Lutz Rau, Berlin: „Wir sind krisenerprobt“

Der Betreiber der Booze Bar, der Goldfisch Bar und des Rau & Herzlich im Portrait

von Jan-Peter Wulf
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Lutz Rau: „Wir wollten mit der Booze Bar nie elitär sein, sondern locker auf hohem Niveau. Und das hat funktioniert.“ Foto: Redaktion

Vor gut zehn Jahren eröffnete die heute legendäre „Booze Bar“ in Berlin-Friedrichshain, heute betreibt Lutz Rau eine weitere Bar und ein Restaurant in der Stadt. Feuer, Corona-Lockdown und Versicherungsstress haben ihn nicht bremsen können.

Seine Haare sind seit unserer letzten Begegnung – da verkaufte Lutz Rau eigenhändig Hotdogs ab Fenster aus seinem Restaurant Rau & Herzlich – deutlich länger geworden. „Die schlimme Länge habe ich bald hinter mir, aber für einen Zopf reicht es noch nicht ganz“, sagt er lachend und setzt sein Basecap wieder auf.

Die gute Laune und Lässigkeit strahlt er immer noch aus. Aber man merkt schon, dass die vergangenen nun fast anderthalb Jahre Ausnahmezustand auch nicht ganz spurlos an ihm vorüber gegangen sind. „Diese Coronakrisen-Dauersituation geht einem schon an die Substanz. Als Chef machst du dir ja die ganze Zeit einen Kopf. Dazu die Perspektivlosigkeit und die ständig neuen Einschränkungen“, blickt er zurück.

Rau hat sich öfter öffentlich dazu geäußert, kritisch und leidenschaftlich in Zeitungen und auf Facebook, sein Video nach dem ersten Lockdown 2020 ging in der Branche rund: Während, wir erinnern uns, Restaurants wieder öffnen durften, war den Bars nur „to go“ erlaubt. Doch ringsherum um seine Booze Bar in Friedrichshain saßen die Leute vor den Spätis und tranken dort natürlich nicht nur Capri-Sonne. „Diese Ungleichbehandlung habe ich als unfair empfunden“, erklärt er es in diplomatischen Worten.

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Das ist jetzt schon wieder mehr als ein Jahr her. Der zweite, weitaus längere Lockdown ist soeben zu Ende gegangen. „Wir haben im Oktober 2020 viel gerechnet und schon da entschieden, dass wir so oder so nicht vor März 2021 wiedereröffnen, weil es sich wirtschaftlich sonst gar nicht rechnet“, erklärt der Gastronom. Es wurde dann bekanntermaßen Mai draus. Die Hilfen für seine drei Betriebe flossen unterschiedlich schnell bzw. langsam, beim Thema Kurzarbeitergeld hänge davon ab, mit welchem Sachbearbeiter man zu tun habe, was den bürokratischen Aufwand angeht – und dann ist da noch der Rechtsstreit mit der Versicherung: Gegen eine Betriebsschließung ist man nämlich eigentlich versichert, doch greift die bei Corona? Einen Vergleich lehnte man ab, es geht nun in nächste Instanz, vors Kammergericht. Rau: „Mal sehen, was die sagen.“ Die Rechtsschutzversicherung, mit der man sich das unschöne Prozedere leisten kann, hat man kurioserweise bei derselben Versicherungsgruppe abgeschlossen.

Ein Feuer hat die Bar nicht bezwungen

Es ist ja nicht die erste Krise, die Rau als Gastronom durchstehen muss. Schon vor fünf Jahren, am Ostermontag 2016, begann für seine 2011 eröffnete „Booze Bar“ in Friedrichshain ein siebenmonatiger Lockdown. Damals war es kein Virus, sondern vermutlich ein Bodenpflegemittel. Es löste – davon geht man jedenfalls aus – einen Schwelbrand aus, giftiger Ruß entstand, der sich durch alles fraß, was porös war. Die gesamte Elektrik – hinüber, Decke und Fensterfront mussten neu gemacht werden, die Lounge hinten in der Bar musste man komplett rausreißen.

Während aufwändig renoviert wurde – zum Glück ein Versicherungsfall – überbrückte man die Zeit mit einer Popup-Bar namens „Zum Dackel“ in der ehemaligen „Saphire Martini Lounge“ im Prenzlauer Berg und machte Cocktail-Caterings. Die Auswärtsspiele hielten auch das Team – zwei Jahre zuvor war es zum „Barteam des Jahres“ bei den Mixology Bar Awards gekürt worden – bei der Stange.

