Tristan Brandt, 959 Heidelberg: „Das Gulasch muss genauso perfekt sein wie der Kaisergranat“

von Laura Klingenberg
 
959 Heidelberg Team Witt Fotografie - interviews-portraits, management, gastronomie Tristan Brandt, 959 Heidelberg: „Das Gulasch muss genauso perfekt sein wie der Kaisergranat“

Von links nach rechts: Geschäftsführer Tristan Brandt, Küchenchef Dustin Dankelmann, Barchef Frank Sobania und Sommelière Sabine Schlecht. Fotos: Unikat / Elmar Witt

 
#restartgastro mit neuem Team: Das Restaurant „959 Heidelberg“ nahm Anfang Juli nach Corona-Lockdown und kreativer Schaffenspause den Betrieb unter der Geschäftsführung von Tristan Brandt wieder auf, der zuvor im Zwei-Sterne-Restaurant „Opus V“ in Mannheim kochte und als ehemaliger Geschäftsführer der „engelhorn Gastro GmbH“ mit neun Gastronomien und über 130 Mitarbeiter*innen jede Menge Teamleitungs-Erfahrung einbringt.
 
Ihm zur Seite stehen u.a. der neue Küchenchef Dustin Dankelmann, Sabine Schlecht als neue Sommelière und der neue Barchef Frank Sobania, den Brandt aus Mannheim mitbrachte – Sobania war zuvor im „engelhorn Dachgarten“ und für die Events im „OPUS V“ für die flüssige Kompetenz zuständig. Wie geht es nun weiter in Heidelberg unter den Vorzeichen der „neuen Realität“? Laura Klingenberg war vor Ort zu Gast und hat sich mit Tristan Brandt unterhalten. 
 
Tristan, erste Frage: Wie geht’s? Und wie ist es dir in den vergangenen Wochen ergangen?
 
Mir geht es persönlich grundsätzlich gut. Ich habe seit rund zwei Monaten eine neue, große und tolle Aufgabe mit der Geschäftsführung des „959“ in Heidelberg. Ich versuche mich aus dem aktiven Geschäft in der Küche eher rauszuhalten und beratend zur Seite zu stehen. Am Anfang hatte das Küchenteam Angst mit einem Zwei-Sternekoch, der allen über die Schultern schaut. Aber mittlerweile wissen alle, dass ich sie nicht ärgern will. Ich will keinem den Job wegnehmen, sondern dass alle Spaß bei der Arbeit haben, motiviert sind und alles strukturierter abläuft.
 
Wie stark musstet ihr das Konzept durch Corona anpassen?
 
Eigentlich haben wir mit 60 Plätzen gerechnet. Diese wurden im Innenbereich durch Corona weniger. Aber unser Außenbereich kann die fehlenden Plätze bei gutem Wetter gut auffangen. Dadurch haben wir wenig Einbußen.
 
Thema Tourismus: Wie reagiert ihr auf die sinkenden Touristenzahlen in Heidelberg? Wie sprecht ihr neue Locals an?
 
Wir konzentrieren uns genauso stark auf die regionalen Gäste wie auf den Tourismus, weil wir natürlich auch Stammkunden binden wollen. Einige Gäste kommen, weil sie meine Qualität kennen und mir vertrauen, dass ich diesen Standard hier beibehalte. Ich freue mich immer sehr, wenn meine ehemaligen Mannheimer Stammgäste uns auch in Heidelberg besuchen.
 
Sowohl du, als auch Dustin haben Erfahrungen in der gehobenen Gastronomie unter Köchen wie Wissler, Schwarz, Wohlfahrt, Klein etc. sammeln dürfen. Ich weiß, dass dort in den Küchen mit strenger Hand regiert wird. Wie denkt ihr über diese Strenge in den Küchen? Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben?
 
In der gehobenen Küche herrscht im Allgemeinen ein eher strengerer Ton. Die Mitarbeiter brauchen klare Ansagen, damit am Ende der Gast zufrieden ist. Bei 60 Sitzplätzen und einem Sechs-Gang-Menü kann man sich ausrechnen, wieviel Handgriffe perfekt sitzen müssen, um den Gast zufrieden zu stellen.
 
tristan und laura neu 690x362 - interviews-portraits, management, gastronomie Tristan Brandt, 959 Heidelberg: „Das Gulasch muss genauso perfekt sein wie der Kaisergranat“

Tristan Brandt und nomy-Autorin Laura Klingenberg. Foto: privat

959 2 - interviews-portraits, management, gastronomie Tristan Brandt, 959 Heidelberg: „Das Gulasch muss genauso perfekt sein wie der Kaisergranat“

959 3 - interviews-portraits, management, gastronomie Tristan Brandt, 959 Heidelberg: „Das Gulasch muss genauso perfekt sein wie der Kaisergranat“

Wie gehst du mit dem Fachkräftemangel um und an was liegt dieser deiner Meinung nach?
 
