eine Random-Weinkarte. Würde funktionieren. Darauf haben wir aber keinen Bock.“

Statt dessen hat man Bock auf Fisch und Seafood bester Qualität, auf ausgewählte Weine mit Schwerpunkt Naturwein (eine Passion Haebels), auf Sake und auf Cocktails wie den „XO Gimlet“ mit Fabios eigenem Dinkel-Kornbrand. Das alles funktioniert nur mit einem entsprechend qualifizierten und umfangreichen Team. Zu den Mitstreitern Haebels zählen unter anderem der gastronomische Leiter Lutz Lonchant – die beiden arbeiteten schon im Catering zusammen –, die Restaurantleiterinen Jule-Fee Poll („haebel“) und Anna Esser („XO Seafoodbar“), Kevin Bürmann, Küchenchef im „haebel“ sowie Jannik Libuda und Clara Mörchen, die die Küche in der „XO Seafoodbar“ leiten, Barchef Florian Voss, Sommelier Jonas Hauke, Kai Birmanns als „Head of Fermentation“ … und mit Gesche Thörl gibt es sogar eine Verantwortliche für das Nachhaltigkeitsprogramm der Betriebe.

Nachhaltigkeit bedeutet hierbei nicht nur, mit Lebensmitteln verantwortungsvoll umzugehen, sondern auch mit der Ressource Mensch. „Wir leisten uns ein großes Team und eine 40-Stunden-Woche ist für uns selbstverständlich“, erklärt Haebel. Es hebt die Kosten, doch zahle sich unterm Strich aus: „Von unseren Gästen wird es goutiert.“

Im Hamburger Hafen will Haebel 2021 auf schwimmenden Pontons eigene, besondere Gemüsesorten anbauen lassen und sozial benachteiligte Menschen beschäftigen. „Das nächste Jahr wird gastronomisch aufregend. Wir sind gut für die Zukunft aufgestellt und ich bin ein kreativer Mensch. Mir fällt schon was ein!“

Dieser Beitrag erschien zuerst in fizzz 12/2020.

Buchtipp: It’s Market Day – Die Angesagtesten Märkte Europas marktfrisch auf den Teller von Fabio Haebel, der bei Städtereisen immer zuerst den Markt besucht. Reiseberichte und Rezepte, 240 Seiten, erschienen 2017 im Brandstätter Verlag. Buchgespräch hier.

Podcast-Tipp: Verlängertes Wochenende – Fabio Haebel und Matten Toni berichten über die kulinarischen Hotspots Europas, sprechen über Wein, Gastronomie und vieles mehr.

 

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