Döner Deluxe: Wie neue Restaurants den Snack-Klassiker in Szene setzen

von Jan-Peter Wulf
DSC 8019.jpg © Augusta Leigh - streetfood, gastronomie, food-nomyblog Döner Deluxe: Wie neue Restaurants den Snack-Klassiker in Szene setzen

Foto: Augusta Leigh / K.W.A.

Während Klassiker wie der Burger oder die Pizza in den vergangenen Jahren mit vielen innovativen gastronomischen Konzepten kreativ neu interpretiert wurden, dreht sich der Döner Kebap weiterhin meist in schlichten Imbissen am Spieß. Das ändert sich jetzt: Neue Restaurants in Berlin und München setzen ihn in Szene.

Im 2019 eröffneten K.W.A. („Kebap With Attitude“)in Berlin-Mitte erinnert wenig an einen Döner-Imbiss typischer Berliner Bauart, derer es je nach Schätzung zwischen 1.200 und 1.800 geben soll (deutschlandweit sollen es rund 16.000 sein). Was daran liegt, dass es ein richtiges, modernes Restaurant mit rund 60 Sitzplätzen ist: Holzfußboden und stilvolle Ausleuchtung, bunte Lüftungsrohre, an den Wänden Kunst (Standort ist das Galerie-Viertel).

Man könnte hier auch Burger, Poké oder ein anderes Trendfood auf der Karte vermuten. Doch vor den grünlichen Kacheln in der offenen Küche, eine Hommage an die U-Bahn-Station Alexanderplatz, drehen sich die Fleischspieße. „K.W.A“ steht für „Kebap with attitude“, der Name ist abgeleitet von der legendären HipHop-Crew N.W.A um Dr. Dre und Ice Cube. Die Mission der Gründer Deniz Buchholz, Daniel Herbert und Jannis Nowinski: Den Döner in ihrer Stadt Berlin, in der er einst zum Snack-Kult wurde, dorthin zurückbringen, wo er ursprünglich kultiviert wurde – ins Restaurant.

„In der Türkei ist Döner Kebap ein Wochenend- und Familienerlebnis. Man geht gemeinsam ins Restaurant, setzt sich hin und genießt“, erklärt Deniz Buchholz. Und genau das passiert auch im „K.W.A“. Verschiedene Kreationen stehen zur Auswahl: Der „O.G.“ mit Rind, Spitzpaprika, Tomate, Joghurt, Petersilienbutter und saurer Gurke ist eine Interpretation des Klassikers Iskender Kebap. „Tschick“ nennt sich die hauseigene Chicken-Variante. Es gibt aber auch einen „Funky Mango“ mit Mango-Cranberry-Chutney, eine Kreation, die man sich für ein Pop-up vor dem Start des Restaurants ausgedacht hat. Beim „Trüffel Delüks“ kommen grüner Spargel und frisch geriebener Trüffel ins Brot (Pide oder Wrap) bzw. aufs Tray. „Wenn du Spiegelei und Trüffel auf einen Burger legst, hinterfragt das keiner. Diesen Gedanken haben wir weitergespielt: Wir packen Spargel und Trüffel aufs Rindfleisch vom Spieß – es ist am Ende auch ein Döner“, so Buchholz.

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Fotos: KWA

Das Fleisch ist auch keine Standardware wie in vielen Imbissen. Die Spieße produziert ihr Lieferant nach Restaurant-Rezept, ohne Verdickungsmittel, mit Fleisch von Tieren aus Brandenburger Freilandhaltung. Was den Preis auch auf ein anderes Level hebt. Buchholz: „Wir möchten den Leuten bewusst machen: Bei einem Drei-Euro-Döner kann irgendwas nicht korrekt sein. Wir könnten unsere Marge nach oben schießen lassen, indem wir an der Qualitätsschraube drehen. Werden wir aber nicht.“ Zudem ist K.W.A als Bedienkonzept personalintensiv, und die Küche setzt auf Hausgemachtes, was die Prime Cost ebenfalls anders darstellt: Die Saucen werden nicht angeliefert, sondern selbst angerührt, Marke Eigenbau gilt auch für die zahlreichen Vorspeisen („Mezze“) von der Linsensuppe bis zu den „Adana Chicken Balls“, türkischen Mokka, Ayran pur oder als Blaubeer-Vanille-Mix, Berliner Craft-Bier und einige Longdrinks. Fast schon selbstverständlich (sind sie aber nicht) erscheinen da die fleischfreien Döner-Varianten, sie werden mit Falafel und Halloumi zubereitet.