Wir haben ja allgemein in der Gastronomie nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern auch einen Hilfskräftemangel. Die Wenigsten sehen hier noch das Potential, aufzusteigen und Geld zu verdienen. Wenn man allerdings ein guter Küchenchef wird, sieht der Lohnzettel nochmal ganz anders aus. Bis dahin ist es zwar ein langer Weg aber jeder kann dieses Ziel mit viel harter Arbeit, Eigeninitiative und einem motivierten Team erreichen. Natürlich gibt es da viele, die auf der Strecke bleiben oder auf einem Niveau bleiben. Zusätzlich müssen die Mitarbeiter immer dann arbeiten, wenn andere feiern oder frei haben. Das schreckt ebenfalls viele ab.
 
Hast du das Ziel für das 959 einen Stern zu bekommen? Oder welche Zukunftspläne habt ihr?
 
Wir hätten ganz klar die Kompetenz in der Küche, um dieses Ziel zu erreichen. Aber es ist nicht unser primäres Ziel, dennoch würden wir ihn natürlich nicht ablehnen. Wir wollen im Grunde genommen den Heidelbergern von mittags um 12 bis nachts eine anständige Küche bieten. 
 
959 4 - interviews-portraits, management, gastronomie Tristan Brandt, 959 Heidelberg: „Das Gulasch muss genauso perfekt sein wie der Kaisergranat“
 
959 1 - interviews-portraits, management, gastronomie Tristan Brandt, 959 Heidelberg: „Das Gulasch muss genauso perfekt sein wie der Kaisergranat“
 
Du bist ein sehr erfolgreicher Gastronom geworden. Kannst du vielleicht den einen oder anderen „Best-Practice-Tipp“ deinen Kolleg*innen weitergeben, wie man sich schnellstmöglich von den Folgen von Corona als Restaurant erholen kann?
 
Das Entscheidende in jeder Gastronomie ist die Qualität. Da wo Qualität geboten wird, setzt sich das Restaurant unabhängig vom Preis durch. Wir versuchen die Erwartungen immer zu übertreffen, uns kontinuierlich qualitativ zu steigern, um das Bestmögliche rauszuholen. Wir haben auch z.B. eine Spaghetti Bolognese oder ein Gulasch auf der Mittagskarte. Von der Qualität muss das aber genauso perfekt sein wie abends unser Kaisergranat.
 
Wir trinken hier gerade einen unglaublich guten Tequila und Kaffee. Die Bedienung meinte, dass du diese selbst produzierst. Kannst du uns dazu was sagen?
 
Ich habe vor fünf Jahren Geschäftsanteile an einer Tequila-Manufaktur in Mexico City gekauft. In Deutschland gründete ich dann die Sacral Teq GmbH und kaufte mit dieser deutschen Firma Anteile an der Manufaktur. Hintergrund war, dass die Firma in Mexiko nun nicht mehr die Produktion einstellen kann, ohne mich zu fragen. Mein Premium-Tequila „SACRAL“ ist seit vier Wochen ganz frisch auf dem Markt. Ich biete diesen auch gerne meinen Gästen als Digestif an, weil er fast immer positiv überrascht.
 
Und der Kaffee?
 
Eine Stunde von Rom entfernt besitze ich außerdem mit derselben Firma eine kleine Kaffeerösterei. Dort habe ich anfänglich verschiedene Cuvées aus Arabica- und Robusta-Bohnen probiert und mich im Endeffekt für die Mischung 90:10 für den Espresso und die 60:40 Mischung für den Kaffee entschieden.
 
Ich behaupte mal, dass nicht jeder die Mischungsverhältnisse von Arabica und Robusta bei Kaffee raus schmecken kann. Würdest du sagen, dass du mit den Jahren überdurchschnittlich gute Geschmacksnerven entwickeln konntest?
 
Auf jeden Fall. Ich will nicht arrogant klingen, aber ich habe mit den Jahren einen außerordentlich feinen Geschmack und den Sinn für das „i-Tüpfelchen“ entwickeln können. Das ist nicht nur bei den Speisen und Gerichten der Fall, sondern eben auch bei Kaffee, Wein oder Spirituosen. Ein ständiges Weiterentwickeln und das Streben nach Perfektion und Verbesserung formen meinen Geschmackssinn. Durch das Wissen, wie etwas normalerweise schmeckt und wie man diese Geschmackserwartung übertreffen kann, bindest und begeisterst du deine Gäste. Das versuche ich meinen Köch*innen langsam weiterzugeben und beizubringen.
 
Vielen Dank, Tristan. 
 
Mehr zum Restaurant:
www.959heidelberg.com
Der Tequila und weitere Produkte von Tristan Brandt:
www.tristan-brandt.de/produkte

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.