Es ist nun erneut nicht von Bord gegangen, was seine beiden Bars betrifft. Neben der „Booze Bar“, die gerade zehn geworden ist, kam nämlich 2018 die „Goldfisch Bar“ gleich um die Ecke dazu – hüben kiezige Cocktail-Kneipe mit Bier vom Fass, drüben klassische Bar. Aus dem Operativen im „Goldfisch“ halte Rau sich aber weitgehend heraus, erklärt er. Die Geschäfte dort leiten Kai Wolschke und Roman Lewandowski, in der „Booze Bar“ ist Manuel Wagner Chef hinter dem Tresen.

Das Restaurant steht auf der Abschussliste

2019 ging es für den Gastro-Unternehmer Rau mit der Eröffnung des Restaurants „Rau & Herzlich“ im Stadtteil Kreuzberg ein Stück zurück zu den Wurzeln – denn ursprünglich hat der gebürtige Havelländer Koch gelernt. Nach der Ausbildung im Restaurant des „GolfResort Semlin“ bei Rathenow arbeitete er u.a. im „Restaurant Elisenstube“ in Potsdam, bevor er Anfang der Nuller-Jahre die Hotelfachschule als Betriebswirt für Hotellerie und Gastronomie abschloss und dann im Premium-Lebensmittelvertrieb tätig war, bevor er sich mit der Bar selbständig machte.

Das „Rau & Herzlich“ versteht sich als kiezaffines, lässiges Restaurant mit Handfestem wie Schnitzel und Kabeljau auf der Karte, vakuumgegarter Maispoularde und natürlich auch Cocktails. Im Lockdown gab es, wie eingangs beschrieben, noch Hotdogs und dazu Suppen, seit einigen Wochen ist die Fläche – wie so viele in der Stadt – eine Covid19-Teststation. Die Gastro-Mitarbeiter sind gegangen, nach nur einem Dreivierteljahr regulärer Öffnung vor Corona sei für sie einfach keine Perspektive entstanden, so Rau. Und für ihn selbst auch nicht: Er und Co-Geschäftsführer Timo Häberle planen, den Laden im Herbst wieder abzugeben.

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„Gute Gastronomie fängt damit an, dass einer hallo und tschüss sagt. Auch wenn es bumsvoll ist. Das ist Service, aber auch was Persönliches.“ (Lutz Rau)

Doch bis dahin gibt es hier nicht nur Teststäbchen in die Nase, sondern auch Cocktails. Denn auf dem Dach hat der umtriebige Rau kurzerhand eine Terrassenbar eröffnet. „Die Bar, die es nicht gibt“ (hat mit dem ehemaligen gleichnamigen Nomadenbar-Projekt nichts zu tun) sperrt immer von Mittwoch bis Sonntag auf. Wer anruft, wird unten abgeholt. Die Nummer wird an Freunde verteilt, ein bisschen „unter uns“ soll es bleiben, keine Sundowner-Rooftop-Bar.

„Bar ist wie Kochen“

Man sieht: Es geht trotz mehrfacher Krisen weiter. Neue Ideen hat Rau jede Menge, doch Expansion ist bis auf Weiteres nicht geplant. Was er hingegen gerne machen würde: Nachwuchs ausbilden. Den Schein dafür hat er gemacht, „nur“ der offizielle Beruf Bartenderin bzw. zum Bartender fehlt noch. Zurzeit wird unter anderem seitens der Deutschen Barkeeper Union (DBU) daran gearbeitet, dass sich dieses im Zuge der geplanten Neugestaltung der gastronomischen Ausbildungsberufe ändert. „Wir müssen die Bar, so wie wir sie verstehen, raus aus dem Schmuddeligen holen. Es geht um viel Wissen und hochwertige Spirituosen. Bar ist wie Kochen, nur in anderen Aggregatzuständen. Das Know-how können wir als gestandenes Unternehmen bestens vermitteln.“

2011 Eröffnung „Booze Bar“
2014 Auszeichnung „Mixology Barteam des Jahres 2015“
2016 Brand in der Booze Bar, Wiedereröffnung nach sieben Monaten
2018 Eröffnung „Goldfisch Bar“
2019 Eröffnung „Rau & Herzlich“
2021 Popup „Die Bar die es nicht gibt“

Dieser Beitrag erschien zuerst in fizzz 8/2021.

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