Den Spieß umdrehen

Das bunte Konzept geht bzw. ging, solange man drinnen Gäste empfangen durfte, auf, erklärt Buchholz, der zuvor u.a. bei „Vapiano“ und im „Spreegold“ Gastronomie- und Systemerfahrung gesammelt hat: Rund 85 Prozent Inhouse-Gäste habe man sonst. Zurzeit sind es natürlich zu 100 Prozent Außer-Haus-Kunden – auch Lieferung bietet man an und das recht erfolgreich: „Es war für uns kein Problem, die komplette Karte to go anzubieten, in diesem Bereich sind wir in der Stadt zurzeit führend.“ Langfristig hält das Trio an seinen Plänen fest, den Spieß im wahrsten Sinne des Wortes umzudrehen und Döner Kebap als Restaurant- und sogar als Cateringkonzept zu etablieren. Anfragen, ob man einen Spieß auf einer Hochzeit braten könne, kamen bereits – mit einer eigenen Produktionsküche will man die Marke „K.W.A“ in Form externer Events und vielleicht auch einer weiteren Filiale vorantreiben.

Döner essen mit Club-Charakter

Ihr modernes Döner-Kebap-Konzept ordentlich vorangetrieben haben die Berliner Gastronomen Behnam Mashoufi und Babak Tajbakhsh bereits – und zwar im Iran. Das Duo, das aus der Clubszene kommt („808 Berlin“, Ex-„Tube Station“), hat dort unter dem Namen „Döner Garden“ zusammen mit einem Geschäftspartner acht Filialen mit „Berlin’s street food“, so der Untertitel ihrer Kette, eröffnet. Mit großem Erfolg – die im Iran bislang wenig bekannte türkische Kebap-Version kommt sehr gut an. „Wir wollten aber auch unbedingt einen Laden in unserer Stadt aufmachen“, erklärt Behnam Mashoufi.

Einen Laden, der ähnlich wie das „K.W.A“ zugleich den Döner-Kult Berlins aufgreift und das Produkt raus aus seiner etwas schmuddeligen Ecke holt. Auch sie wählten einen für Döner eher ungewöhnlichen Standort: Die Charlottenburger Kantstraße ist vor allem für ihre asiatischen Restaurants bekannt, seit Juli 2020 gibt es dort mit dem Ø27 ein trendiges Konzept rund um den Fleischspieß. Das minimalistische Interieur des Restaurants mit dem markanten Marmor-Tresen gestaltete die Berliner Architektin Laura Rave, die auch das „Crackers“ und die „Data Kitchen“ sowie den Club von Mashoufi und Tajbakhsh, das „808“ im „Bikini Berlin“, designt hat.

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Fotos: Ø27

 

Als Küchenchef verpflichtete man Philipp Kossack, der zuvor die kulinarische Leitung in der „Torbar“ sowie der „Kantine Kohlmann“ innehatte. Das Schichtfleisch wird beim Lieferanten mit eigener Gewürzkreation verfeinert, die Beilagen und Zutaten sind hausgemacht. Mit Kreationen wie frittiertem Grünkohl oder Serviettenknödeln aus Fladenbrotteig lässt man sich für die Gäste immer wieder etwas Neues einfallen, neben Kalb und Hähnchen gibt es auch hier vegetarische/vegane Alternativen. An der kleinen Bar werden (wenn nicht gerade Lockdown ist) Drinks gemixt wie sonst im Club; HipHop und elektronische Musik werden am Abend und am Wochenende etwas lauter aufgedreht.

Topseller Döner-Bowls

„Not your ordinary kebap“ lautet demzufolge der Untertitel des Konzepts, das man wie die iranische Marke ebenfalls in die Multiplikation bringen will. Die Nonkormität vergegenständlichen insbesondere die Bowls,  diese Döner-Darreichungsform bietet man neben Pide und Dürüm an – mit Erfolg: Die Schalenvarianten (z.B. die koreanische „Döbimbap“-Variante mit Spiegelei, Reis und scharfer Sauce) sind gar die Topseller.

