Liebe auf den zweiten Cut: Fleisch-Workshop von Dirk Ludwig

von Jan-Peter Wulf
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Experte für Second Cuts: Dirk Ludwig. Foto: Der Ludwig

Mittelstück: Der Name deutet unweigerlich darauf hin, dass es davor und dahinter noch etwas anderes geben muss. Während sich die „Prime-Beef“-Gastrokonzepte überall im Lande auf die vermeintlich besten Stücke à la Filet, Entrecôte und Co. fokussieren, gibt es noch viele weitere, aromatische Cuts zu entdecken. Verriet uns Fleischprofi Dirk Ludwig.  

Dirk Ludwig kommt aus Schlüchtern, das liegt zwischen Fulda und Frankfurt. Dort betreibt er als Der Ludwig eine traditionelle Metzgerei mit eigener Schlachtung in vierter Generation (seit 1897). Zugleich ist der Fleischermeister einer der größten handwerklichen Online-Fleischhändler des Landes. Das Fleisch stammt vorwiegend aus deutschen Landen, besonders gerne verarbeitet man  Tiere aus niederbayerischen Bauernbetrieben. Und obendrein ist Ludwig „Fleisch-Sommelier“ und gibt sein Wissen an den – bekanntlich leider viel zu raren – Nachwuchs weiter.

Ludwig hat zu einem Workshop in Berlin geladen. sind „Second Cuts – erstklassige Steaks“ das Thema. Drei hierzulande eher unbekannte oder in Vergessenheit geratene Stücke bzw. Cuts wollen sie uns heute vor. Warum? „Weil es eine große Vielfalt an Cuts gibt. Und jeder hat ein anderes Aroma, eine andere Zartheit“, so Ludwig. Und erinnert an das „Flank Steak“: Auch dieses habe lange ein Mauerblümchen-Dasein geführt und erfreue sich in den letzten Jahren wachsender Bekanntheit. Selbige will er „Second Cuts“ wie dem „Skirt Steak“, dem „Onglet“ und dem „Chuck Flap“ zuteil werden lassen. Unters Messer, bitte!

Cut eins: Skirt Steak

Weil dieses Stück wie ein Rock Brust und Bauch umrandet, nennen es die Amerikaner „Skirt Steak“, dort ist deutlich bekannter als hierzulande, wo es Saumfleisch genannt wird oder auch Zwerchfell. Ein schmales, längliches Stück, das etwas Bearbeitung braucht, denn auf der Ober- und Unterseite hat es je eine dicke Sehnenplatte. Die muss mit händischer Kraft oder mithilfe eines Messers entfernt werden und lässt sich z.B. für Fonds weiterverwenden.

Die üppige Fettschicht darunter sollte man etwas parieren, danach das Stück halbieren. Die dünnen Stücke bei sehr hoher Temperatur ca. zwei Minuten hart und scharf anbraten – auf dem Grill oder im Beefer – und es ist fertig zum individuellen Würzen. Herzhaft, zart, deftig. Rosmarin-Kartoffeln und Grillgemüse dazu, super.

Cut zwei: Onglet

„Onglet“ nennen es die Franzosen elegant, die Amerikaner „Hanging Tender“ wie eine Technik beim Surfen. Und wir? Nierenzapfen! Vielleicht ein Grund für die geringe Bekannt- und Beliebtheit, scherzt der Fleisch-Experte. Die das Stück völlig zu Unrecht habe: „Es hat die Zartheit von einem Filet und das intensive Fleischaroma eines Ribeye. Mein persönlicher Favorit“, so Ludwig.

Auch dieser große Cut, der sonst eher zu Wurst verarbeitet wird, muss aus seinem Sehnenkostüm befreit werden, eine mittige Sehne teilt es in zwei Stücke. An dieser entlang wird das üppige Stück halbiert, dabei werden die Sehnenreste entfernt. Alternativ zum Grillen kann man es sich auch in der Pfanne gut scharf anbraten und im Ofen nachziehen lassen. Übrigens: Es heißt bei uns Nierenzapfen, weil es der am Rückgrat fixierte Muskel ist, an dem die Nieren hängen. Und weil es neben dem Herzen der einzige Muskel im Körper ist, der nur einmal vorkommt, gibt es dieses Stück auch nur einmal pro Tier. Das allein ruft schon nach einer Aufwertung.

Cut drei: Chuck Flap

Wieder so ein hipper Name: „Chuck Flap“ oder auch – klingt das nicht gastronomisch? – „Teppanyaki Cut“. Es ist das Steak des Jahres bei „Der Ludwig“, wo man alljährlich ein unbekanntes Stück ins Rampenlicht setzt, ein stark marmoriertes Nackenstück aus der Hochrippe von australischen Wagyu-Rindern. Das gleiche Stück deutscher Rinder ist oft zu zäh und besser für Schmorgerichte geeignet.

Auch dieses Stück wird zuvor von seinen Sehnen und nach Gusto von oberflächlichem Fett befreit, anschließend wird es der Länge nach durchgeschnitten und diese Stücke werden dann noch mal in zwei Hälften geteilt – das fettige Stück am einen Ende wird entfernt. Eine Alternative zum klassischen Grillen oder Beefen ist das Braten auf einer heißen Stahlplatte, wie man es von japanischen Teppanyaki-Restaurants kennt. Oder vielleicht sogar auf dem Tischgrill der Gäste wie in koreanischen Restaurants? 

Kommen jetzt die Second-Cut-Restaurants?  

Ein schöner, nämlich kommunikativer Nebeneffekt dieser Stücke – besonders „Skirt“ und „Onglet“ sei, so Ludwig, dass sie nicht als dickes Steak auf dem Teller landen, sondern in Tranchen geschnitten und somit in kleinen Stücken gegart werden. Ideal, um sie in die Mitte des Tisches zu platzieren, umringt von Dips, sodass gemeinsam nach Herzenslaune probiert und geteilt werden kann.

Eine Überlegung: Wie wäre es mit einem „Second Cut“-Restaurant, in dem spannend-leckere Stücke wie die vorgestellten und weitere à la „Moscow Cut“, „Las Vegas Cut“, „Terres Major“, „Secreto“ und „Cuscino“ auf die Teller kommen? Von gut geschultem Service den Gästen schmackhaft gemacht? Hinzu kommt: Preislich sind sie auch nicht unattraktiv, weil etwas günstiger zu haben als die „Prime Cuts“. Hier ist glatt ein gastronomisches Alleinstellungsmerkmal drin. Und wie sämtliche der genannten Stücke zubereitet werden, verraten Dirk Ludwig und sein Team in speziellen Kursen. 

Dieser Beitrag erschien zuerst in Gastrotel 6/2019.

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