Und helfen dem „Ø27“ zurzeit wegen ihrer guten Lieferfähigkeit in der Schale ganz besonders, Umsätze zu machen: Mit eigenem, achtköpfigen Fahrerteam liefert man die hippen, besonders Instagram-tauglichen Döner-Bowls in einem Sechs-Kilometer-Radius aus. Für den klassischen Döner Kebap im Brot, den man außer Haus ja nicht auf einem hübschen Tray servieren kann, feilt man derzeit noch an einer eigenen To-go-Verpackungslösung jenseits der Alufolie.

Vom Kochbuch zum Restaurant

An solch einer Packaging-Lösung für den Döner Kebap feilt zurzeit auch die Münchener Bar-Ikone Cihan Anadologlu. Ende 2019 verkaufte er seine Bar „Circle by Cihan Anadologlu“ und widmete sich verstärkt seiner zweiten großen Leidenschaft, der türkischen Küche. Und stellte fest: Es gibt kein einziges deutschsprachiges Kochbuch, das sich dem Thema Döner Kebap, seiner Kultur und seiner Vielfältigkeit, widmet. Also schrieb er, bereits erfahrener Cocktailbuch-Autor, eben selbst eines, reiste dafür mehrfach in die Türkei, aß und recherchierte und brachte 2020 Einmal mit Alles heraus, ein Buch mit 50 Rezepten, einer Einführung in die Geschichte der Speise sowie Tipps für die Zubereitung zu Hause (es gibt kleine „Heim-Spieße“ zu kaufen). Dafür erhielt er die Goldmedaille beim Deutschen Kochbuchpreis in der Kategorie Fleisch.

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Fotos: Hans Kebap / David + Martin

Jetzt wurde das Buch zum Restaurant: Im Frühjahr eröffnete Anadologlu sein Restaurant Hans Kebap (abgeleitet von „Cihan’s Kebap“) in der Leopoldstraße am Schwabinger Tor. Sous-vide-Knoblauchsauce, ausgewählte Fleischstücke wie Filet und Roastbeef vom Metzger für den Spieß, handwerklich gebackenes Brot, Gemüse in bester Qualität – alles, was einen Döner Kebap ausmacht, bricht er auf seine Einzelteile herunter und errichtet es mit hochwertigen Bausteinen wieder neu. Auf seiner Karte wird neben einem klassischen Döner auch eine „Original“-Variante stehen, die dem vermutlich ersten Döner Kebap Deutschlands gewidmet ist, den Kadir Nurman 1972 in seinem Imbiss am Bahnhof Zoo in Berlin ins Brot steckte.

Luxusversion für 35 Euro

Nichtsdestoweniger will Anadologlu „weg vom Bahnhof“, wie er sagt – der schnelle Snack unterwegs, Kleckern auf die Jacke inklusive, schwebt ihm ebenso wenig vor wie den Kollegen im „K.W.A“ und im „Ø27“. So gibt es im monatlichen Wechsel einen Döner Kebap nach Rezept aus dem eigenen Buch, und weil er keinen Holzkohlengrill betreiben darf, bestreicht der Mixologe das Fleisch mit Butte, die er mit der edlen japanischen Bintochan-Kohle geräuchert hat.

Zudem hat er einen „Tribute-Döner“ mit besonders ausgefallenen Zutaten wie in der Sternegastronomie, in der Luxus-Döner-Varianten als Augenzwinker-Produkte immer mal wieder auf die Karte kommen, im Programm. Wird der Klassiker bei „Hans Kebap“ um sieben Euro liegen, kostet diese Super-Premium-Variante mal eben das Fünffache. Allerspätestens dann, wenn sich ein Profifußballer einen solchen 35-Euro-Edeldöner genehmigt, dürfte die lokale Boulevardpresse darüber mit großen Bildern berichten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in fizzz 2/3/2021 und wurde leicht aktualisiert. Weil Hans Kebap zwischenzeitlich eröffnet hat.

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